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Gott als Moral-Aufrüster?

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In Osterreich und anderswo, in West und Ost und Dritter Welt wollen die Menschen mehr als materielle Güter, suchen sie Transzendenz und Lebenssinn. Können die großen Religionen diese Sehnsucht stillen? Tragen sie damit zur moralischen Aufrüstung der Menschheit bei?

Dieses ambitionierte Thema hatte sich die ambitionierte „Vereinigung der Alt-Hietzinger" (Absolventen des Gymnasiums in der Wiener Fichtnergasse) für eine Podiumsdiskussion am 4. März mit namhafter Besetzung vorgenommen.

Fünf Diskutanten waren sich einig: Die Religionen könnten moralisch motivieren, „die Welt auf den Kopf stellen" (Diözesan-bischof Stefan Läszlö), „soziale Unmoral" überwinden (Rabbiner Chaim Eisenberg), Menschen, wenn schon nicht die Menschheit erneuern („Presse"-Vizechefre-dakteurin Pia Maria Plechl). Aber tun sie es auch?

Im Christentum geschieht es vor allem immer dann in der Geschichte, wenn auf eine Periode des „geistlichen Schlafes" eine Neubesinnung rund um eine charismatische Persönlichkeit erfolgt, rief Stephanie Nadherny-

Prohaska, die bekannte evangelische Theologin AB, in Erinnerung. Es geschieht, wenn Glaube glaubwürdig gelebt wird, betonte Achmad Abdelrahimsai, Präsident der muslimischen Glaubensgemeinschaft in Osterreich.

Die Religionen Werden aber erst glaubhaft, wenn ihre Vertreter zueinander ein menschenwürdiges Verhältnis finden, mahnte der indische Jesuit A. Amaladas, ein hervorragender Hinduismus-Kenner. Ansonsten können, so derselbe, Religionen auch sehr engherzig, repressiv, intolerant werden.

Uber das Wesen der Toleranz entspann sich auch eine Publikumsdiskussion. Man mußte zugeben, daß die Ökumene die Gefahr der Grenzverwischung zwischen Toleranz und Indifferenz birgt, obwohl nur Achtung und nicht Vereinnahmung des Andersseins sie zum Wert macht.

Der jüdische Geist hob Sünde und Sühne, Fehltritt und Vergebung, individuelle und kollektive Umkehr als Konstituanten seiner Religion hervor, die damit von einem sehr realistischen Menschenbild ausgehe.

Daß jede Religion vollständige

Hingabe (der Wortsinn von „Islam") verlange und daher „eigentlich jeder ein Muslim" sei, wollte Abdelrahimsai nicht nur symbolisch verstanden wissen.

Für Muslime hat sich Gott Abraham ebenso geoffenbart wie Mose und David und Jesus und Mohammed; diesen sei die volle Offenbarung nur zuteü geworden, weil Juden und Christen das Wort Gottes durch allerlei Herumdeuten teilweise verfälscht hätten.

Verständlich, daß ein solch umspannendes Thema nicht in knapp zwei Stunden ausdebattiert werden kann. Daß in der Aussprache die drei Eingottreligionen dominierten und ein katholisch-evangelischer Zwiespalt dabei gewiß nicht aufkommen konnte, lag nahe.

Bischof Läszlö kam das Verdienst zu, an den Wortsinn von .Jleligion" zu erinnern, nämlich „Bindung", „Gebundensein": „Es kann sich nicht jeder eine Religion selber machen." In puncto moralischer Aufrüstung war er eines Sinnes mit Rabbiner Eisenberg: „Ein jeder beginne bei sich selbst."

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