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Griechischer Hecht im Karpfenteich

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Griechenlands Premier Papandreou gilt als Linksaußen und Eigenbrötler. Dennoch ist er als Kontaktmann zu nahöstlichen Potentaten allseits geschätzt.

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Griechenlands Premier Papandreou gilt als Linksaußen und Eigenbrötler. Dennoch ist er als Kontaktmann zu nahöstlichen Potentaten allseits geschätzt.

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Noch 1981 hatte Papandreou als linker Oppositionsführer einen Austritt Griechenlands aus den Europäischen Gemeinschaften gefordert. Dabei war Hellas eben erst durch die langjährigen und schwierigen Bemühungen seines-großen konservativen Europäers, Konstantinos Karaman- lis, in Brüssel Vollmitglied geworden.

Bei den Parlamentswahlen vom Oktober 1981, die dem sozialde-

mokratischen PAŠOK erstmals in der Geschichte des modernen Griechenland die Mehrheit und Papandreou an die Regierung brachten, fielen die Bedenken vieler griechischer Bauern und Gewerbetreibender gegen den EG- Anschluß ebenfalls noch ins Gewicht.

Bald benützte die neue griechische Führung die europäischen Gremien jedoch dazu, um sich selbst auf Insten der Mehrheits- gemeinscharx zu profilieren. Und in seiner Rolle als Hecht im sonst behäbigen Karpfenteich der Europäer gefiel sich Papandreou dann erst recht, als sein Land den EG-Vorsitz übernahm und Athen für ein Jahr zur Hauptstadt der Europäer avancierte.

Lange schien das ein Avantgardisten- bis Eigenbrötlerkurs um jeden Preis zu sein. Genau so mußte es auch noch erscheinen, als die Griechen mit ihrem Veto einhellige europäische Stellungsund Maßnahmen nach dem Abschuß der südkoreanischen Verkehrsmaschine verhinderten. Papandreou wurde wie sein Freund Mintoff von Malta als Querulant und eigensinniger Rechthaber eingestuft.

Inzwischen wird aber klar, daß hinter dem eigenen Weg Griechenlands ein festes politisches Programm steht. Gerade die griechische Nahostpolitik mit ihren Avancen an Gaddafi, Arafat oder Dschumblat hat der Stimme Europas auf der anderen Seite des

Mittelmeers endlich mehr Gehör und Gewicht verschafft. So wird die Rolle, die von den Gemeinschaften bei den Arabern nach deren eigenem Wunsch neben den USA und anders als diese gespielt werden soll und bei richtiger Einschätzung der europäischen Wirtschaftsinteressen gespielt werden muß, erst mit Hilfe von Hellas richtig eingeleitet.

Es ist kein Zufall, daß jetzt in Libanon von allen Konfliktpartnern griechische Waffenstill- standsbeobachter gewünscht wurden. Und selbst die ebenfalls durch ihre Extratouren in den EG bekannten Franzosen waren jetzt froh darüber, als der griechische Botschafter in Tripolis für ihre von Libyen zurückgehaltenen Staatsbürger erfolgreich intervenieren konnte.

Das alles zeigt, daß Papandreou und seine Minister im Grunde viel konstruktiver denken und handeln als sie vor ihrem Volk den Mund voll zu nehmen pflegen. Der griechische Sozialistenführer gefällt sich eben nun einmal in der

Rolle des großen Befreiers von ausländischen Interessen und Interferenzen. Und seine Rechnung stimmt insofern, als er damit in der Bevölkerung gut ankommt.

Ein Musterbeispiel für diese Doppelgeleisigkeit der griechischen Regierung in ihren Rücksichtnahmen auf äußere Notwendigkeiten wie auf die Bedürfnisse des inneren Konsums ist das neue Stützpunkteabkommen mit den Amerikanern. Es war von Papandreous stellvertretendem Außenminister Kapsis als eine Ubergangslösung bezeichnet worden, die das schrittweise Verschwinden der US-Basen aus Griechenland einleitet.

Bei der inzwischen laufenden Parlamentsdebatte zur Ratifizierung des Vertrages, der mit Jahresende in Kraft treten soll, hat sich nun aber herausgestellt, daß dem überhaupt nicht so ist. Zum Unterschied von dem letzten Abkommen, das 1977 noch der derzeitige Präsident Karamanlis als konservativer Regierungschef abgeschlossen hatte, sind sogar neue Konzessionen in der Frage einer rechtlichen Exterritorialität der Stützpunkte an die Vereinigten Staaten gemacht worden. Und von einem „Verschwinden” ist erst recht keine Rede.

Wenn Papandreou die Dinge etwas anders darzustellen versuchte, so kann man ihm das aus parteiinternen Rücksichten fast nicht verargen. Seine eigentlichen Widersacher, vor denen er auf der Hut sein muß, sind ja weder die flügellahmen Konservativen von der „Nea Demokratia” noch die moskautreuen Kommunisten sta- linistischer Schule, die mit im Parlament sitzen. Der Sozialistenführer muß auf den eigenen linken Flügel mit seinen ausgeprägt „anti-imperialistischen” Tendenzen Rücksicht nehmen.

In den letzten Jahrzehnten sind mehr griechische Regierungen durch Fraktionswechsel eigener Abgeordneter gestürzt wie vom Volk abgewählt worden. Das Beispiel seines von den sogenannten „Apostaten” hinausmanövrierten Vaters Georg Papandreou ist in diesem Fall ein besonders warnendes Beispiel. Und eine Abspaltungsbewegung am linken Flügel des PAŠOK hat bereits die Reihen der Staatssekretäre erreicht.

Die Kreise sind ohnedies noch darüber ungehalten, daß Papandreou nicht - wie ursprünglich versprochen — aus der NATO ausgetreten ist. Verständnis für das, was Papandreou wirklich tun muß, zeigen da noch eher die Eurokommunisten von der sogenannten „Hellenischen InlandsKP” als seine eigenen Linksgenossen.

Vor allem wird von ihrer Seite dem „Regierungsflügel” vorgeworfen, mit seiner Wirtschaftspolitik völlig versagt zu haben. Teuerung und Inflation drücken eben ein Volk noch mehr als ausländische Stützpunkte und Verbindlichkeiten.

Papandreous Kurs der Sparsamkeit diene nur den wirtschaftlich Starken, die erhofften Verstaatlichungen in größerem Stil seien ausgeblieben. Dasselbe gelte für die angekündigte Demokratisierung der Streitkräfte. Was gar die Meinungsfreiheit und Vielfalt betrifft, wäre Papandreous rechter Vorgänger Karamanlis in diesem Punkt viel toleranter gewesen.

So erweisen sich die griechischen Grenzwähler und -kandidatėm die Papandreou 1981 zur Regierung verholfen haben, heute als Bumerang für seine gemäßigte Politik links von der Mitte, Seine Zukunft, und mit ihr die Zukunft der griechischen Sozialdemokratie, liegt aber nicht bei diesen potentiellen Kommunisten, sondern bei den alten sozial-liberalen Traditionen des PAŠOK.

Es ist kein Geringerer als Präsident Karamanlis, der Papandreou in dieser Richtung ermutigt. In seiner ehemaligen Partei werden dem Staatsoberhaupt deshalb ohnedies Vorhaltungen gemacht. Karamanlis scheint aber zu wissen, daß die „Nea Demokratia”“ zur Zeit über keine Persönlichkeit vom Format und der Begabung des „Andreas” verfügt.

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