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Große Reform ist gelungen

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Der Zwang, aus dem Nichts in kürzester Zeit ein Verteidigungsinstrument aufzubauen, ließ ein Heer entstehen, dessen Konzeption auf dem in der Bundesverfassung 1920 (Novelle 1929) verankerten, aber im Jahre 1955 im Ernstfall kaum zu realisierenden Grundsatz „Schutz der Grenzen der Republik" zugeschnitten war; welches nach Ausrüstung und Bewaffnung sowie Schulung und Einsatzerfahrung des Offiziers- und Unteroffizierscorps der ersten Stunde offensiv ausgerüstet war; welches letztlich auch den Wehrpflichtigen nicht motivieren konnte, weil es seinen einzigen Zweck darin sah, Präsenzdienstpflichtige neun Monate auszubilden, ohne zu wissen, welche Aufgaben der ausgebildete Soldat in einem zukünftig zu errichtenden mobilisierungsfähigen Heer zu erfüllen haben wird.

Grundsätzlich muß festgestellt werden, daß die von den Anfängen des Heeres des Jahres 1955 bis zum Ende der sechziger Jahre von der ÖVP betriebene Sicherheits- bzw. Verteidigungspolitik unbefriedigend geblieben war.

Die sozialistische Bundesregierung sah daher in ihrer Regierungserklärung vom 27. April 1970 ihre Aufgabe darin, den unbefriedigenden Zustand durch die auch von maßgeblichen Funktionsträgern des Heeres selbst geförderte Neuorientierung der Verteidigungspolitik zu beheben.

Dazu war nicht nur die Grundsatzfrage zu entscheiden, ob Berufsheer oder Volksheer (milizartiges System) den Bedürfnissen Österreichs besser entsprechen würde, sondern auch eine Vielzahl von übrigen Fragen zu klären.

Zur umfassenden Erörterung des vielschichtigen Gesamtkomplexes und um die neue Wehrstruktur auf einer möglichst breiten, politischen und fachlichen Basis entwerfen zu können, wurde eine Bundesheer-Reformkommission eingesetzt, die ihre Arbeit am 19. Oktober 1970 abschloß.

Lange Verhandlungen der politischen Parteien Uber das Evgebnis der Bundesheer-Reformkommission sowohl im Parlament wie auch im Landesverteidigungsrat führten nach anfänglichen nahezu unüberwindbaren Schwierigkeiten zu jener Annäherung der Standpunkte, die letztlich im Juli 1975 zu einem gemeinsamen Beschluß der im Parlament vertretenen Parteien führte.

In diesem Beschluß wurden die Grundsätze der umfassenden Landesverteidigung in den Verfassungsrang erhoben und gleichzeitig die Aufgaben des Bundesheeres neu festgelegt.

Verbunden war diese Verfassungsänderung mit einer ebenfalls einstimmig beschlossenen Entschließung des Nationalrates Uber die authentische Interpretation des Nationalrates, betreffend die Aufgaben der einzelnen Teilbereiche der umfassenden Landesverteidigung, die als „Verteidigungsdoktrin" in der Öffentlichkeit bekannt wurde.

Entsprechend dieser Entschließung wurde ein von der Bundesregierung erstellter Entwurf eines Landesverteidigungsplanes im Landesverteidigungsrat einer Prüfung und Erarbeitung unterzogen. Die Arbeiten an dem militärischen Teil des Landesverteidigungsplanes wurden Ende 1978 einvernehmlich abgeschlossen. Er gilt seither als interne verbindliche Planungsgrundlage.

Mit der Umlegung dieses militärischen Teiles des Landesverteidigungsplanes in eine Konzeption der Raumverteidigung auf der Grundlage einer miüzarVigea Heeresorganisation erfolgte ohne Übertreibung die umfassendste Reform im Bereich der militä-

rischen Landesverteidigung seit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in Österreich.

Die organisatorischen, personellen und waffen- und gerätemäßigen Bedürfnisse wurden in diesem Plan exakt erarbeitet und festgelegt. Der Umstellungsprozeß ist nun voll im Gange. Die erste Phase dieser Reform wird ca. 1986 abgeschlossen werden.

Sicherlich gibt es noch viele Mängel zu beheben, so im Bereiche der Reservekaderausbildung, der besseren Be-waffnungder Milizverbände,der aktiven und passiven Luftraumüberwachung. Ich bin jedoch sehr überzeugt, daß das Bundesheer nach einer Phase der Konsolidierung die gesteckten Ziele erreichen wird. Wie lange es dauert, hängt nicht zuletzt auch von Faktoren ab, die außerhalb des Heeres liegen, jedoch keine unwesentliche Rolle spielen.

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