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Golfkrise: Tropfen auf heißem Stein

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Anfang Oktober 1990 kamen die ersten Friedensaktivisten nach Bagdad - mit Erlaubnis des Regimes und betreut von der staatlichen Propagandaorganisation „Für Frieden, Freiheit und Solidarität". Sie wurden nach eigener Aussage „sehr stark von der irakischen offiziellen Propaganda vereinnahmt". Die genannte Organisation hat zunächst alles an sich gerissen und ausgewählte Gespräche - auch mit Politikern - organisiert. Im Bagdader „World Peace Camp", einem früheren Touristenhaus, das italienischen Friedensaktivisten vom Staat zur Verfügung gestellt wurde, hingen zu Beginn der Friedensaktion Bilder und Sprüche von Saddam Hussein. Mittlerweile - so Klaus Heidegger vom Österreichischen Katholischen Jugendwerk, aber auch Heike Huschauer, die deutsche Koordinatorin des Einsatzes „Frieden am Golf", übereinstimmend zur FURCHE - konnte man sich vom staatlichen Einfluß „freispielen". Die Saddam-Fotos wurden aus dem Friedenszentrum entfernt, Gesprächspartner können frei gewählt werden. Das im Aufbau begriffene „Friedenslager" an der saudiarabischen Grenze, in dem

sich zur Zeit auch die Österreicherin Irmgard Ehrenberger befindet, hat noch stark mit der Bevormundung durch die irakischen Behörden zu kämpfen. Hingebracht wurden die Aktivisten mit einer Militäreskorte. Die Verpflegung seitens der irakischen „Betreuer" ist „großartig" - „dabei fühlt man sich aber sehr unwohl, wenn man auf die hungernde Bevölkerung schaut", so Huschauer. Deswegen wollen die Aktivisten in Ar-Ar „bewußt einfach und genügsam leben".

Was erwarten die Friedensaktivisten eigentlich von ihrem Einsatz? Klaus Heidegger: „Die Initiative des Internationalen Versöhnungsbundes stellt einen Appell an die westlichen Mächte dar: Begebt euch auf den Verhandlungsweg, wir fahren ohne Waffen in den Irak." Für Heidegger stellt die Aktion im Irak, an der die zwei Österreicherinnen Irmgard Ehrenberger (sie bleibt bis zum 10. Jänner im Friedenscamp an der Grenze und wird noch vor dem 15. Jänner zurückkehren) und Doris Kunz (sie kommt morgen, 4. Jänner, aus Bagdad zurück) auch „eine Kritik an der offiziellen Außenpolitik" des Westens dar.

Zurückgekehrte Friedensaktivisten berichten, daß Bagdads Krankenhäuser augenblicklich unter Medikamentenmangel leiden, obwohl diesbezüglich kein UNO-Embargo besteht. „Wir wissen nicht", sagt Huschauer, „ob es sich dabei um ein Verteilungsproblem

handelt oder ob die vorhandenen Medikamente schon gezielt in die Feldlazarette gebracht werden und deswegen der Zivilbevölkerung nicht mehr zur Verfügung stehen. " In zwölf Tagen -am 15. Jänner - läuft ja das UNO-Ultima-tum für den Rückzug Iraks aus Kuweit ab.

Die Friedensaktivisten haben jetzt Medikamentenlisten zusammengestellt. Neu hinzukommende Friedenscampleute bringen fehlende Arzneimittel als Gastgeschenke mit. Einem von Benediktinerinnen geleiteten Spital in Bagdad konnte auf diese Weise schon geholfen werden. „Wir wollen im Westen gezielt sammeln, um humanitär zu helfen. Auch an Kindernahrung fehlt es jetzt überall", berichtet Huschauer. „Wir wissen aber, daß alle unsere Bemühungen nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sind." Den Irakern soll jedenfalls vermittelt werden, daß es da Europäer und Amerikaner gibt, die bereit sind, ihr Leben mit dem bedrohten Leben der Iraker zu teilen.

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