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Großes Aufräumen?

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In Beirut erhielt die aus 12.000 Freiwilligen bestehende libanesische Berufsarmee von Staatspräsident Suleiman Franschiej und Premierminister Sa'eb Salam umfangreiche Vollmachten für den Schute der staatlichen Souveränität und territorialen Integrität des Levantestaates. Vorausgegangen waren Kabinetts- und Parlamentssitzungen hinter verschlossenen Türen und geheime Kontakte der Armeeführung mit dem früheren Oberbefehlshaber und ehemaligen Staatschef General Emir Fuad Chehab. Dieser lebt zwar seit mehreren Jahren im Ruhestand, gilt aber noch immer als der „starke Mann“ des Libanon.

Wie die Regierung amtlich bekanntgab, richtete sie nach dem kürzlichen israelischen Einfall weitere Hilferufe an den UN-Weltsicherheitsrat und die Kairoer Araberliga. Außerdem habe sie Kontakt aufgenommen mit der syrischen Regierung.

In Wirklichkeit richtet sich diese Aktivität, wie die hier nicht direkt zensierte Presse freimütig zugibt, jedoch nicht in erster Linie gegen den Nachbarn im Süden. Die Libanesen nehmen die Warnung Jerusalems, es werde zu schärferen Gegenmaßnahmen greifen, falls Beirut den Guerillaterror nicht unverzüglich unterbinde, außerordentlich ernst und rechnen sogar mit einer zeit-. weiligen Besetzung des Südens durch die „Zachal“. Die Libanon-Armee scheint sich daher darauf vorzubereiten, den bislang demilitarisierten und den Terroristen überlassenen Süden in einer Zangenbewegung schlagartig zu besetzen, die Grenze zu Israel hermetisch abzuriegeln und die Guerillastützpunkte anschließend zu liquidieren. Aussicht auf Erfolg hätte eine solche Strategie allerdings nur, wenn sich die Syrer an ihr beteiligten und den „Fedaijjin“ das Überschreiten ihrer Grenze von und nach dem Libanon unmöglich machten. Darüber scheint es jedoch zwischen den Regierungen in Beirut und Damaskus zu einer gewissen Einigung gekommen zu sein.

In Militärkreisen betonte man, die Streitkräfte fühlten sich durchaus stark genug, um mit einer Handvoll Terroristen fertigzuwerden. Bisher hätten nur politische Rücksichten die unvermeidliche Kraftprobe verhindert. Die Armeeführung scheint den Erfolg ihrer bevorstehenden Säuberungsaktionen jedoch von weitergehenden politischen Forderungen abhängig zu machen. Die Offiziere argumentieren, es sei wenig sinnvoll, mit den aktiven Guerilleros im Grenzgebiet aufzuräumen, die Operations- und Propagandazentren der staatsfeindlichen Palästinensergruppen in der Hauptstadt aber unangetastet zu lassen. Bisher können Palästinenser praktisch ungehindert ein- und ausreisen und benutzen für ihre Terroranschläge im Ausland häufig sogar gültige libanesische Pässe. Die Tätigkeit der „Hauptquartiere“ der verschiedenen Gruppen in Beirut unterliegt keinerlei Beschränkungen. Ob sich die auf panarabische Solidarität und Annäherung an den Ostblock erpichte Regierung allerdings entschließen kann, diesen Zustand zu ändern, wird in diplomatischen Kreisen bezweifelt. Für diesen Fall sei jedoch früher oder später mit einem Konflikt zwischen Regierung und Lin..sgruppen auf der einen und Armee und prowestlichen Parteien auf der anderen Seite zu rechnen.

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