6883639-1979_18_15.jpg
Digital In Arbeit

Gottes neue Eva nicht nur für Küche, Kirche, Kinder

Werbung
Werbung
Werbung

Was hat das Christentum zur Befreiung der Frau im Lauf der Geschichte beigetragen? Was steuert es zur Emanzipationsbewegung heute bei? Welche Rolle kommt Maria in diesem Zusammenhang zu? In jüngster Zeit sind einige interessante Bücher herausgekommen, die auf diese Fragen eine Antwort suchen. Und auch Texte über praktische Konsequenzen, die es aus schönen Theorien zu ziehen gilt...

Am meisten Aufsehen erregen sollte „Gottes neue Eva“* des aus der Schweiz stammenden evangelischen Theologen Kurt Lüthi, der an der Evangelisch-Lutherischen Fakultät der Universität Wien Systematische Theologie liest. Er stellt sein Buch als eine Sammlung „dialogisch-theologischer Studien der Frauenbefreiung“ vor. Noch wird es seltsam stark umschwiegen. Angst vorm Fingerverbrennen?

Die Arbeit ist ein nachdrückliches, vorbehaltloses Bekenntnis zu der Verpflichtung aller Christen, den „Versuch der Selbstfindung der Frau“ zu fördern, mitzuvollziehen -um so mehr, als „das Christentum als Institution im Verlauf der Jahrhunderte relativ wenig zur Befreiung der Frau beigetragen hat“ (ein sicher allzu vergröberndes Pauschalurteil).

Eine bemerkenswerte Parallele dazu aus dem rein theologischen Bereich findet sich allerdings in dem Buch „Maria“** des amerikanischen Sozialwissenschaftlers (und Priesters) Andrew Greeley, wo dieser einräumt, daß „eine korrupte Mariologie in der römisch-katholischen Kirche die Unterdrückung der Frau nur noch verstärkt hat.“

Obwohl Lüthi ohne Umschweife die moderne Frauenemanzipation zu seinem Anliegen macht und Greeley betont, daß sein Buch damit nichts zu tun habe, begegnet man dennoch in beiden Werken immer wieder einer verwandten Thematisierung und Argumentation. Beide kommen - zu Recht - auf den Stellenwert der Sexualität in der Kirche zu sprechen.

„Erotische Kultur humanisiert das sexuelle Verhalten und die sexuelle Lust“, schreibt Lüthi und plädiert einerseits für eine „Erziehung zur Lustfähigkeit“, andererseits für eine weitgehende Achtung des „Freiheitsraums der Liebenden“, in dem sie Verantwortung für einander übernehmen: eine stark subjektiv gefärbte Situationsethik hält er für „ein beachtliches Modell“.

Ganz ähnlich Greeley, der sexuelle Lust den „deutlichsten, erfreulichsten und aufregendsten Aspekt unserer sexuellen Verschiedenheit“ nennt.

Der Protestant Lüthi anerkennt, daß die heutige ökumenische Bewegung und auch das Konzildokument „Gaudium et spes“ dem Bemühen um Gleichwertung von Frau und Mann wichtige Impulse geliefert habe, zitiert aber ein erschütterndes Umfrageergebnis aus der Bundesrepublik Deutschland, wo angeblich nur ein Prozent der befragten Frauen Hilfe in der Emanzipationsbewegung von den christlichen Kirchen (die in den USA darin eine nicht unerhebliche Rolle spielen!) erwartet.

Sicher wird man Fragezeichen hinter das Eintreten Lüthis für „neue Formen der Partnerschaft,“ „Partnerschaft auf Zeit“, „Personalbund“ usw., aber auch hinter die Forderung nach einer „neuen, nicht repressiven Sprache“ (ist vulgär schon „frei“?) oder Anerkennung lesbischer Liebe als zeitlich begrenztes Emanzipationsinstrument setzen. Aber auch in seinem Bemühen um eine „Theologie des Weiblichen“ gerät er seinem katholischen Amtskollegen Greeley wieder recht nahe.

Lüthi postuliert, daß man Gott eine männliche und eine weibliche Rolle spielen sehe, daß man sich genau so gut eine Jesa Christa wie einen Jesus Christus als Träger der Vaterbotschaft vorstellen oder auch den Heiligen Geist als weiblich empfinden könne. Die Herausstellung dieser „weiblichen Dimension Gottes“ ist das eigentliche Anliegen des Gree-ley-Buches, das weder ein Buch über Maria im herkömmlichen Sinn, noch ein Buch über die Frau sein will, sondern Zeugnis für die Erkenntnis:

„Maria offenbart uns die zärtliche, gütige, sorgende, bergende, .weibliche' Dimension Gottes“ und stehe damit in der großen Tradition weiblicher Gottheiten der antiken Völker -wozu Lüthi freilich anmerkt, der auch von vielen Göttinnen besiedelte Götterhimmel Indiens habe der indischen Frau keine Besserstellung verschafft. Maria aber sei als Orientierungshilfe nur brauchbar, wenn sie „ein menschliches Gesicht“ trage und Identifizierungsmöglichkeiten für heutige Frauen schaffe.

Ganz anderer Meinung ist hier Greeley, der Maria für den Inbegriff symbolhafter Selbstdarstellung Gottes hält und rundum eine „Wiederentdeckung Mariens“ ortet.

Mit Nachdruck weist Greeley die These zurück, die christliche Kirche habe die Frauen auf Kirche, Küche und Kinderkriegen beschränkt: Dies sei eindeutig Übernahme eines heidnisch-antiken Frauenbildes. Ungeachtet der doch immer deutlicher werdenden kirchlichen Ablehnung solcher Formeln warf auch Sigrid Löffler in der Besprechung des Lüt-hi-Buches im „profil“ (6. Februar 1979) eben das uneingeschränkt auch der heutigen katholischen Kirche vor.

Womit wir wieder im Lande wären. Hier wird selten argumentiert und immer noch lieber agitiert. Schon fallen extreme „Emanzen“, denen kein Kirchenmann emanzipatorisch genug sein kann, spöttisch auch über Lüthi her („Ein großer Feminist vor dem Herrn“). Und natürlich fand auch Ilse Keller in der „Arbeiter-Zeitung“ vom 28. Jänner, daß der recht beachtliche Programmentwurf des Katholischen Familienverbandes Wien über „Frau und Gesellschaft“ nicht mehr als ein „Mitnaschen an der Emanzipationsdiskussion“ wäre.

Man darf sich durch Argwohn und Vorurteil nicht irremachen lassen: Die Aufwertung der Frau ist ein zentrales Anliegen unserer Zeit und das Christentum hat dazu den entscheidenden Beitrag zu leisten.

GOTTES NEUE EVA (Wandlungen des Weiblichen). Von KURT LÜTHI. Kreuz-Verlag, 288 S., öS 229,-. **MARIA (Über die weibliche Dimension Gottes). Von ANDREW GREELEY. Styria-Verlag, 255 S., öS 178,-.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung