7019980-1988_41_04.jpg
Digital In Arbeit

Größe isoliert

Werbung
Werbung
Werbung

Der Tod des bayrischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß ist ein Anlaß, sich Gedanken zu machen, die über den konkreten Fall hinausweisen. Zunächst ist die Plötzlichkeit dieses Todes Mahnung an uns alle, wie schnell ein Mensch aus dem Leben gerissen und seinen Leidenschaften entrissen werden kann. Der Tod auf der Jagd paßte zum Vollblutmenschen und passionierten Jäger Strauß, der das Leben in all seiner Intensität liebte und auskostete.

Der Tod macht in der Regel erst bewußt, was man an einem Menschen und einer Persönlichkeit des öffentlichen Lebens gehabt und was man verloren hat. „Was einer ist, was einer war, im Scheiden wird es offenbar.“Dieser Vers von Hans Carossa bringt eine sich immer wiederholende Erfahrung zum Ausdruck, die sich gerade in diesem Fall bestätigt: auch die politischen Gegner, für die Strauß sogar ein Feindbild war, erkennen und anerkennen seine Größe, die angesichts seiner potentiellen Nachfolger deutlicher als je zuvor sichtbar wird.

Freilich liegt es im Wesen großer Persönlichkeiten, nicht nur von ihrer Umgebung nicht erreicht zu werden, sondern auch selbst alles zu tun, daß sich kein anderer, der im Verdacht der Größe steht, neben einem entfaltet. So groß sind auch große Persönlichkeiten selten, daß sie sich vor der Größe anderer, die ihnen gefährlich werden könnten, beugen, denn damit würden sie den Machtverzicht, der zu den seltensten Phänomenen der Geschichte gehört, riskieren. Und so muß es denn wohl sein, daß Größe isoliert und ausgrenzt, abstößt und ausscheidet, was nicht ausschließt, daß — wie bei Strauß — einer Persönlichkeit, die sich im engeren Kreise distanzierend verhält, im weiteren der Bevölkerung Sympathie, ja Liebe entgegenschlagen.

Manchmal sind Institutionen an Personen gebunden und vergehen mit ihnen oder verblassen jedenfalls. Es wird sich herausstellen, ob die bayrische CSU, die ja unter Strauß sogar mit der Ausdehnung auf die ganze Bundesrepublik drohte, nach Strauß auch nur imstande ist, in Bayern zu überdauern und ihr Sonderdasein zu rechtfertigen.

Jedenfalls ist mit Franz Josef Strauß einer der wenigen dahingegangen, der die politische Szene nicht nur bevölkerte, sondern mit seiner Persönlichkeit, mit seiner Lust am Konflikt und an der freien Rede, die zum Ereignis werden konnte, bereicherte. Strauß lehrt es mit seinem Abgang, daß zwar Funktionen neu besetzt werden können, einmalige Persönlichkeiten aber nicht reproduzierbar sind.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung