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Graz eine Stadt der Bücher und Verleger

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Mehrere Grazer Verlage bemühen sich, den heimischen heranwachsenden literarischen Talenten für den Flug in die Öffentlichkeit die Startrampen zu errichten.

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Mehrere Grazer Verlage bemühen sich, den heimischen heranwachsenden literarischen Talenten für den Flug in die Öffentlichkeit die Startrampen zu errichten.

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Graz ist 400 km von München, der heute verlagreichsten Stadt des deutschen Sprachgebietes, 800 km von Frankfurt, dem Mekka aller Verleger, und rund 1.000 km von Leipzig, der — freilich verlorengegangenen - Kapitale des Verlagswesens, entfernt. Aber man hat nur eine Wegstrek-ke von 50 km bis zur jugoslawisehen und wenig mehr bis zur ungarischen Grenze. Das erscheint fürwahr nicht gerade als pole Position, wenn es ums Verlegen von Büchern für den gesamten deutschen Sprachraum geht. Auch von der Geschichte im Sinn einer Buchtradition her bringt die stei-rische Hauptstadt nur Durchschnittswerte mit. In ihren Mauern wurde der Buchdruck nicht erfunden und an Handschriften mögen die Klosterbibliotheken in den Österreichischen Landen rundum reicher sein als die ehemalige „Pensionopolis” der alten Monarchie.

Dennoch wird der Bücherliebhaber an ihr nicht vorbeigehen können. Von regionalen Kulturpolitikern und freundlichen Fremden wird sie bisweilen als „geheime Hauptstadt der Literatur” apostrophiert. Wenn man dies auch als wohlwollende Uber-treibung zurückweist, so gehört Graz gewiß nicht zu den weißen Flecken auf der Landkarte des Buchschaffens, im Gegenteil!

Die Gründung des „Forum Stadtpark” vor etwa drei Jahrzehnten mit der Folgewirkung einer echten „Talent-Entbindung” gehört heute schon zu den klassischen Daten literarischer Zeitgeschichte. Erst vor wenigen Tagen begingen zwei seiner Gründer hohe, von der Öffentlichkeit anerkennend gefeierte Geburtstage: Grete Scheuer, deren Roman „Der Tod des Asklepios” vor kurzem bei STYRIA erschien, wurde fünfundachtzig. Und Alois Hergouth, im gleichen Verlag beheimatet, sechzig. Der „Steirische Herbst”, gleichgültig, wie man zu all seinen Ausformungen steht, hat ungleich den vielen österreichischen Festivals starke und interessante literarische Wurzeln, und das allherbstliche Literatursymposion ist über die Grenzen hinaus bekannt.

Graz beherbergt 14 Verlage und rund 20 selbständige Buchhandlungen. Die „Akademische Druck- und Verlagsanstalt”, von Dr. Paul Struzl 1949 gegründet, ist, es darf ohne jede Übertreibung gesagt sein, mit ihren Faksimile-Ausgaben ähnlich weltbekannt wie die AVL-Gesellschaft für Verbrennungsmotoren des Professors List, deren Produkte in der Weltraumindustrie Verwendung finden. Für „Jäger und Sammler”, für beide wird gesorgt. Erstere (aber natürlich nicht nur sie) werden sich nicht umsonst in ihrem Wissensbedarf an den „Leopold Stocker-Verlag” wenden, der seit dem Jahre 1917 Auftrag und Erbe Peter Roseggers weiterträgt. Letztere, die Sammler also, brauchen sich keinen Eigennamen zu merken und werden durch den „Verlag für Sammler” unmittelbar angesprochen.

Auch wenn nicht wenige Schriftsteller über den Alpenhauptkamm auswandern und ihre verlegerische Heimat an der Salzach oder gar am Main suchen, fehlt es nicht an Bemühungen, ihnen für den Flug in die Öffentlichkeit Startrampen in der steiri-schen Landeshauptstadt zu bauen. Der „Leykam-Verlag” bemüht sich um heranwachsende Talente. Erst dieser Tage ging durch die Presse, daß der relativ junge Verlag Max Droschl, der die „manu-skripte” und manche aus deren Kreis (W. Bauer, R. P. Gruber, G. Roth u. a.) verdienstvollerweise vertritt, seine Produktion erweitern kann. Schon diese Verlage, denen noch andere hinzuzufügen wären, deuten auf Lebendigkeit und verlegerische Experimentierfreudigkeit hin.

Der Gerechtigkeit und dem Selbstverständnis zuliebe kann das Haus STYRIA nicht unerwähnt bleiben. Gerade in dieser

Zeitung nicht! STYRIA - wie die Provinz! Nach den genannten ein provinzieller Verlag also? Das wäre seltsam bei einem Programm, in dem breitgefächert Wissenschaft und Literatur mit ersten Namen vertreten sind: Friedrich H. Tenbruck, Heinrich Fries, Walbert Bühlmann, Heinrich Lübbe auf der einen und Fritz Hochwälder, Franz Nabl, Max Meli, Rudolf Henz, György Sebestyen, Hans Weigel, Matthias Mander und Jeannie Ebner auf der anderen Seite, um nur einige wenige zu nennen. Der Verlag steht seit fast zwei Jahrzehnten unter der Leitung von Direktor Dr. Gerhard Trenkler, der mit hoher Sensibilität und Akribie für diese Weite garantiert.

Tatsächlich gab es nach dem Zweiten Weltkrieg im Zuge des Wiederaufbaues ernste Überlegungen, die zirka sechzig Titel jährlich umfassende Buchpro-” duktion mit einem weniger „land-schaftsbezogenen” Namen in die Welt hinaus zu senden. „Welt” ist an dieser Stelle nicht zufällig gewählt: Welt des Geistes, wie Welt als Welt. Religion, Geschichte und Literatur sind die drei tragenden Säulen seines Programms, die schon in ihrem Zusammenspiel Spannweite andeuten und Engführungen ausschließen. Heute ist die Diskussion über den Namen des Verlages überholt. Buchhandel und Leserschaft zwischen Hamburg und Bozen, zwischen Basel und Wien und die Fachkollegen in vielen europäischen Ländern, aber auch in den USA, wissen, daß sie unter dem lateinischen Namen des steirischen Bundeslandes keinen kantonalen Verlag antreffen.

Der Buchverlag STYRIA ist mit der Wochenzeitung Die FURCHE in einem Maße verbunden, das eine ausführliche Darstellung seiner Intentionen und seiner Autoren dem Leser gegenüber überflüssig erscheinen läßt. Aus dem gemeinsamen Wollen, das bekanntlich mit dem gemeinsamen Nichtwollen (oder Ablehnen) die Basis tiefen Verstehens und wahrer Freundschaft ist, sei lediglich der von beiden veranstaltete „Wettbewerb für christliche Literatur” hervorgehoben. Unter seinen Intentionen kann auch das gesamte Programm des Verlages stehen: die Zeichen der Zeit zu erkennen und im immer gegebenen rechten Augenblick sie christlich zu deuten.

Der Autor ist Generaldirektor des TYRIA-Verlages.

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