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Gralsburg an der Donau

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Das Benediktinerstift Göttweig begeht in diesen Wochen sein Bestehen seit 900 Jahren, dokumentiert in einer Ausstellung, die vom 29. April bis zum 26. Oktober geöffnet ist.

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Das Benediktinerstift Göttweig begeht in diesen Wochen sein Bestehen seit 900 Jahren, dokumentiert in einer Ausstellung, die vom 29. April bis zum 26. Oktober geöffnet ist.

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Schon lange, bevor Österreichs „Gralsburg an der Donau“ zum Stift erhoben wurde, gab es auf dem Klosterberg gegenüber von Krems menschliche Siedlungen. Grabungen haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Spuren aus der Hallstattzeit freigegeben.

Seither war der „Kettwein“, war Stift Göttweig immer in die

Geschichte des Landes eingebunden, als Stift nun genau 900 Jahre. Hier errichteten die Römer eine Wachstation - eine Sammlung ihrer Gebrauchsgegenstände kam erst kürzlich wieder zum Vorschein —, hier gab es schon unter den Römern Christen, und hier entlang der Donau erfolgte der Gegenstoß der Neuchristianisie-

rung, als vor mehr als einem Jahrtausend der Vorstoß der Ungarn auf dem Lechfeld bei Augsburg abgewehrt worden war.

In der Karolingerzeit entstand hier eine der heiligen Ehrentrudis geweihte Kirche, auf deren Ruine der Passauer Abt Altmann ein neues Gotteshaus bauen ließ.

Als Altmann im Zug des Investiturstreits aus seiner Heimatdiözese vertrieben wurde, zog er sich nach Göttweig zurück, holte Augustiner-Chorherren ins Haus und gründete das Stift — das war am 9. September 1083.

Im Sinn der gregorianischen Reform sollte Göttweig ein Bollwerk der Kirche an der Grenze gegen die heidnischen Slawen sein. Als 1094 Benediktinermönche die Chorherren ablösten, fand die Reformbewegung von Cluny hier ein neues Zentrum. Der erste Abt, Hartmann, herrschte gleichzeitig über St. Lambrecht in der Steiermark und über Kempten im Allgäu. Von Göttweig aus erfolgte die Gründung der Stifte Garsten und Seitenstetten.

„Bete und arbeite“ — die bene- diktinische Regel erfüllte sich in Göttweig durch Jahrhunderte durch die Symbiose wissenschaftlicher Forschung, künstlerischer Ausgestaltung und pastoraler Aktivitäten.

Im 12. Jahrhundert war Göttweig ein Zentrum mittelalterlicher Buchmalerei, eine Schule, in die sogar Kaiser Heinrich V. einen seiner Söhne schickte.

Die Renaissance drückte auch dem Stift ihren Stempel auf. Abt Mathias von Znaim war mehr Feldherr und Politiker als Priester. Er ließ das Stift befestigen, als die Türken 1529 heranzogen. Sie mußten erfolglos abziehen. Die Kämpfe der Habsburger gegen die Böhmen, die Reformation bedeuteten für Göttweig eine Zeit des Niedergangs bis fast zur Auflösung. Die Mönche zerstreuten sich. Erst als Kaiser Ferdinand I. eingriff und den Melker Professor Michael Herrlich zum Abt wählen ließ, setzte ein echter Neubeginn ein.

Nun waren es verschiedene Naturwissenschaften, später die Baukunst, die im Mittelpunkt des

Interesses und der Förderung der Göttweiger Benediktiner standen. Hier schrieb David Gregor Corner 1625 das erste katholische Gesangbuch in deutscher Sprache.

Als 1718 zum zweiten Mal ein Brand weite Teile des Stiftes in Asche legte, lud Abt Gottfried von Bessel den berühmten Baumeister Lukas von Hildebrand ein, dem Stift eine neue, prunkvolle Form zu geben. Madrids Escorial sollte als Vorbild dienen. Hängende Gärten, großzügige Auffahrtsrampen, die in einem riesigen Kaisersaal münden sollten, ein völliger Umbau der Kirche waren geplant. Sie hätten eine Ausdehnung der Anlage auf etwa die doppelte Grundfläche erfordert.

Was hier alles im Detail vorgesehen war, wurde erst jetzt wieder deutlich, als sich bei der Restaurierung der alten Pläne eine Uberklebung ablöste und jener Entwurf zum Vorschein kam, den Hildebrand schon 1719 vorgelegt hatte. Er scheint schon damals durch seine Größe die Verantwortlichen abgeschreckt zu haben. Hildebrand verlor offenbar bald das Interesse, er zog sich nach Wien und Würzburg zurück, der Bau blieb unvollendet.

In Göttweig bestand bis 1901 die Hauslehranstalt der österreichischen Benediktiner. Die Musiktradition früherer Jahrhunderte wird heute wieder durch die Sängerknaben repräsentiert, die im Haus wohnen und in Krems das öffentliche Gymnasium besuchen. Heute versorgen Göttweiger Patres die Seelsorge in 30 Pfarren bis hinauf zur tschechischen Grenze. Der Nachwuchs ist gut, etliche Junge bereiten sich auf die Priesterweihe vor. Göttweiger Patres stehen hinter den Wallfahrten von Maria Roggendorf, die jeden 13. im Monat im Gedenken an Fatima Hunderte von Gläubigen versammeln.

Heute heißen die Forderungen der Zeit Denkmalschutz und Erwachsenenbildung — das Stift und viele seiner Pfarrkirchen brauchen ständige Betreuung. Das „Geburtstagsgeschenk“, das sich das Stift zum Jubiläum präsentiert, ist das neue Exerzitienheim St. Altmann, das am Pfingstmontag eingeweiht wird.

900 Jahre Stift Göttweig — das soll nun die Ausstellung der Nachwelt vor Augen führen. Sie zeigt vieles, was sonst in der Klausur verborgen ist, vieles, was Jahrzehnte vergessen war und nun erst wieder gefunden wurde, als man im Blick auf das Jubiläum die Depots durchforstete.

Stiftsgründer hl. Altmann auf einem silbernen Reliquienschrein.

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