7049797-1990_48_04.jpg
Digital In Arbeit

Größerer Spielraum für Neutrale

Werbung
Werbung
Werbung

In Wien haben diese Woche nach dem Pariser KSZE-Gipfel (FUR­CHE 47/1990) die weiterführenden Abrüstungsverhandlungen - dies­mal nicht mehr nur zwischen den 22 blockgebundenen Staaten, son­dern zwischen den 34 KSZE-Ländem - begonnen. Der Prozeß der Konferenz für Sicherheit und Zu­sammenarbeit in Europa hat damit entscheidend zu einer Überwindung der Blöcke beigetragen. Der War­schauer Pakt erwartet schon seine Todesstunde (siehe Interview Seite 3), die NATO steckt in einer tiefen Identitätskrise. Der deutsche Bun­deskanzler Helmut Kohl hat das vergangene Woche konstatiert. Die KSZE hat eine „übergreifende Struktur Europas" geschaffen, betont der Sprecher des österrei­chischen Außenamtes, Gesandter Walter Greinert, gegenüber der FURCHE. Regionale Prozesse -Greinert nennt hier die EG, aber auch die von Österreich sehr geför­derte Pentagonale (die Zusammen­arbeit der fünf Staaten Tschecho­slowakei, Ungarn, Jugoslawien, Italien und Österreich) - stünden damit nicht im Widerspruch.

Hinsichtlich neuer Sicherheits­strukturen - die „Pariser Charta" der KSZE hat Voraussetzungen dafür geschaffen - weist Greinert darauf hin, daß das westliche Ver­teidigungsbündnis, die NATO, nicht ganz Europa erfasse, der Warschau­er Pakt beziehungsweise der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW/COMECON) durch neue Strukturen ersetzt werden soll. Österreich, gibt sich der Außenamtssprecher überzeugt, wird auch künftig keinem Militärbündnis beitreten.

„Neutralität ist ein anderer Bei­trag zur Sicherheit und Stabilität Europas", definiert Greinert, der diesbezüglich keinen Widerspruch zur stabilitätssichernden Rolle der NATO sieht. Als „Mittel der öster­reichischen Politik" werde die Neutralität von anderen Staaten -vor allem von der Sowjetunion -voll akzeptiert, gibt der Außenamts-sprecher gegenüber jenen Meinun­gen zu bedenken, die von einer gar nicht so besonderen Wertschätzung der österreichischen Neutralität durch das Ausland wissen wollen.

Stellenwert und Spielraum der Neutralität sind nach den Worten Greinerts anders beziehungsweise größer geworden. Im Außenmini­sterium reduziert man Neutralität auf rein militärische Aspekte und sieht sich damit im Gegensatz zur „sozialistischenlnterpretation" der Neutralität als eines „großen na­tionalen Mythos" (siehe FURCHE 43/1990, „Fallweise neutral").

Damit stehe aber fest, daß Öster­reich weder der Westeuropäischen Union (WEU) noch der NATO bei­treten könne. „Aber bei der euro­päischen Sicherheitspolitik können wir wohl mitmischen - nicht jedoch auf militärische Weise", betont Greinert. Er weist darauf hin, daß Neutralität internationaler Solida­rität nicht hinderlich sei. Österreich werde Beiträge zur internationalen Solidarität aufgrund seines Neu­tralitätsstatus beispielsweise in Zahlungen für Flüchtlingshilfe lei­sten, sich aber keinesfalls an mili­tärischen Aktionen - auch nicht finanziell - zur sogenannten Auf­rechterhai tung der internationalen Ordnung beteiligen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung