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Grenzen für den Güterverkehr?

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Die Tropenholz-Frage hat erst kürzlich ein Konfliktfeld ins öffentliche Bewußtsein gehoben: Die unterschiedlichen Interessen des Umweltschutzes und des internationalen Handels. Diesem Thema widmete die Bundeswirtschaftskammer ein Symposium: Verträgt sich Freihandel mit verbesserten Umweltschutz?

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Die Tropenholz-Frage hat erst kürzlich ein Konfliktfeld ins öffentliche Bewußtsein gehoben: Die unterschiedlichen Interessen des Umweltschutzes und des internationalen Handels. Diesem Thema widmete die Bundeswirtschaftskammer ein Symposium: Verträgt sich Freihandel mit verbesserten Umweltschutz?

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Die Liberalisierung des Außenhandels ist seit langem eines der großen Anliegen der internationalen Wirtschaftspolitik. Diese wachsende Freizügigkeit des grenzüberschreitenden Warenverkehrs hat fraglos entscheidend zum wirtschaftlichen Wachstum der Industrieländer in den Jahr-zenten nach dem Zweiten Weltkrieg beigetragen. Was Außenhandelsbarrieren an Verheerungen anrichten können, läßt sich an der Geschichte der Zwischenkriegszeit ablesen.

Mit dem allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (Gatt) wurden internationale Spielregeln für den möglichst freien Warenaustausch geschaffen. Diese Regeln werden laufend ausgebaut beziehungsweise überarbeitet. Sie stehen gerade jetzt wieder zur Debatte. Denn die Regierungen der Teilnehmer-Staaten an der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung, die im Vorjahr in Rio stattgefunden hat, haben beschlossen, Anpassungen vorzunehmen. Ihre Stoßrichtung: dem Umweltschutz und dem nachhaltigen Wachstum besser Rechnung zu tragen. Läßt sich das mit freiem Handel unter einen Hut bringen?

Ja, sagen die Vertreter des Gatt. Über den Umweltschutz müsse man eigene internationale Abkommen schließen. Hier müßten die einzelnen Staaten klare Ziele definieren und sich dann im Verhandlungswege auf eine gemeinsame Vorgangsweise einigen. Vor allem gelte es, jene Umweltressourcen, die nicht (oder nicht ausreichend) bewertet worden sind (Wasser, Luft...), rechenbar zu machen.

„Das bedeutet keine Ablehnung des Spiels der Marktkräfte", stellte Richard Eglin, zuständiger Direktor im Gatt, fest. Die modernen, wachsenden Marktwirtschaften hätten es ja in jüngster Vergangenheit vorexerziert, daß man Umweltverbesserungen bei aufrechtem Freihandel durchführen könne.

Ja, mehr noch: „Harte Konkurrenz und Märkte ohne jede Verzerrung spielen eine Schlüsselrolle. Sie ermutigen zu Innovation, technischem Fortschritt und Produktivitätszuwächsen, die entscheidend sein werden, wenn man der Herausforderung des nachhaltigen Wachstums gerecht werden will. Und sie ermöglichen den weitaus größten Anstieg an Umweltqualität zu den geringsten Kosten..."

Österreich habe in dieser Hinsicht besonders gut abgeschnitten, stellte Piritta Sorsa von der Weltbank fest. Die höheren Umweltanforderungen hierzulande seien offensichtlich Auslöser für Innovationen und damit sogar für eine Stärkung der internationalen Konkurrenzfähigkeit unseres Landes in den „umweltsensiblen" Industriesparten gewesen.

Man hört solche Botschaften gerne. Und sie haben auch sicher einen gewissen Aussagewert. Nur muß man bedenken, daß Sorsa von Wirtschaftszweigen sprach, in denen die Umweltkosten unter ein und bis maximal vier Prozent der Gesamtkosten betragen. Problematischer wird die Sache fraglos, wenn die Unterschiede schwerer ins Gewicht fallen.

Eines ist aber sicher: Die Umweltaufwendungen werden zunehmen -und zwar progressiv, je höher die Anforderungen der Umweltverträglichkeit werden. Die ersten 50 Prozent Verschmutzung zu beseitigen, kostet weniger als eine weitere Verbesserung um 20 Prozent. Nur weil bisher so relativ wenig in Sachen Umweltschutz geschehen ist, lassen sich solche Übereinstimmungen registrieren. '

Fallen Umweltkosten aber ins Gewicht, dann wird es nicht mehr diese scheinbare Harmonie zwischen offenen Grenzen und gezielter Umweltsanierung - vorausgesetzt diese erfolgt nicht im internationalen Gleichschritt - geben.

Schon heute merken wir es im Bereich der Landwirtschaft, für den ja bei den derzeitigen Gatt-Verhandlungen eine starke Liberalisierung des Handels gefordert wird. Da sind die Ausgangsbedingungen für die Produktion und die Bereitschaft, ökologisch verträgliche Herstellungsverfahren zu verwirklichen, international einfach so unterschiedlich, daß ohne gezielten Schutz die Landwirtschaft in weiten Teilen Westeuropas einzustellen sein würde.

Das hätte viele verheerende Folgen - zunächst im Bereich des Umweltschutzes: Unsere Land- _

schaft würde verwildern. Nun kann man zwar einwenden, daß es durchaus konform mit dem Gatt wäre, den Bauern eine Art Umweltprämie für ihre Tätigkeit als Landschaftsgärtner zu bezahlen - nur produzieren sollten sie möglichst nichts. Aber gibt das Sinn? Und werden sich die Bauern nur dafür hergeben? Und das alles, nur um das Prinzip des freien Wett-bewerbs möglichst nahtlos durchzusetzen?

Sollten wir als Staat nicht auch an unsere Überlebensfähigkeit denken?

In manchen Bereichen mag es unbedeutend sein, sich vom Ausland total abhängig zu machen: Wenn wir die Erzeugung von Video-Bändern, Kugelschreibern oder Schmuck ganz auslagern, so wird uns das im Fall einer internationalen Krise nicht am Überleben hindern. Anders ist die Lage bei der Versorgung mit Energie, mit Nahrungsmitteln, mit Baustoffen...

Ein Staat, der im Zuge der internationalen Arbeitsteilung diese Bereiche gänzlich aus der Hand gibt, gefährdet sein Überleben. Bei Überlegungen zum Thema internationale Arbeitsteilung darf daher nicht immer nur höherer Rentabilität und größerer Effizienz anvisiert werden. Diese Kritierien wurden in den letzten Jahrzehnten ohnedies bis zum Exzeß „gepusht". Heute geht es auch um Fragen der Stabilität in Krisenfällen. Sie dürfen in unseren wirtschaftspolitischen Entscheidungen nicht zu kurz kommen.

Die politische Lage ist doch bedrohlich genug - oder nicht?

Das Symposium „Internationaler Handel und Umwelt" fand am 22. und 23. Mär/ in Wien statt.

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