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Großer Vogel kostet 1,500.000,000.000 Dollar
Die Entscheidung der US-Regierung, die Neutronenwaffe zu bauen, hat weltweit Besorgnis wegen einer Wiederankurbelung der Rüstungsspirale erweckt. Aber schon in den nächsten Wochen wird Präsident Reagan weitere Entscheidungen über das US- Rüsturigsprogramm bekanntgeben. Das wirft neue Fragen auf. . .
Die Entscheidung der US-Regierung, die Neutronenwaffe zu bauen, hat weltweit Besorgnis wegen einer Wiederankurbelung der Rüstungsspirale erweckt. Aber schon in den nächsten Wochen wird Präsident Reagan weitere Entscheidungen über das US- Rüsturigsprogramm bekanntgeben. Das wirft neue Fragen auf. . .
Worauf will die neue amerikanische Aufrüstungspolitik hinaus, die bis 1980 eineinhalb Billionen Dollar verschlingen soll?
Den Sowjets zu zeigen, daß man deren massive Aufrüstung der letzten Jahre nicht länger hinnimmt. Und gleichzeitig den eigenen Verbündeten zu signalisieren: Wir warten nicht auf euch, wir gehen’s selber an!
Ist denn die Behauptung der sowjetischen Aufrüstung wirklich haltbar?
Haltbar und vielfach belegbar. Ein Vergleich zwischen den USA (jeweils erste Zahl) und der UdSSR der Jahre 1981 und 1976 (in Klammer) ergibt:
121 (115) : 370 (329) Atomunterseeboote, 223 (210) : 268 (257) große Kriegsschiffe, 11.560 (9181) : 48.000 (42.000) Panzer, 5140 (4955) : 19.300 (13.900) Artilleriegeschütze, 1628 (1710) : 2384 (2375) Abschußanlagen für Nuklearwaffen, 7192 (6842): 6302 (2943) strategische Nuklearsprengköpfe. Nur noch bei diesen führen heute die USA. In reiner Truppenstärke ist die UdSSR mit 4,84 (4,88) Millionen Soldaten den USA mit 2,09 (2,13) Millionen doppelt überlegen.
Aber muß man nicht diesen Ziffern auch die der Verbündeten dazuzählen und die Mehrfachfunktion sowjetischer Militäreinheiten bedenken?
Ja. Tatsache ist, daß dies zwar an den Atömkapazitäten nur wenig ändert, daß aber die Sowjetunion ein rundes Drittel ihres Militärpotentials in Asien, vor allem China gegenüber, stationiert hat und ihre Soldaten auch zur Niederhaltung der osteuropäischen Satelliten braucht.
Warum will die NA TO amerikanische Mittelstreckenraketen nach Westeuropa holen?
Weil die UdSSR ohne westliche Gegenmaßnahme bis heute bereits 225 Raketen vom Typ SS 20 mit zusammen 675 Atomsprengköpfen auf Ziele in Westeuropa gerichtet hat - mehr als die 572 Atomsprengköpfe, die mit den anvisierten 464 Marschflugkörpern (cruise missiles) und 108 Pershing-II-Raketen ab 1983 nach Westeuropa kommen sollen.
Warum postiert man diese nicht auf U-Booten statt im Landinneren?
Unter anderem, weil das dreimal so teuer käme.
Laden Landraketen nicht besonders zu Atomangriffen ein?
Ein strategisch interessantes Land wäre in einem Krieg auch ohne Atomraketen ein Angriffsziel.'Aber tatsächlich befürchten auch die USA ihre landgestützten 100 Minuteman- und 54 Titan-Interkontinentalraketen könnten durch einen Erstschlag der UdSSR ausradiert werden. Deshalb wird Reagan voraussichtlich bald grünes Licht für die bewegliche MX-Su- perrakete geben.
Gibt es keine Proteste der A merika- ner in den Bundesstaaten mit Raketensilos?
Ja, sehr starke. Deshalb wird jetzt auch ernsthaft erwogen, die MX in Flugzeugen des neuen Typs „Big Bird" („Großer Vogel“ - fast ein Symbolwort für den ganzen Waffenwahnsinn!) zu postieren. Dagegen gibt es aber technische Einwände. Wegen der enormen Kosten (75 Milliarden Dollar) wird eine Reduzierung der ursprünglichen Pläne (200 MX- Raketen, die zum Zweck der Verwirrung der UdSSR ständig zwischen 4600 Silos pendeln sollten) auf 100 MX-Raketen in vielleicht 1000 Silos erwogen. Eine weitere Möglichkeit
wäre die Entwicklung von Raketenabwehrraketen (ABM).
Wurde eine solche nicht 1972 durch einen Vertrag der USA mit der UdSSR ausgeschlossen?
Ja. Deshalb sind diese Pläne besonders bedenklich, weil auch die mühsam erreichten ersten Ansätze zu einer Begrenzung strategischer Waffen zusammenbrechen würden, wollten die USA über Vertragsänderungen verhandeln.
