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Mao Zedong ist in der Rumpelkammer der Geschichte Chinas verschwunden. Die neue Führung der Volksrepublik geht nun scheinbar ungestört ihren pragmatischen Weg in Richtung eines modernen und starken China. Freilich: A uch dieser Weg ist steinig.
Mao Zedong ist in der Rumpelkammer der Geschichte Chinas verschwunden. Die neue Führung der Volksrepublik geht nun scheinbar ungestört ihren pragmatischen Weg in Richtung eines modernen und starken China. Freilich: A uch dieser Weg ist steinig.
Deng Xiaoping hat es geschafft. Nach fünf Jahren permanenter politischer Manöver ist sein Ziel erreicht: Seine Schützlinge sitzen in den höchsten Ämtern innerhalb der Führungsspitze der Volksrepublik China. Zhaa Ziyang ist schon seit einem Jahr Premier, und jetzt wurde - nach langem internen Ringen - Hu Yoaobang Vorsitzender der Partei.
Mao Zedong und seiner Zeit wurden die respektiv geeigneten Plätze innerhalb der Geschichte zugewiesen, und Hua Guofeng, noch vor fünf Jahren als der von Mao persönlich auserkorene Nachfolger verehrt, wurde endgültig in die politische Wüste verbannt.
Für Deng Xiaoping und seine Anhänger war die pragmatische Linie, die es mit der Ideologie nicht so genau nahm, der einzige Weg heraus aus den ständigen Schwierigkeiten, um damit das Riesenreich auch zu einem halbwegs modernen Land zu machen.
Gegen diese allzu heftige Liberalisierung wehrte sich vor allem die Gruppe um Hua Guofeng, die um ihren Patron fürchtete - mit Recht, wie sich ja herausgestellt hat.
Das eigentliche parteiinterne Ringen um die „richtige Linie“ aber spielte sich eindeutig bei der Neueinschät- zung’Mao Zedongs ab, seiner Fehler, aber auch seiner Verdienste. Zum ersten Mal in der Geschichte kommunistischer Staaten wurde so etwas wie eine offizielle Abrechnung mit der jüngsten Vergangenheit veröffentlicht.
Die „Resolution über gewisse Fragen betreffs der Geschichte unserer Partei seit der Gründung der VR China“ stellt ein Novum dar. In ihr geht es nicht nur um Mao, es geht auch um die positiven und negativen Erfahrungen und Entwicklungsperioden der Partei seit ihrer Gründung vor 60 Jahren.
Es ist auffallend, daß das Lob für Verdienste im Vergleich zu der innerhalb der Resolution geübten Kritik verschwindend klein erscheint. Maos Rolle als „großer Führer der Partei und des ganzen chinesischen Volkes“ wird wohl bestätigt, doch werden seine Schnitzer während der Kulturrevolution als „zum Teil grobe Fehler“ eingestuft, die „Land und Volk in Unglück gestürzt“ hätten.
Weiters heißt es in der Resolution, daß die durch die Kulturrevolution verursachten Belastungen in „linken“ Fehlern Maos zu suchen seien. Die Kulturrevolution selbst wird in der Resolution als die Epoche der „größten Verluste für Partei und Volk seit 1949“ bezeichnet.
Auch die Kommunistische Partei mußte sich einige Kritik gefallen lassen. So wird ihr vorgeworfen, die Gefahren der Kulturrevolution nicht
rechtzeitig erkannt und somit ihr Ausbrechen nicht verhindert zu haben. Dies wird vorwiegend auf „die feudalen Reste innerhalb der Partei*^, die alten Traditionen des klassischen Be- amten-China zurückgeführt. Es sei gerade da besonders wichtig, „den Geist zu befreien“ und modern zu denken.
Die Resolution holt sich aus den Unmengen wichtiger Mao-Zitate die für die gegenwärtige Linie passendsten heraus. So ist es wichtig, „Wahrheit in den Tatsachen zu suchen“, sprich: Revision der Ideologie angesichts der realen Umstände; wichtig ist es auch, „der Linie der Massen zu folgen“; und wichtig sind natürlich „Unabhängigkeit und Selbstsicherheit“.
In dieser Form, so beteuern die heutigen Parteiideologen, werden die Gedanken Mao Zedongs für viele Jahre Parteiideologie bleiben.
Es bedarf trotz aller Ansätze noch vieler gewaltiger Anstrengungen, um das volksreichste Land der Erde endlich in Schwung zu bringen. China steckt bis heute noch im Stadium des „economic takeoff" - jener Phase beginnender Wirtschaftsentwicklung, die Taiwan in den frühen sechziger Jahren hinter sich gebracht hat.
Außerdem wird die Volksrepublik seit zwei Jahren von Naturkatastrophen heimgesucht, die riesige Ernten gefährden oder aber bereits vernichtet haben. Die jüngsten Überschwemmungen in Sechuan sind nur ein Glied in dieser Unglückskette.
Die sozialen Probleme werden ebenfalls immer gravierender; die Arbeitslosenrate steigt stetig an, und besonders unter den Jugendlichen herrscht akuter Arbeitsplatzmangel. Dieser Umstand, gepaart mit der vergleichsweise liberalen . Haltung der Regierung, läßt wiederum die Kriminalität anwachsen.
Desillusionierung beim Großteil der jungen Chinesen, Skepsis gegenüber ihrer Regierung, die eine ganze Generation verpuffen ließ, tragen nicht gerade dazu bei, den Enthusiasmus für die neue Linie in Schwung zu halten. Upd der passive Widerstand der mittleren Parteikader, die meist noch während der Kulturrevolution hochgekommen sind, stellt einen der größten Hemmschuhe bei der Implementierung der neuen Politik dar.
Dennoch: Mit der homogenen Führung unter der Patronanz Dengs sollte es China gelingen, langsam nach oben zu klettern. Eine beruhigte innere Lage wird wohl auch dazu beitragen, daß ausländische Investoren - die auf Grund des windigen Politiklimas die Volksrepublik bis jetzt nur allzu gerne scheuten - beherzt Projekte im Reich der Mitte in Angriff nehmen werden.
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