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Griechische Spiele

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Im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe konnte man eine interessante Ausstellung besichtigen: unter dem Titel „Griechische Spiele“ wurde die Frage nach dem Sinn sportlicher Betätigung in einer ungewöhnlichen Art und Weise beleuchtet.

Ein Seminar von Archäologen, Philologen und Kunsthistorikern der Universität Hamburg sowie eine Arbeitsgruppe des „Instituts für visuelle Kommunikation“ organisierten eine didaktisch-kritische Schau, die sich über museale Konventionen und gymnastisch-humanistische Hürden hinwegsetzt, um junge Leute für die alten Griechen zu interessieren. Man untersuchte die Frage, ob die Rolle des Sports in der Antike immer noch als Vorbild für den modernen Sport gelten kann: symbolisch nehmen in der Vorhalle lebensgroße Attrappen bekannter Sportler unserer Zeit hinter der marmornen Statue des Zeus Aufstellung. Der Aufmarsch griechischer Athleten hingegen findet vor popgrellen Reklamewänden statt. Auf den Sitztreppen eines improvisierten Stadions kann man attische Vasen in Glaskästchen betrachten; sie zeigen Szenen aus dem griechischen Alltag, vor allem aus den Gymnastikschulen und verdeutlichen die engen Beziehungen zwischen Trainern und Knaben. Dazu verkündet noch eine Originalstatue eines Jüngling (4. Jahrhundert vor Christi) per Sprechblase: „Ich liebe nur meinen Erzieher.“

Aber man darf sich nicht täuschen lassen: Hier ging es nicht darum, mit Effekten zu arbeiten, sondern es wurde vielmehr ein gründliches Studium zeitgenössischer Literaturquellen interpretiert. So wird deutlich, daß es mit dem „edlen Wettstreit“, dem „olympischen Frieden“ und der „religiösen Weihe“ im antiken Hellas nicht so genau genommen wurde. Grundlage für die sportlichen Leistungen war vor allem einmal ein staatlich gelenktes Training, das militärischen Nutzen versprach. Diese Sportschulen waren bekanntlich den Knaben der Oberschicht vorbehalten; Sklaven, Bauern und Frauen war jede sportliche Betätigung untersagt. Die Besten wurden speziell für Wettkämpfe trainiert und vorbereitet, erhielten staatliche Privilegien und Geldpreise von privaten Gönnern, wenn sie in kleinen lokalen Wettkämpfen „für diesen“ siegten (auch die Werbung hat also ihre weitreichende Geschichte). Solon selbst- zahlte 500 Drachmen (heute etwa 20.000 Schilling) als Staatsprämie für einen olympischen Sieg. Aus vielen Quellen wird jedoch deutlich, daß es nicht nur bei dieser Zuwendung blieb ...

Alle diese Hinweise (unter Angaben der Originalzitate) sind sehr originell präsentiert, und man hat keineswegs das Gefühl, in einer der üblichen Museumsausstellungen zu sein — man wird hier mit sachlich nüchterner Kritik konfrontiert und zum Denken angeregt. An den Wänden hängen große Papierbogen — sie sind bereits mit Hinweisen und Antworten zu den Fragen, die das Ausstellerteam an den Kopf gesetzt hat, dicht beschrieben. Man will Anregungen verwerten, auf dieser Basis weitermachen, vieles verbessern, aus der Ausstellung möglichst viele Erfahrungen gewinnen. Interessant ist auch, das Publikum zu beobachten: junge, ernste, seriöse Menschen, die sich sichtbar interessiert mit den Exponaten auseinandersetzen.

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