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Große Friedhöfe

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„Der Schah", sagte Khomeini einmal, „hat nichts anderes getan, als die Friedhöfe zu füllen." In der Tat. Mit Hilfe der berüchtigten Geheimpolizei Savak, die zuletzt bis zu 300.000 Mitarbeiter gehabt haben soll, erstickte der Schah schon in den sechziger Jahren An- sätze zu Umstürzen im Keim. Damals entstanden die marxisti- schen Volks-Fedajin und die mos- lemisch-nationalistisch ausgerich- teten Mudschahedin-e Chalq (Glau- benskämpfer des Volkes).

Die Korruption blühte, die Fami- lie des Schah vergriff sich auch am Volksvermögen. Die Unzufrieden- heit des städtischen Mittelstandes und vieler Bauern wuchs. Die reli- giösen Führer arbeiteten mit lii.- ken und nationalistischen Politi- kern zusammen, forderten den Sturz des Schah und die Errich- tung einer islamischen Republik.

Im Frühjahr 1978 kam es dann zu ersten großen Unruhen, an denen sich auch die persischen Studenten beteiligten. Der Schah reagierte mit der Einsetzung einer Militärregie- rung, später vertraute er dem So- zialdemokraten Bachtiar. Der Trau- ermonat Moharram mit seinen Massendemonstrationen Ende Jän- ner 1979 war Anlaß für die endgül- tige Abreise des Schah aus dem Iran.

Was aber haben die Mullahs dem Land und der Welt angetan? Am 20. September 1988 gab Kulturmi- nister Mohammed Khatami zu, daß im Golfkrieg mehr als 123.000 ira- nische Soldaten und etwa 11.000 Zivilisten ums Leben gekommen seien, 60.711 Kämpfer gelten als vermißt. Insgesamt soll der ira- kisch-iranische Krieg mehr als eine Million Menschen gefordert haben.

Amnesty International hat wie- derholt auf wahre Hinrichtungsor- gien im revolutionären Iran hingeiesen, die vor allem Oppositionel- le betrafen. Ein UNO-Bericht spricht von 1.000 Toten allein zwi- schen Juli 1988 und Jänner 1989. Die US-Geiselaffäre sowie der geplante Waffendeal mit den USA werfen ein bezeichnendes Licht auf die Mullahs und ihre Revolution. Dem Bewußtsein der Weltöffent- lichkeit hat sich besonders der Mordaufruf Khomeinis gegen Sal- man Rushdie, den Autor der „Sata- nischen Verse", am 17. Februar 1989 eingeprägt. Die Priesterherrschaft mit ihrem Hang zum Terror hat - wie der Schah - zur Vergrößerung der Friedhöfe nicht nur im eigenen Land, sondern in aller Welt einen großen Beitrag geleistet.

Wer sind die Mächtigen im Iran, seit am 3. Juni des Vorjahres Kho- meini das Zeitliche segnete? Ge- mäß des Ajatollahs Testament wurde bereits am 4. Juni von einem 83köpf igen Expertenrat Staatsprä- sident Ali Khamenei zum neuen geistigen Oberhaupt des Landes gewählt. Er war Nachfolger des vertriebenen ersten Staatspräsiden- ten der islamischen Republik, Abol Hassan Bani-Sadr, und des ermor- deten Mohammed Ali Radschai. Khamenei gilt als harter Verfech- ter der Linie des Imam.

Parlamentspräsident Haschemi Rafsandschani, er gilt als Pragma- tiker, steht im Ernstfall aber immer zu den Prinzipien der Revolution, wurde am 28. Juli 1989 mit über- wältigender Mehrheit als Nachfol- ger Khameneis zum Staatspräsi- denten gewählt. Als Parlamentsprä- sident beerbte ihn Hodschatoles- lam Mehdi Karrubi, der die etwas erlahmten Revolutionsgardisten gerne wieder auf Vordermann brin- gen möchte. Noch immer mächtig, aber im Hintergrund tätig, ist Khomeinis Sohn Ahmad.

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