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Grazer Weg

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Bedeutungswandel“ nennen es die Juristen, wenn ein Begriff im Laufe der Zeit anders ausgelegt wird, als der Gesetzgeber ursprünglich wollte. So etwas ähnliches gibt es offenbar auch in der Politik. Auch dort bekommen Begriffe und Chiffren ihr Eigenleben, ematn-zipieren sozusagen von den Vorstellungen ihrer Erfinder. Nur geht das im politischen Alltag noch viel rascher und totaler vor sich als in den sanften und langatmigen Gefilden des Rechtslebens.

Ein Paradebeispiel dafür ist der „Grazer Weg“. Gemeint war er für Graz und für einen neuen politischen Stil in der Kommunalpolitik. Franz Hasiba, sein politischer Erfinder, wollte und will eine Politik mit den Grazer Bürgern an Stelle der herkömmlichen Gemeindeverwaltung vom Grünen Tisch aus. Bürgerinitiativen, Mitbestimmung, Beteiligung an der Planung, Information in Bürgerversammlungen - das waren die neuen Formen der Gemeindepolitik.

Erhard Busek hat das später weniger technokratisch die „Wiedereroberung der Stadt durch ihre Bürger“ genannt. Das ist der eigentliche und immer noch gültige Inhalt des Grazer Weges.

Dieser Inhalt stand und steht so ziemlich gegen alles, was sozialistische Bürgermeister großer Städte täglich praktizieren. Am deutlichsten wurde das beim Grazer Bürgermeister Gustav Scherbaum: Er Heß bekanntlich in bester Obrigkeitsmanier die Mitglieder der Bürgerinitiative Pyhrnautobahn amtlich überprüfen und dokumentierte damit öffentlich sein totales Nicht-Verhältnis zu den neuen Formen partizipatorischer Politik.

Das war natürlich entscheidend. Wie kann man als Vertreter des Grazer Weges mit solchen Kommunalpolitikern zusammenarbeiten? Als dann noch der Grazer Wähler im Frühjahr 1973 der SPÖ eine arge Niederlage, der ÖVP einen erheblichen Mandatsgewinn und den Freiheitlichen einen deutlichen Zuwachs brachte, war es für Franz Hasiba klar: Eine Koalition mit den Sozialisten, die den Grazer Weg offenbar aus Uberzeugung ablehnten und dafür verloren, kam nicht in Frage.

Blieb die Zusammenarbeit mit der FPÖ, deren Chef Alexander Götz schon im Wahlkampf ein deutliches Bekenntnis zum „Stadterneuerungskonzept“ der ÖVP abgelegt hatte. Nur war Götz, der selbst seit Jahrzehnten in der Kommunalpolitik tätig war und von den Sozialisten zum Vizebürgermeister gemacht wurde, nicht bereit, den Newcomer Hasiba zu wählen. Also wählte Hasibas ÖVP den Freiheitlichen Götz. Und das war gewiß kein leichter Schritt.

Aber immerhin war die FPÖ bereit, in Klagenfurt für Leopold Guggenberger als VP-Bürgermeister zu stimmen und im Steiermärkischen Landtag für die Wahl Niederls zum Landeshauptmann einzutreten. Wohlgemerkt: 1973, ein Jahr vor der Steirischen Landtagswahl, die erstmals ohne den „Alten Krainer“ geschlagen werden mußte.

Der Wahlausgang im Oktober 1974 übertraf dann allerdings alle Erwartungen: Die ÖVP erhielt erstmals in ihrer Geschichte 31 Mandate und bedurfte daher der Unterstützung durch die Freiheitlichen nicht. So war es auch 1978, als Friedrich Niederl das zweitbeste Ergebnis der steirischen Volkspartei schaffte, nämlich 30 Mandate und die Sozialisten neuerlich auf 23 Sitze im Landtag verwies. .

Das alles ist bekannt. Auch, daß diese Ereignisse zur Umdeutung des Grazer Weges führten: Er stand nun nicht mehr so sehr für eine neue Kommunalpolitik, sondern für eine neue Annäherung zwischen ÖVP und FPÖ. Grazer Weg - das war schlechthin der Dorn im Aug des sozialistischen Parteivorsitzenden.

Hier in Graz koalierten die Freiheitlichen nicht mit ihm, sondern mit der ÖVP. Hier hatte er niemanden „im Tascherl“ - sozusagen als sicheren Kumpanen für politische Notfälle. Daher wurde auch von Seiten der SPÖ mit vollen Rohren auf diese „unnatürliche Koalition“ geschossen. Als Götz schließlich den Kreis-ky-treuen Peterais Parteiobmann ablöste, legten die Sozialisten in ihrer Propaganda noch ein Schäuferl dazu: Das „unheilige Bündnis“ in Graz wurde zum drohenden „Bürgerblockgespenst“ Taus-Götz.

Freilich hatte der Wechsel Peter-Götz auch für die ÖVP Bedeutung. Denn anders als sein Vorgänger war Götz nicht bereit, für den sozialistischen Bundeskanzler die Steigbügelhalterrolle zu spielen. Damit brachte der Grazer Weg einen Farbtupfen in die graue bundespolitische Szene: Das Spiel der Koalitionen war offener geworden.

Der Wähler des 6. Mai 1979 entschied dann allerdings nicht für Offenheit, sondern für Sicherheit. Er wollte keinen neuen Wechsel, keine neue politische Konstellation, er wollte, „daß es weiter gut geht“.

Seit dem 6. Mai hat sich manches verändert. Taus ist gegangen, und Götz wird sich zwischen Wien und Graz entscheiden müssen. Vieles spricht dafür, daß der Grazer Weg daher künftig die alten Dimensionen wieder gewinnt: Ein Grazer Modell mit Wirkung für das Land und die Landeshauptstadt. Ein Modell für eine neue Politik.

Freilich nicht ohne Gefahren für die Grazer ÖVP: Sie kämpft, wie man bei den Gemeinderatswahlen 1978 gesehen hat. gegen den Bürgermeisterbonus der Freiheitlichen und muß daher in Zukunft ihre Personen und Leistungen noch deutlicher herausstellen als das bisher der Fall war. Sonst würde sich der Grazer Weg parteipolitisch als Einbahnstraße erweisen.

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