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Gorbi kommt

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Wenn ich früher arglos gesagt habe, daß Bayern auch politisch viele Ähnlichkeiten mit Österreich aufweist, hat man es mir in Wien nicht geglaubt.

Viele Jahre hat der Ausnahmepolitiker Bruno Kreisky aufgrund seines Bekanntheitsgrades, seiner persönlichen Beziehungen und seiner vielbewunderten Analysen der internationalen Politik den Eindruck erweckt, als sei Österreich eine politisch-moralische Großmacht. Nach der Ära Kreisky kam das jähe Erwachen.

Ähnliche Illusionen hat es viele Jahre lang auch bei uns in Bayern gegeben. Der Ausnahmepolitiker Franz Josef Strauß hat aufgrund seiner langen Erfahrung, seiner unverblümten Rhetorik und markanten Beurteilung der weltpolitischen Lage großes Ansehen in der internationalen Politik gehabt — wenn auch meist in anderen Gegenden als Kreisky.

Aber bei vielen Bayern, vor allem bei den bedeutungsschwangeren Provinzlern der CSU, hat sich die hoch- staplerische Einbildung festgesetzt, nicht Österreich, sondern Bayern sei der wahre Nabel der Welt. Mit FJS wurde die Illusion beerdigt.

Nun wird im Juni der sowjetische Staats- und Parteichef Gorbatschow in die Bundesrepublik kommen und selbstverständlich auch in die Südstaaten. Er hat jedoch nicht Bayern, sondern Baden-Württemberg dafür ausgewählt und verzichtet damit darauf, Ehrendoktor einer weltberühmten bayerischen Landwirtschafts- Hochschule zu werden.

Obwohl Franz Josef Strauß mit seinen Nachfolgern Theo Waigel und Max Streibel weit eher zufrieden sein kann als Bruno Kreisky mit den seinen, zerreißen auch die unseren in der Weltpolitik nicht mehr als nasses Zeitungspapier. Wir Bayern müssen uns nun angesichts dieser ersten auffallenden Zurückstufung unseres Freistaates auf ein beinahe gewöhnliches Bundesland überlegen, ob wir beleidigt sagen sollen: „Schluß mit Perestroika!“

Oder ob wir froh sein sollen, daß endlich bei unserer politischen Führung Bayern nicht mehr bloß Start- und Landebahn für ehrgeizige weltpolitische Rundflüge ist, sondern ein Land, dessen eigene Probleme für einen Ministerpräsidenten zum Full- time-Job werden können.

Peinlicher als für den bayrischen Ministerpräsidenten ist ja die Tatsache, daß Gorbatschow lieber nach Stuttgart als nach München kommen will, sowieso für unseren Bundeskanzler, für den ja Ministerpräsident Lothar Späth ständig als Reservist genannt wird. Jetzt sieht es wirklich so aus, als möchte Gorbi nicht den Nachfolger von Franz Josef Strauß ken- nenlemen, sondern lieber gleich den Nachfolger von Helmut Kohl.

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