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Gotteshäuser

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Zur ersten öffentlichen Bischofsweihe der griechischkatholischen Kirche Rumäniens nach 41 Jahren Verfolgung strömten unlängst Tausende nach Baja Mare.

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Zur ersten öffentlichen Bischofsweihe der griechischkatholischen Kirche Rumäniens nach 41 Jahren Verfolgung strömten unlängst Tausende nach Baja Mare.

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Um halb zehn setzte . sich die Prozession langsam in Bewegung. Ein eindrucksvoller Zug von weißgekleideten Mädchen, Gläubigen in den traditionellen siebenbürgischen Trachten, mehr als hundert Ordensfrauen und ebenso vielen Priestern. In ihrer 'Mitte schritt Alexandru Todea, der 78jährige Erzbischof von Blaj, umgeben von den Oberhirten der griechisch- und römisch-katholischen Diözesen Rumäniens. An diesem Sonntag, dem 27. Mai, wurden mit Lucian Muresan (59) für die Diözese Maramures (mit Sitz in Bsija Mare) und Vasile Hossu (70) für die Diözese Oradea Mare wie-

der erstmalig in aller Öffentlichkeit zwei Bischöfe der leidgeprüften griechisch-katholischen Kirche in Rumänien geweiht. Die Stadt hatte in letzter Minute den von ihr besetzten Teil der griechisch-ka-· tholischen · Bischofsresidenz zur Verfügung gestellt. So konnten sich die von weit angereisten Bischöfe und Priester dort sammeln.

Auch wenn die „Nationale Rettungsfront" am 31. Dezember 1989 das Dekret von 1948 über die Zwangsunion mit der orthodoxen Kirche für ungültig . erklärt hat, bleibt die griechisch-katholische Kirche vorerst ohne Kirchen. Denn während die Orthodoxe Kirche gar nicht daran denkt, den von ihr geraubten Besitz zurückzugeben, drückt sich die neue Regierung mit allerlei Ausflüchten davor, begangenes Unrecht wieder gut zu machen. Es war durchaus keine freundlich gemeinte Geste, daß das Hauptportal der von den Orthodoxen besetzten griechisch-katholischen Kathedrale an diesem Morgen sper????angelweit offen stand: die Bischofsweihe mußte im Freien stattfinden.

Eine halbe Stunde später erreichte die Prozession den Freizeitpark der Stadt, wo unter einem kommunistischen Arbeiter- und Soldatendenkmal der Altar aufgebaut worden war. Diefünfstündige Zeremonie, bei naßkaltem Wetter und begleitet von der Geräuschkulisse aus dem nahegelegenen Fußballstadion, vermittelte uns verwöhnten Besuchern aus dem Westen einen Eindruck davon, was es heißen mag, einer rechtlosen und mißachteten Kirche anzugehören.

Diese Kirche war im Jahre 1 700 nach der Befreiung Rumäniens von der türkischen Herrschaft und der Angliederung an das österreichischungarische Kaiserreich entstanden, und zwar durch eine vom Klerus und den Gläubigen in Alba Julia vollzogene Union mit Rom. Die so gegründete „ unierte" rumänische Kirche behielt ihren byzantinischen Ritus und ihr Kirchenrecht bei, stimmt aber in den Glaubensinhalten mit der Lehre Roms überein. Als sie 1 948 zwangsweise in den Schoß der orthodoxen rumänischen Kirche „zurückkehrte", bekannten sich mehr als 1,5 Millionen Gläubige zur griechisch-katholischen Kirche. Sie verfügte über 1 .733 Priester in 1. 772 Pfarreien mit 2.558 Kirchen, drei theologischen Hochschulen in Oradea, Blaj und Cluj, neun Ordenshäusern mit .424 Mönchen und Nonnen, 20 Schulen und vier karitativen Einrichtungen.

Von den damals zwölf Bischöfen

aus fünf Diözesen und dem Vikariat in Bukarest starben in den folgenden Jahren fünf im Gefängnis, zwei als Gefangene in orthodoxen Klöstern und zwei weitere nach ihrer Freilassung an den Folgen von Folter und langjähriger Haft. Drei überlebten: Erzbischof Todea, Bischof J oan Ploscaru und J oan Chertes, der bisherige Bischof von Cluj, der von jahrzehntelanger Haft so gezeichnet ist, daß er sein Amt nicht mehr ausüben kann. Sein Nachfolger heißt George Gutiu (Weihe am 17. Juni).

