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Große Künstler, mäßige Preise

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Die Kunstauktionen des Wiener Dorotheums ziehen nicht länger mehr nur heimische Händler und Sammler an. Im zunehmenden Maß stellen sich Ausländer aus Westeuropa und Ubersee ein. Der Grund: Man wird in der österreichischen Bundeshauptstadt dem Zeitgeschmack und der Kaufkraft eines relativ breiten Publikums gerecht.

Das beweist auch die vom 24. bis 27. Juni sowie am 30. Juni, am 1. und 2. Juli stattfindende 652. Kunstauktion in der Dorotheergasse, bei der zwar Gemälde allererster Qualität dünn gesät sind und Glanzlichter wie ein im Vorjahr unter den Hammer gekommener Akt Egon Schieies mit einem Meistbot von 2,8 Mülionen Schilling oder ein Jugendstil-Speise-

zimmer von Josef Hoffmann mit einem Rekordpreis von 1,6 Millionen Schilling fehlen. Die Palette reicht aber immerhin von Werken der Alten Meister über die des 19. Jahrhunderts, des Jugendstils und des Expressionismus bis zu den frühen Abstrakten.

Auch bedeutende Möbel-Raritäten aus der Zeit der Jahrhundertwende sind erwerbbar und werden nicht allein ihrer Schönheit wegen, sondern weil sie als sichere Geldanlage gelten, ihre Käufer finden.

Unter den Werken der alten Meister gibt es eine vielfigurige winterliche Szene des Haarlemer Malers Thomas Heeremans. Sie entspricht vom Sujet her vor allem dem Geschmack österreichischer Sammler, die seit jeher eine Vorliebe für Landschaftsbilder haben — ganz besonders für Winterlandschaften. Das bedeutet, daß die Mehrzahl der Kunstliebhaber aus der Alpenrepublik bereit ist, für gute Winterbilder mehr Geld auszugeben als für gleichwertige Sommerbilder.

Auch der Rufpreis hält sich in jenen Grenzen, die heimische private Sammler für ein qualitätsvolles Gemälde akzeptieren. Er macht 180.000 Schilling aus. Nicht zuletzt ist das Bild überzeugend dokumentiert und kann seine Herkunft aus französischen und niederländischen Privatsammlungen bis 1868 nachweisen. Ähnliches gilt für eine signierte Landschaft mit Vieh und Bauernhütten des Haarlemer Landschaftsma-

lers Jan Vermeer d. J., die schon um 1835 in der Utrechter Sammlung Bleuland und 1912 in der bedeutenden Sammlung L. von Schacky gewesen ist. Der Rufpreis beträgt 120.000 Schilling.

Dem Sammlertrend entsprechend sind kleinformatige Ölbilder und Aquarelle des 19. Jahrhunderts mit Landschafts- und Genreszenen innerhalb der mittleren Preiskategorie stark vertreten. Darunter das mit 50.000 Schil-ling veranschlagte Aquarell Ladislaus Eugen Petrovits': „Der Michaelerplatz mit dem alten Burgtheater“. Eines der hervorragendsten ist das „Heimliche Liebe“ titulierte Werk Johann Hamzas (öl auf Leinwand), eines 1850 im mährischen Teltsch geborenen und 1927 in Wien gestorbenen Künstlers, der zusammen mit anderen Wienern die Genremalerei in den achtziger Jahren zu einem zweiten Höhepunkt geführt hat.

Das bei der 652. Kunstauktion angebotene Werk zeigt eine blonde Frau vor einem geöffneten Fenster, durch das von der Straße aus ein junger Mann sieht. Die Kleidung der beiden sowie das Interieur des Zimmers — Vorhang, Tapeten, Teppich, Kerzenleuchter, Abstelltisch — sind typisch für das Fin de siecle. Und obwohl jedes Detail exakt gemalt ist, hat Hamza dafür nicht mehr Platz gebraucht als 58,5 mal 40,5 Zentimeter — somit genau so viel Raum wie die Mehrzahl der Sammler von heute einem Bild zugestehen, das ihr Zimmer schmücken soll.

Ausgerufen wird das Werk mit 140.000 Schilling, doch ist anzunehmen, daß es etwa um den doppelten Betrag den Besitzer wechseln wird.

Einen anderen Aspekt der Wiener Malerei dieser Zeit stellen die Arbeiten von Marie Egner, Theodor von Hörmann und Alexander Koester dar. Bei dem Werk der Egner handelt es sich um ein aus 1884 datiertes Stilleben, das für die Entwicklung der österreichischen postimpressionistischen Malerei bedeutsam ist. Hörmann ist durch den „Brandleger“ vertreten, ein stimmungsvolles Werk, das er 1891 bei der großen

Kunstausstellung in Berlin gezeigt hat. Von Alexander Koester (1864 bis 1932) weist der Katalog eine qualitativ hochwertige Landschaft mit Bäumen, See, Booten und Figuren auf. Es heißt „Am Ufer des Ammersees“, ist 54 mal 43 Zentimeter groß und wird um 50.000 Schilling angeboten.

Aus dem 20. Jahrhundert - primär der Zwischenkriegszeit — suchen dieses Mal zahlreiche wichtige Arbeiten bedeutender österreichischer Künstler einen Käufer. Der „Sonnenblumenstrauß“ gilt als eines der Hauptwerke Werner Bergs, der lange in Kärnten gelebt hat und mit seiner expressiven Graphik bekannt geworden ist. Von Anton Faistauer, einem der am meisten geschätzten Vertreter des österreichischen Expressionismus, stammt ein Damenporträt; von Alfred Kubin, dessen beklemmend visionäre Tuschzeichnungen bei den Kunstauktionen des Vorjahres sehr gefragt waren, wird jetzt die Federzeichnung „Der Ritt über den Paß“ versteigert. Der Grazer Künstler Wilhelm Thöny ist mit einer Paris-Ansicht, einem Aquarell aus 1934, vertreten.

Natürlich bietet die Auktion auch wieder einige Jugendstil-Möbel an, für die es eine rapid zunehmende Nachfrage bei knapper werdendem Angebot gibt.

Voraussichtlich wird ein Eßtisch kaum unter 30.000 Schilling und ein Sessel um nicht weniger als 8.000 Schilling zu haben sein. Nach Meinung von Experten wird man diese Preise allerdings nicht mehr lange halten können. Denn die Preisinflation für Jugendstil-Möbel hat noch nicht ihren Höhepunkt erreicht. Sie wird, wie alle Werke der in England „Modern Style“ und in Frankreich „Art Nouveau“ genannten Kunstrichtung, die in Wien ein Zentrum besaß, weiterhin steigen. Eine Prognose, die unter anderem darauf basiert, daß neuerdings sogar arabische Scheichs und Geschäftsleute aus dem Orient an diesem letzten totalen Stü, der die büdende Kunst genauso prägte wie das Kunsthandwerk und die Literatur, interessiert sind und beinahe jede Summe dafür bezahlen.

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