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Graue Dinge

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Die Dimension des sogenannten Watergate-Skahdal hat in den USA zu Weiterungen geführt, deren endgültige Auswirkungen auf die amerikanische Administration ebenso wenig abzusehen sind wie die Vertrauensfrage an den Staat, wo die Grenzen des Erlaubten in der Konkurrenz politischer, aber auch kommerzieller Gruppen zu ziehen sind.

Genauer: In den USA hat eine politische Gruppierung (mit oder ohne Wissen ihres obersten Chefs) mittels modemer technischer Einrichtungen ihre Konkurrenten bespitzeln wollen. Am Rande dieses harten Tatbestandes ranken sich Korruption und Parteienfinanzierung, jedenfalls aber strafwürdige Tatbestände nach fast allen Strafgesetzbüchern der demokratischen Welt.

Ist Watergate also kein amerikanischer Spezialfall?

Tatsache ist, daß in Europa ostwärts des Eisernen Vorhangs die Bespitzelung zur täglichen Routine gehört: Bespitzelung durch Abhöreinrichtungen, Denunziation und behördliche Aufsicht und Einsicht in das Privatleben des Menschen.

In Westeuropa bedienen sich Geheimdienste seit langem eines unzulässigen Instrumentariums, unangefochten durch die Gerichte und nur manchmal gestört durch die Massenmedien. James Bond lebt nicht nur auf der Leinwand — er ist auch in der (maßvolleren) Wirklichkeit am Rande der Legalität beheimatet. Abgesehen dawon ist die Uneinseh-barkeit in das, was politische Parteien und Interessensverbände treiben, groß. Und wie sie sich Informationen verschaffen, Absprachen durchrühren, Geldquellen erschließen und Mittel einsetzen, steht nicht immer im hellen Sonnenlicht.

Und damit sind wir beim Kern: kann Watergate auch in Europa passieren — etwa auch in Österreich?

Die Lehrer drohen. Ihre Drohungen sind hart. Die Mehrarbeit mit den Gratis-Schulbüchern hat zu einer solchen Verhärtung der Fronten zwischen Lehrern und Regierung geführt, daß die Lehrer sich nun gut beraten wähnen, wenn sie einem kurzfristigen Ultimatum an den Bundeskanzler mit der Drohung Nachdruck verschaffen, die gesamte Schul- und Bildungspolitik der Regierung zu Fall zu bringen.

Denn auf nicht weniger läuft es hinaus, wenn die Lehrer nicht nur ihre Mitarbeit an der Aktion Gratis-Schulbüch einstellen, sondern überdies auch gleich die Schulmilchaktion boykottieren, den Buchklub der Jugend nicht mehr unterstützen, dem Theater der Jugend die kalte Schulter zeigen und obendrein auch noch jede Mitwirkung an der Durchführung des Familienlastenausgleiches verweigern wollen.

Derlei grenzt an Pression und kann dem Lehrerstand nur schaden. Wir halten die Frage des Finanzministers Androsch an die Bevölkerung, ob den Lehrern mehr bezahlt werden soll, für äußerst bedenklich (siehe auch: „Pseudo-Plebiszit“). Es besteht kein Anlaß für die Lehrer, sich nun ebenfalls ins Unrecht zu setzen — obendrein auf eine Weise, die sie nur unpopulär machen kann. Und zwar bei den Schülern, bei den Eltern und beim Rest der Öffentlichkeit — und durchaus mit Recht.

Die österreichische Rechtsordnung kennt keine eigentliche Norm, die das Privatleben ausdrücklich schützt. Nur einzelne Erscheinungsformen dieses Rechtes sind in vielen Gesetzen verstreut und sowohl verfassungsgesetzlich wie zivil- und strafrechtlich normiert. Konkret stellt das Strafgesetz die Benutzung von Tonaufnahme- und Abhörgeräte unter Strafe; aber schon kommt ein neues Problem auf uns zu: nämlich die Frage, wozu und wer Zugang zu Computern hat, die auf staatlichen Datenbanken Informationen über private Bereiche jedes Staatsbürgers sammeln sollen. Hier wird bei der Beratung eines österreichischen Datenschutzgesetzes ein möglichst exakter Rahmen zu ziehen sein.

Der Artikel 8 der Europäischen Konvention der Menschenrechte (die ein Teil unserer Verfassung ist) stellt das Privatleben ausdrücklich unter den Schutz der Verfassung. Nur sind juristische Personen — also etwa Parteien, Verbände usw. — nicht Privatpersonen und genießen auch keinen solchen Schutz. Darüber hinaus besteht ein weiteres Problem darin, daß das Privatleben des einzelnen nur gegen Eingriffe öffentlicher Gewalt geschützt wird — nicht aber ein Schutz gegen Privatpersonen, vor allem aber auch gegenüber den Massenmedien besteht.

Dazu kommt das Genemiproblem in Österreich, daß die politischen Parteien von der Rechtsordnung nur unzureichend behandelt werden, daß sie im Wortlaut des Bundesverfassungsgesetzes gar nicht genannt werden. Die Folge ist, daß die politischen Parteien in Österreich keiner öffentlichen Einsicht oder Kontrolle unterliegen: Kein Finanzamt prüft ihre Bücher (obwohl sie längst auch kommerzähnliche Tätigkeiten ausüben), selbstverständlich auch nicht der Rechnungshof. Die Parteien als solche unterliegen auch keiner parlamentarischen Kontrolle und haben sich durch ihre Statuten selbst Eigenverfassung und ein eigenes Gerichtswesen gegeben. Den Bürger, der nicht gerade ein Parteimitglied ist, geht es sozusagen nichts an, was in den Parteien geschieht, weil man sich in Österreich bisher erfolgreich gegen ein Parteiengesetz wehren konnte (das etwa in der Bundesrepublik längst zur demokratischen Selbstverständlichkeit gehört). Aber auch Vereine wie der ÖGB und die Industriellenvereinigung sind niemandem verpflichtet.

Zweifellos ist durch Zwangsgesetze zur Offenlegung von Partei-Interna nirgendwo viel Erfolg zu erlangen; ebensowenig wie etwa bei der Offenlegung von Eigentumsverhältnissen an Zeitungen. Aber die fast völlige, höchstens durch Indiskretionen oder gelegentUche Parforceritte der Presse . ans Tageslicht gebrachten Probleme mit, und'in den Machtträgern ' solltjen Soch Anlaß sein, den grauen Status quo einer Überprüfung zu unterziehen. •• Bleibt die Frage, ob man in Österreich überhaupt die notwendigen Einrichtungen hat, Dinge ä la Watergate ans Tageslicht zu bringen. Erst kürzlich ist ein Telephonabhörskandal in Italien aufgeflogen — und die italienische Öffentlichkeit mußte erfahren, daß dieser Polizeierfolg nur. einem Zufall zuzuschreiben war. Hat die österreichische Postbehörde überhaupt die Möglichkeit, Abhöreinrichtungen und -gerate zu orten, sind die Probleme vorbereitet? ■ Watergate ist sohin — ganz abgesehen von der politischen Seite des Problems — auch in der Tat eine Weltweite Angelegenheit. Wer zieht für Österreich Konsequenzen?

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