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Digital In Arbeit

Grafik als kalte Dusche

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FURCHE: Ihr mit dem Otto Mauer-Preis ausgezeichnetes Werk enthält (wie das hier abgebildete) auch Textelemente. Unwillkürlich versucht man, zwischen dem Text und den grafischen Elementen einen Zusammenhang herzustellen. Das gelingt nur schwer.

MARTIN WALDE: Ich kann zur Hilfe vielleicht einen Vergleich anbieten: Als ich vor etwa sechs, sieben Jahren mit diesen Siebdrucken zu arbeiten begonnen habe, habe ich mich mit den „Story boards" beschäftigt, die beim Filmen Texte, Szenenabläufe, Kameraeinstellungen koordinieren. Sehr schnell merkte ich, daß mein Interesse mehr bei der Notation, bei den linear-kausalen Abfolgen lag, als beim eigentlichen Filmen. Von da kam ich zu diesen Arbeiten.

Einheiten von Sprache und Zeichen werden gesammelt und in bestimmten Bereichen und Konstellationen auf den Alucobond-Platten wiedergegeben. Prinzipiell haben die Text- und Zeichnungseinheiten nichts miteinander zu tun. Linearität und Kausalität der Elemente untereinander sind Sonderfälle. Nur selten verwende ich Symbole, höchstens sehreinfache wie Pfeile, Quadrate. Mag sein, daß manche Zeichnungen nahe an gängige Symbole herankommen, aber das Symbol ist meist noch mit einem Impuls belegt, der eine persönliche Transformation dieses Symbols darstellt.

Ich benütze die Zeichnung, weil sie einen hohen utopischen Grundgehalt hat. Sie ist am stärksten auf die Fähigkeit des Betrachters zur Realisierung angewiesen. Auf den Bildern gibt es keine narrativen Handlungsabläufe.

Man kann einen Gegenstand, einen Begriff von den verschiedensten Gesichtspunkten her betrachten. Fahnen (wie hier im Bild), sehen als Foto ganz verschieden von Fahnen im Film aus. Die schwarzen Balken als „Ausbreitendes Schwarz" zeigen eine andere Strukturalität als die Fahnen.

FURCHE: Muß der Bild-Betrachter also eigene Mitarbeit leisten?

WALDE: Eigentlich schon. Beim Betrachten wird er sich über seine kausalen Grundbedürfnisse klar. Es ist eine Frage der Religiosität, der Weltsicht, ob jemand bereit ist, sich auf diese Kaltwasser-Dusche einzulassen. Oder ob er es sein läßt.

FURCHE: Was heißt hier Religiosität?

WALDE: Das ist sehr allgemein gemeint. Religion hat mit einem absoluten kausalen Grundbedürfnis zu tun. Dieses absolute Grundbedürfnis ist meiner Meinung nach ein Phänomen besonders der europäischen Tradition des Religiösen. Auch Werke der Comff puter-Kunst - als Kunst der Immate-rialität - sind in diesem Sinn höchst religiöse Versuche. Diese Relativierung der Wirklichkeit beinhaltet ja gleichzeitig das „Relativ wozu?".

FURCHE: Entstehen Ihre Arbeiten also zuerst im Kopf?

WALDE: Ich suche Text- oder Zeichnungseinheiten mit starker Strahlkraft, die transformierbar sind. Ich durchsuche dafür Zeitschriften, Publikationen, Medien und mache daraus eine Synthese.

FURCHE: Das klingt sehr nach Kopfarbeit, sehr systematisch?

WALDE: Einerseits. Andererseits gibt es für dieses Sammeln keinen objektiven Ansatz, ich wähle nach meinen Vorlieben aus. In verschiedenen Bereichen ist das sogar sehr stark vom subjektiven Gefühl beeinflußt.

FURCHE: Aus den gesammelten Einzelteilen werden dann Tafeln zusammengesetzt?

WALDE: Das geschieht in Zeilenform, in Quadraten, in Aufteilung zwischen Masse und Leerstellen. Dafür gibt es optische Gesetzmäßigkeiten. Persönliche Auswahlkriterien - zuletzt in der Kunst unter Beschuß geraten - spielen auf Umwegen immer eine Rolle. Ich bevorzuge, sie selbst fassen zu können.

FURCHE: Sie verzichten bewußt auf den Einsatz der Farbe?

WALDE: Ich habe mich für Schwarz-Weiß entschieden, die Farbe würde inhaltlich nichts dazugeben. Ich arbeite derzeit auch mit Farben. Wenn es für mich zweckmäßig ist, verwende ich sie. Hier transportiere ich die Farben in Textform. Für mich steht die Verwirklichung der Idee im Vordergrund, und nicht die Freude am Zeichnen, am Malen. Ich laß die Finger vom Material solange wie möglich.

FURCHE: Sie haben doch bei Hollegha, Weiler, Rainer studiert?

WALDE: Die Aufnahme in die Akademie (der bildenden Künste) ist eine wichtige Legitimation in der Phase der eigenen Unsicherheit, man erhält einen Atelierplatz, man sieht sich um.

FURCHE: Wie hat's denn bei Ihnen begonnen?

WALDE: Ich bin 1957 in Innsbruck geboren, kam 1978/79 nach Wien, mehr oder weniger zufällig zu Professor Hollegha, habe aber schon 1980/81 den malerischen Ansatz aufgegeben, als ich die dahinterstehenden Marktmechanismen entdeckte. Ich habe dann zu Professor Rainer gewechselt, der hat für mich den Kontakt zur Kunst-Realität hergestellt: Käufer, Zukunftschancen junger Künstler und so weiter. Die Assistenten Rainers, Nöbauer und Jürgens-sen, haben uns mit brandneuer zeitgenössischer Kunst konfrontiert. Ich habe die Akademie nicht abgeschlossen, meiner Meinung nach bringt sie den Studierenden nichts.

FURCHE: Wie ging's weiter?

WALDE: Ich habe gleich mit Ausstellungen begonnen, den Kunstmarkt kennengelernt. Ab 1984/85 habe ich mich etwas vom Betrieb abgesetzt.

FURCHE: Und das sichert den Lebensunterhalt ?

WALDE: Es geht. Das Atelier stellt das Ministerium zur Verfügung, es gab Auftragsarbeiten, beispielsweise für die Kirche St. Norbert in Innsbruck.

FURCHE: Wie sind Sie dazu gekommen?

WALDE: Der Dekan der Kirche, Lambert Probst, hat mich beauftragt, in ihm hab ich einen Priester mit sehr viel Gespür für Kunst kennengelernt. Das Leben des Heiligen Norbert, des Prämonstratenser-Gründers, dessen Orden die Kirche in Innsbruck gehört, sollte dargestellt werden. Ich habe die kunstgeschichtlich tradierte Ikonograf ie dafür bearbeitet. Im Innsbrucker Museum Ferdinandeum gezeigte Fastentücher mit ihrer einfachen Bildsprache haben mir dafür Anregungen gegeben. Für mich besteht ein Zusammenhang zwischen den Fastentüchern und meinen jetzigen Werken - auch mit den Comic Strips übrigens. Auch heute würde ich einem solchen Auftrag nicht aus dem Wege gehen, wenngleich die Ausführung anders aussehen würde.

FURCHE: Wurde Ihre Begabung vom Elternhaus gefördert?

WALDE: Meine Eltern waren kunst- und kulturinteressiert, haben mir nichts in den Weg gelegt.

FURCHE: Und der Name Walde?

WALDE: Mein Großvater und der Maler Alfons Walde waren Brüder. Mit Martin Walde sprach Leonore Rambosek.

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