Sind die A BM-Pläne die einzigen in dieser Richtung?
Leider nein. Es heißt, die USA wollten U-Boote bis 1985 mit Marschflugkörpern ausrüsten, die
Reichweiten bis zu 2600 km aufweisen, obwohl im SALT-2-Vertrag nur solche bis 600 km erlaubt wären. Nun haben die USA Sait 2 zwar nur unterschrieben und nicht ratifiziert, aber dennoch haben sich bisher beide Seiten stillschweigend an den Inhalt gehalten.
Was hat Reagan noch vor?
Die raschere Verwirklichung des Atom-Unterseebootprogramms vom Typ Trident (Stückkosten 1,2 Milliarden Dollar) und den Bau eines neuen strategischen Bombers, dessen Produktion Präsident Carter 1977 mit der Begründung abgeblasen hat, nun stünden den USA die viel brauchbareren Marschflugkörper (unbemannte Lenkraketen) zur Verfügung. Und dazu neue Flugzeugträger, neue Transportflugzeuge, neue Panzer, neue Marineeinheiten .. .
Braucht man denn alles gleichzeitig: den neuen Bomber und Marschflugkörper und die MX-Raketen?
Das eben ist das stärkste Gegenargument der Kritiker: Seinerzeit hat man Atom-U-Boote und strategische Bomber gebaut, um für den Fall einer Ausschaltung der US-Landraketen die Möglichkeit eines Vergeltungsschlags zu wahren. Das gälte noch immer selbst für den Fall einer Zerstörung der US-Landraketen. Aber nun baut man zusätzlich auch noch mehr U-Boot-Raketen und Bomber. Der neue Typ des „Big Bird“ soll eine Kombination des von Carter gestoppten Superbombers B 1 und einer weitgehend radarimmunen Bomberversion („Stealth“ „Heimlichkeit“) sein.
Wird dieses gigantische Aufrüstungsprogramm nicht alle Bemühungen der Regierung Reagan zunichtemachen, die Inflation zu bekämpfen und die Haushaltsdefizite abzubauen?
Das befürchten auch viele Amerikaner. Demgegenüber wird eingewendet, daß ab 1986 der Verteidigungsaufwand bei etwa sieben Prozent des Bruttonationalproduktes liegen werde - wie in den frühen sechziger Jahren.
Sind denn die seit vielen Jahren im Einsatz stehenden B-52-Bomber schon total veraltet?
Durchaus nicht. 316 dieser „Fliegenden Festungen“ fliegen noch immer und werden bis in die neunziger Jahre weiterfliegen. Das ist ja so provokant, daß man in militärischen Dingen auf Jahrzehnte plant, in zivilen oft nur in Gesetzgebungsperioden.
Gibt es auch prinzipielle Einwände gegen die Reagen-Pläne?
Ja. Zum Beispiel den, daß die zunehmende technische Komplizierung diese Geräte zunehmend störungsanfällig macht. 40 Prozent der modernen F-15-Kampfbomber der USA liegen ständig im Reparaturhangar. Dazu kommt die niedrige Moral amerikanischer Truppen etwa in Deutschland, aber auch anderswo: Alkohol und Drogen fordern ihren Tribut. Hier nach dem rechten zu sehen, wäre ungleich billiger und mindestens
ebenso notwendig wie neue Superraketen.
Also sind Reagan & Co. wahnsinnig geworden und Steuern unaufhaltsam auf ein kriegerisches Abenteuer zu?
Dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Kein vernünftiger Mensch in der Welt kann einen apokalyptischen Krieg wünschen. Reagan und sein Verteidigungsminister Weinberger glauben halt, daß nur eine Politik der Festigkeit und möglichst der militärischen Überlegenheit die Sowjets zum Einlenken bewegen kann.
A ber dann kommt die Welt aus dem dauernden Rüstungswettlauf ja nie heraus?
Eben deshalb hält die große Mehrheit auch der Freunde der USA daran fest, daß Gleichgewicht und nicht Übergewicht angestrebt werden sollte und Gleichgewicht nicht auf ständig höheren Rüstungsebenen, sondern auf schrittweise sinkenden.
Besteht Hoffnung, daß man die Regierung Reagan für eine solche Politik gewinnen kann?
Ja. Nicht nur Außenminister Haig ist immer wieder um Berücksichtigung der Überlegungen der Verbündeten bemüht. Auch der in militärischen Fragen als „Falke“ bekannte künftige amerikanische SALT-Unter- händler Edward Rowny hat am 9. Juli erklärt, Ziel der nächstjährigen, SALT-Runde sollten „gleich hohe Limits ... auf einem erheblich niedrigeren Niveau als dem im Salt-2-Vertrag vorgesehenen sein“.
Dieser Satz ist ebenso eine Hoffnung wie das jüngste Angebot Reagans, sich mit Breschnew zu einem Abrüstungsgipfel zu treffen. Kein vernünftiger Mensch kann an einer Fortsetzung des Aufrüstungswahnsinns interessiert sein.
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