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Graz - 850 Jahre ein funkelnder Talisman

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Im Rahmen der Reihe „Eine Stadt erzählt“ erscheint in diesem Herbst gerade rechtzeitig zur 850-Jahr-Feier von Graz ein weiteres stadthistorisches Werk im Wiener Paul Zsolnay Verlag: „Graz - Funkelnder Talisman“ von Johannes Koren, dem Sohn eines großen Grazers und Steirers, Hanns Koren. Die FURCHE nimmt die Grazer 850- Jahr-Feier zum Anlaß, einige Passagen aus diesem aktuellen Buch abzudrucken:

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Im Rahmen der Reihe „Eine Stadt erzählt“ erscheint in diesem Herbst gerade rechtzeitig zur 850-Jahr-Feier von Graz ein weiteres stadthistorisches Werk im Wiener Paul Zsolnay Verlag: „Graz - Funkelnder Talisman“ von Johannes Koren, dem Sohn eines großen Grazers und Steirers, Hanns Koren. Die FURCHE nimmt die Grazer 850- Jahr-Feier zum Anlaß, einige Passagen aus diesem aktuellen Buch abzudrucken:

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Graz oder Gräz? Diese Frage, die heute nur noch Staunen auszulösen vermag, war vor etwas mehr als hundert Jahren von brennender Aktualität: Zu dieser Zeif gab es einen vehement geführten Streit, wie denn die steirische Landeshauptstadt wirklich zu benennen sei. Heute sind sich die Gelehrten darüber einig, daß der Name Graz aus dem Slawischen kommt, und zwar vom Wort Grad, das soviel wie Burg bedeutet (Gradec ist die Verkleinerungsform von Grad). Der Name weist darauf hin, daß Graz eine Burgstadt mit wichtigen Verteidigungsaufgaben war.

Die erste große Zeit der Stadt begann, als zwei bedeutende Geschlechter in der Steiermark an die Macht kamen: die Traungauer und die Babenberger. Zunächst rückte Graz unter Herzog Ottokar II., dem letzten Traungauer (1164-1192), zur Hauptstadt des Landes auf. Sein Nachfolger, Herzog Leopold V. von Österreich, mit dem Ottokar, der ohne männliche Erben war, 1186 den Georgenberger Erbfolgevertrag abgeschlossen hatte, betrachtete Graz ebenfalls als seinen Hauptsitz- und liebte es, hier seine Hoflage abzuhalten. Unter Leopold VI. und Friedrich II. gewann die Stadt immer mehr Freiheiten, die sich vermutlich in erster Linie auf die Abhaltung von Jahrmärkten und Wochenmärkten bezogen. Nach dem Tod Herzog Friedrichs II. im Jahr 1246 begann man, die Stadt mit Mauern zu umgeben.

Bald aber gab es wieder große Zeiten für Graz. Zuerst entschied sich Herzog Emst, der erste habsburgische Herrscher aus der Leopoldinischen Linie, hier ständigen Aufenthalt zu nehmen. An ihn waren nach Herzog Wilhelms Tod die innerösterreichischen Länder gefallen, über die er bis zu seinem Tod im Jahre 1424 herrschte. Aber die eigentliche große Epoche kam zur Regierungszeit seines Sohnes, des Herzogs Friedrich V., den man besser als Kaiser Friedrich III. kennt. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten Stimmen von ausländischen Reiseschriflstellern, die interessante Schlaglichter auf den Stand und Ruf der Stadt werfen. So schrieb 1442 Äneas Silvius Piccolomini, der bekannte Humanist und spätere Papst Pius II., dessen Traktat über die Sitten und Gebräuche in Deutschland grundlegend für die Volkskunde jener Zeit war, über Graz:

„In Steiermark ist ein Fluß, Mur genannt, der aus den Alpen hervorströmt,

in die Drau sich ergießt und mit dieser in die Donau, welche in das Schwarze Meer fließt. Am Ufer dieser Mur liegt eine hübsche Stadt, Graz genannt. Hier strebt mitten aus der Ebene ein ungemein hoher Berg auf, der allenthalben felsig abfällt. Auf seiner Spitze ist ein Schloß, sowohl durch die natürliche

Photo: Archiv

Lage fest als durch Menschenwerk befestigt, so daß der Kaiser darauf stolz sein kann.“

Die alte Grazer Universität stellte eine Gründung Erzherzog Karls dar. Sie diente, seinen Worten zufolge, „zur Hebung und Pflanzung guter freier Künste, der Jugend auch gemeinem Wesen zum besten eine Gelegenheit, all da in unseren Erblanden anzurichten, wodurch auch übriger Unkosten so etwa auf die Jugend in Verschickung derselben auf die fremden Universitäten und Studia aufläuft, erspart werden möchte“.

Darin äußerte sich ein sehr praktischer Gedanke. Es ging um die Schaffung einer innerösterreichischen Hochschule, die, wie ihre Matrikel beweist, auch mit einem bedeutenden Kontingent kroatischer, ungarischer und küstenländischer Studenten rechnen konnte. Die feierliche Eröffnung der Universität fand am 14. April 1586 mit großer Prachtentfaltung statt. In das Matrikelbuch ließ Erzherzog Karl seinen Erstgeborenen Ferdinand, den späteren Römischen Kaiser, als ersten Hörer eintragen. Ferdinand unterzog sich auch dem alten Brauch der akademischen „Deposition“: Dem Inskribenten umrden angeheftete Hörner als Symbolseiner bisherigen Unwissenheit abgesägt.

Auf der rechten Seite der Hofgasse sehen wir die schlichte klassizistische Fassade des Schauspielhauses, das in der Zeit zwischen 1823 und 1825 nach den Plänen des Wiener Hof baumeisters Peter de Nobile erbaut wurde, nachdem in der Christnacht des Jahres 1823 das alte Theater aus dem Jahre 1776 abgebrannt war. Das alte Theater war von dem bekannten Barockbaumeister Josef Hueber erbaut und am 9. September 1776 als ,JZrstes deutsches Nationaltheater in Graz“ eröffnet worden, nachdem Kaiserin Maria Theresia durch ein Hofdekret den steirischen Landständen den Vizedomgarten, nahe der Burg, als Bauplatz gewidmet hatte. Hier wurden alle Gattungen der dramatischen Kunst von der Oper ü ber das Schauspiel bis hin zum Ballett gepflegt. Hier hat auch Johann Nestroy seine Karriere als Komiker und Bühnenautor begonnen, um nach seinem großen Erfolg in Wien wiederum Graz als Alterssitz zu wählen.

Die wichtigsten Teile des Landhc.u- ses entstanden in der Mitte des 16. Jahrhunderts. Es war dies die Zeit, in der die Neubefestigung des Schloßberges unter der Leitung des Baumeisters Domenico dell’Allio aus Lugano im Gange war. Die Stände überzeugten sich von der Tüchtigkeit des Meisters und beauftragten ihn auch mit der Errichtung des Haupttraktes des Landhauses in der Herrengasse, der an die Stelle der gotischen „Kanzlei“ und des im Jahr 1534 dazugekauften Nachbarhauses treten sollte. Die beiden alten Gebäude wurden abgerissen, der Neubau wurde 1557 in Angriff genommen. Zwei Jahre nach der Dachgleiche, nämlich 1563, starb dell’Allio, seine beiden Poliere Benedikt della Porta und Peter Taddäi setzten das Werk fort und stellten das Landhaus im Jahr 1565 fertig. Damit war eine der Hauptschöpfungen der italienischen Renaissance nördlich der Alpen entstanden.

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