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Goldglanz des Mittelalters
Im Rahmen seiner wissenschaftlichen Erfassung und Darstellung geschlossener Kunstepochen tritt jetzt das Salzburger Museum Carolino Augusteum mit dem zweiten Teil seiner großen überregionalen Ausstellung „Spätgotik in Salzburg“ an die Öffentlichkeit und setzt damit den Auftakt zum heurigen Salzburger Festspielsommer. Nach der 1972 gezeigten ersten Dokumentation, die sich mit der Malerei der Spätgotik aus dem damaligen Salzburger Raum und seinen reichhaltigen Einflüssen auf internationale Stilentwicklungen befaßte, folgt jetzt der zweite Teil dieses umfangreichen Komplexes mit der Skulptur und dem Kunstgewerbe jener Zeit (des späten 14. und 15. Jahrhunderts). So zeigt diese rund 300 Exponate umfassende Schau neben hervorragender Gold- und Eisenschmiedekunst, Keramik und einer Auswahl gotischer Möbel und Chorgestühl eine Anzahl großer Schreinaltäre sowie eine umfangreiche Madonnen- und Heiligenfigurensammlung.
Der extrem weit gesteckte wissenschaftliche Rahmen dieser Ausstellung findet zudem seinen besonderen Niederschlag in dem begleitenden Katalog, der zusätzlich eine nicht unerhebliche Reihe von Vergleichsobjekten aufgenommen hat mit detaillierten Erläuterungen sowie Hinweisen auf Standort und Fundort. Dies ermöglicht nicht nur eine umfassende Information, es legt Querverbindungen künstlerischer Arbeit klar und macht den Katalog noch weit über die Ausstellungsdauer hinweg (17. Oktober 1976) zu einem großartigen Nachschlagewerk.
Auch heuer wurde neben den Räumlichkeiten des neuen Museums der durch sein Originalkreuzrippen-gewölbe geradezu prädestinierte gotische Saal der nahegelegenen Bürgerspitalskirche in die Ausstellung miteinbezogen, und hier stehen auch die sensationellsten Stücke: so der 1518 von Andreas Lackner vollendete Abtenauer Altar, dessen Einzelteile als Leihgaben aus Wien, der Erzabtei St. Peter, Abtenau .und dem
Salzburger Museum selbst zur Wiederaufstellung beschafft werden konnten. — Nicht minder harmonisch fügt sich der reichgeschnitzte, zwei Meter hohe Taufdeckel aus St. Zeno (Reichenhall, 1522) in die Architektur des Saales ein als charakteristisches Zeichen spätgotischer Eigenständigkeit innerhalb des Salzburger Raumes und gleichzeitigen Übergangs zu volkstümlich geprägter Frührenaissance, die hier im Verlauf so typisch werden sollte. Zahlreiche Graphiken aus dieser Zeit untermalen dieses Unterfangen recht deutlich.
Denn Ziel dieser Ausstellung, die sich in unterschiedliche kunst- und kulturgeschichtliche Komplexe gliedert, ist keineswegs, internationale Objekte zu zeigen — hier soll vielmehr bewußt das eigenständige Schaffen aus der Variationsbreite der Landschaft heraus betont werden. Dazu gehören ebenso die zahlreichen Anregungen, die sich bayerische und schwäbische Künstler hier holten, wie der Komplex der sogenannten „Schönen Madonnen“ (um 1400 von der Prager Hofkunst beeinflußt) sowie die Wiederauflösung des diese Zeit beeinflussenden „weichen Stils“ und seine Verwandlung in teils barocke, teils manieristi-sche Formen nach 1460.
Einen nicht minder großen Raum beanspruchen die großen Schreinaltäre und die Salzburger Bildnerei. Letztere ist ganz hervorragend mit der großen Kreuzigungsgruppe aus der Salinenkapelle in Hallein (um 1500) vertreten. Auffallend an Möbeln und Chorgestühl der reichhaltige Intarsienschmuck, der nördlich der Alpen erstmals im Salzburger Raum zu beobachten war. Berühmtestes Beispiel: das St. Leonharder Chorgestühl von Petrus Piskator um 1500.
Ein rundes Dutzend Länder, darunter viele aus dem Ostblock, sind die Leihgeber. Manches aus Privatbesitz kann hier erstmals frei besichtigt werden. Ungemein reichhaltig präsentiert sich die unter höfischem Einfluß entstandene Salzburger Schmiedekunst, nicht minder kostbar die funkelnden, reich mit Edelsteinen besetzten Monstranzen, Reliquienkreuze und Kelche. Eine Ausstellung, die in ihrer Vielfalt und künstlerischen wie wissenschaftlichen Breite noch auf Jahre hinaus Anregungen und Diskussionen bringen wird.
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