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Gottesliehe
Das erste Gebot sagt nicht, was der Mensch in seinem Verhalten Gott gegenüber zu tun hat, es sagt nur, was er nicht tun soll: „JDu sollst neben mir keine anderen Götter haben! Du sollst dir kein Gottesbild machen!" Der alte holländische Katechismus hat das erste Gebot positiv formuliert: „JDu sollst den Herrn, deinen Gott allein anbeten und ihn über alles lieben!"
Diese Formulierung kann sich auf eine alte Tradition berufen. Der hl. Augustinus (t 430) sah in den ersten drei Geboten eine Konkretisierung des ersten der beiden Hauptgebote, das Jesus fast wörtlich aus dem Alten Testament übernommen hat: ,flöre Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. Darum sollst du den Herrn, deinen Gett, lieben mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft" Mk 12J9f. (vgl. Dtn 6,4).
,JDu sollst den Herrn, deinen Gott, allein anbeten und ihn über alles lieben!" — In welche geistige Situation ist dieses Gebot heute hineingesprochen? Welches Echo findet es in den Herzen der Christen und NichtChristen?
Der alttestamentliche Mensch war voll Sehnsucht nach Gott: „Gott, du mein Gott, dich suche ich, meine Seele dürstet nach dir."Ps 63, 2. Oder er litt unter der Abwesenheit Gottes: .Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen" Ps 22J. Gibt es diese Sehnsucht nach Gott, dieses Leiden an seiner A bwesenheit auch in unseren Tagen?
Gott anbeten und ihn über alles lieben setzt eine gewisse Gotteserkenntnis und Gotteserfahrung voraus. Man kann Gott nur anbeten, wenn man seine Größe erahnt, man kann Gott nur über alles lieben, wenn man irgendwie erfahren hat, daß er solcher Liebe würdig ist.
Wie gelangen wir heute zu solchen Erkenntnissen und Erfahrungen, wo können wir sie antreffen? Für den Christen gibt es drei wichtige Quellen: Das eigene Leben mit all den offenen Fragen und Sehnsüchten; das Hören auf das Wort Gottes, das dieses mein Leben wie das Leben des Menschen und der Menschheit deutet; und drittens die Gemeinschaft der Glaubenden, der lebendigen Kirche, in der Glaube, Hoffnung und Liebe miteinander gelebt werden.
In diesem geistigen Umfeld kann Gotteserkenntnis wachsen und können die geistigen Voraussetzungen für das erste Gebot entstehen. Denn das Gebot: Du sollst den Herrn, deinen Gott, allein anbeten und ihn über alles lieben, ist nicht ein Gebot für Superchristen, sondern für jeden Christen, ja für jeden Menschen.
Siebenter Teil einer Serie über die Lebensrelevanz der Zehn Gebote.
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