In der Nähe von Baja Mare lag das berüchtigte Konzentrationslager Sighet, in dem Bischöfe, unzäh???? lige griechisch-katholische Priester und Hunderte Gläubige den Tod fanden. So waren an diesem Sonnta ???? weder der Ort noch die äußeren Umstände dazu angetan, die Leidensgeschichte dieser Kirche auch nur einen Augenblick lang vergessen zu lassen. Papst Johannes Paul II. erinnerte in seiner Botschaft ebenso daran wie viele andere flJ1 diesem Morgen. Die Botschaft des Heiligen Vaters verlas Kurienerzbischof Guido del Mestri, der schon im Februar im Auftrag des Papstes nach Rumänien gereist war, unter

anderem, um die Frage der Wiederherstellung der griechisch-katholischen Hierarchie zu regeln. _Mehr noch als jedt;?s Wort aber mahnte eine kleine Schar alter und zum Teil todkranker Priester, überlebende des Holokaust, an das Leid, die Torturen und Entbehrungen unendlich langer Jahre. Man mochte sich fragen, was in den Köpfen d.er vielen G lä ul)igen an diesem Tag vor sich ging. Aber ihre Tränen der Freude und Trauer sprachen für sich selbst. Ihre aufgestauten Emotionen machten sich schließlich von alleine Luft. In Sprechchören riefen die Gläubigen wieder und wieder „Gebt uns unsere Kirchen zurück" , „Wir wollen unsere Kirchen".

Die griechi????ch-katholische !Qr.chein Rumäilien verfügt heut????noch über etwa 540 Priester. Hundert von ihnen sind alt und krank. Seit 1964 wurden im Untergrund mehr als 1 40 Priester geweiht, deren Ausbildungsniveau zum Teil jedoch sehr niedrig ist. Einer von ihnen ist Piarrer Simion Mesaros, Planungsund Organisationsleiter für die Bischofsweihe,.der noch bis zum 1 . Mai in einer Fabrik in Baja Mare als Maschinenbau-Ingenieur tä ti:g war. 1 977 wurde er im Untergrund geweiht.

Dank seiner Untergrundseelsorge - jeden Sonntag versammelten sich in seiner Wohnung 30 bis 40 Gläubige zur Meßfeier - hat ihn die Securitate in all diesen Jahren unzählige Maleverhört und fortwährend schikaniert. Er berichtet uns, daß heute im Gebiet von Baja Mare rund 40 griecqisch-katholische Priester tä.tig seien, die ihre seel:.. sorglichen Aktivitäten untereinander absprechen, da noch kt::ine regulären Pfarreien eingerichtet wurden. In ganz Rumänien verfügt seine Kirche über nicht ,mehr als zwei Gotteshäuser: die Itathedrale in Lugoj und eine Pfarrkirche in Timisoara. Nachdrücklich versichert er uns, daß die griechisch-katholische Kirche nicht ruhen wird, bis die Orthodoxe Kirche alle von ihr beschlagnahmten Besit.ztümer , wieder zurückgegeben hat.

Wie ist die allgemeine Stimmung? Gilt es jetzt nicht, jahrzehntelangen Haß zu überwinden? Unsere unausgesprochenen Fragen beantwortet kurz darauf der neugeweihte Bischof von Oradea, der gekommen ist, sich bei uns, Vertretern des katholischen Hilfswerkes „Kirche in Not/Ostpriesterhilfe", für die jahrelange Hilfe und Unterstützung zu bedanken. Auch er hat mehrere Jahre im Gefängnis verbracht. „ Wir bedauern nicht, was war", sagt Monsignore Vasile Hossu und fügt hinzu: „Wir haben in den Katakomben ein wahres Christentum gelebt. Wir haben keine faulen Kompromisse geschlossen."

Die Autorin ist Mitarbeiterin von „Kirche 111 Not/Ostpriesterhilfe".

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