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Gott ist kein Verlierer

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Wie bei einem gotischen Portal bisweilen die Apostel auf den Schultern der Propheten sitzen, so ist es bei Hans Urs von Balthasar die Tradition, auf der er steht und von der seine Theologie kündet. Sein Weg führt zu den Quellen. Er will die Fülle der christlichen Botschaft in ihrer Gesamtheit aufschließen und offenhalten. Seine vielen Bücher lassen seine Belesenheit und seine tief religiöse Einstellung erkennen.

Auf Einladung von Bischof Egon Kapellari war Hans Urs von

Balthasar eine Woche lang Mittelpunkt der „St. Georgener Gespräche" am Kärntner Längsee. In Referaten und Gruppenarbeit versuchte man, dem Thema: „Die Schönheit der Welt und die Herrlichkeit Gottes" gerecht zu werden, ein Unterfangen, das in seiner Ernsthaftigkeit so mancher hochgestochenen Veranstaltung die fundierte Auseinandersetzung voraushatte.

Aus dem Reichtum der Theologie Balthasars lassen sich zur Themenstellung der Veranstaltung mehrere Argumentationsstränge herauslesen. Im verantwortlichen Umgang mit der Bibel sucht Balthasar den Zugang über Jesus, den Christus, zum Vater zu finden. Im Hinhören darauf, wie Jesus vom Vater spricht, wird uns mit Hilfe des Geistes die Unerschöpflichkeit Gottes aufgetan und gegenwärtig.

Es sind aber nicht Theologen und Exegeten, die uns auf diesem Weg weiterhelfen können. Sie kommen nur so weit, wie ihr Verstand reicht, dem Mysterium sind sie nicht gewachsen. Die Dichter sind die weitaus besseren Offenbarer Gottes als dies Fachtheologen sein können. Die Kunst führt uns von der Schönheit der Welt zur Schönheit Gottes.

In seinem Werk „Theologische Ästhetik" geht es Balthasar grundsätzlich darum, die Wahrnehmung Gottes in der Welt zu aktivieren. Was sich als Bilderverbot im Alten Testament durchhält, wird im Neuen Testament von Jesus durchbrochen. In Jesus offenbart Gott sein Bild in der Gestalt des Sohnes. Durch ihn zeigt er sich der Menschheit. Das Wort wird Fleisch.

Wie in keiner anderen Weltreligion wird durch die Menschwerdung Gottes der Bereich tiefsten Leidens erschlossen und in Kreuz und Auferstehung überwunden. Die Dunkelheit des Todes ist vorbei, von der folgenden Ostersonne fließt Licht herein, und nach der Zeit des Leidens entsteht Auferstehungsfreude.

Wir sind Mitspieler im großen Welttheater Gottes — ein Gedanke Balthasars, dem er in seinem Lebenswerk „Theodramatik"

(1973-1983) breiten Raum gibt. Wie läßt sich die Geschichte dieser Welt auf eine Formel bringen? Wie ist es um ihren Ausgang bestellt? Balthasar versucht es mit Teilhard de Chardin. Doch auch dort finde er keine klaren Aussagen. Jesus Christus ist das abschließende Wort Gottes zur Geschichte. Wo dieses letzte Wort Gottes in die Geschichte hineingesprochen ist, findet sich nach Balthasar auch das Widergöttliche.

Das Experiment Gottes mit der Welt, mit uns, sei ein Experiment in absoluter Freiheit, das die Möglichkeit des Scheiterns miteinschließt. Ob derzeit Pessimismus am Platz ist, steht für Balthasar nicht zur Diskussion; aber Gott wird nicht Verlierer sein in diesem Spiel. Was uns anlangt, seien wir dem Ernstfall verpflichtet, den die Christen in den Staaten des Ostblocks leben müssen. Gefährlich werde es für das Christentum vor allem dann, wenn es keine Chance habe verfolgt zu werden, wie dies beispielsweise in Nordamerika der Fall ist, wo die Sekten das Land überwuchern.

Ganz anders ist für Balthasar die Situation in Südamerika. Dort sei man dabei, den Unterschied zwischen Fassade und Wirklichkeit herauszuarbeiten. Erst wenn die Geister unterschieden seien, könne durch die Befreiungstheologie etwas Neues aufbrechen, das zur Erneuerung der Kirche führen könne.

Blättert man in der Biographie des heute 79jährigen Balthasar, so markieren die Studien der Germanistik, Philosophie und Theologie, sein Austritt aus dem Jesuitenorden 1950, die Begegnung mit Adrienne von Speyr, die Auseinandersetzung mit Karl Rahner wichtige Stationen und Weichenstellungen seines Lebens.

Insbesondere die Auseinandersetzung mit der Theologie Karl Rahners konnte Balthasar nicht auf eine Formel bringen, zwei Seelen seien in Rahner verborgen gewesen. Einmal seien die katholische Seite, ein andermal die philosophische Orientierung im Vordergrund gestanden, wobei sein naiver katholischer Glaube mit seiner theoretischen Philosophie nicht übereingestimmt habe.

Unbestritten ist Balthasar ein faszinierender Theologe, der mit seinem Lehrgebäude in der Fülle des Glaubens steht, vielleicht mit der einzigen Schwäche behaftet, über die Vorläufigkeit seiner Theologie keine Diskussion zuzulassen. Aber möglicherweise ist das seine Stärke.

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