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Großzügiger Steuermann

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Mit etwas breiterer Basis versucht Italiens neuer Regierungschef Arnoldo Forlani sein Glück. Zum ersten Mal hat die Democrazia Cristiana ihren Koalitionspartnern genau die Hälfte der 26 Ministersessel zu überlassen.

Solche Großzügigkeit ließ sich schwer vermeiden, wenn man der Sozialdemokratischen Partei (die mit knapp fünf Prozent in Italien nur halb so viele Wähler hat wie die Sozialistische Partei) ihre Wiederannäherung an die Sozialisten und damit den Eintritt in die Regierung erleichtern wollte. Zusammen mit dem noch kleineren republikanischen Partner stützen nun also drei Linksparteien das Kabinett.

Neu ist auch, daß sich die beiden Parteiflügel der Democrazia Cristiana ( angenähert haben, also parlamentarische „Heckenschützen" aus den eigenen Reihen weniger wahrscheinlich geworden sind. Andreotti, Schlüsselfigur für kalkulierte Kompromisse mit den Kommunisten, kann mit der Beförderung zum Parteipräsidenten rechnen.

Mit dem 54jährigen Forlani selbst ist ein Mann ans Steuer gekommen, der zwar zum „rechten" Flügel der DC zählt, aber beim Parteikongreß im Frühjahr davor gewarnt hatte, zu den Kommunisten „niemals" zu sagen; die Evolution der italienischen KP sei im Interesse aller Demokraten zu fördern, selbst wenn dies manchen Politikern im Westen, die auf ein vereinfachtes Gut-Böse-Schema nicht verzichten wollten, unerwünscht sei.

In seiner Regierungserklärung versicherte Forlani jetzt den Kommunisten

„Respekt und Bereitschaft zum Dialog".

Läßt dies alles größere Nachsicht der kommunistischen Opposition erwarten? Einiges spricht dafür, anderes für das Gegenteil, nämlich für eine weitere Verkrampfung bei den Kommunisten. Der Ausgang des Fiat-Konflikts hat ihnen und nicht nur den Gewerkschaften einen Schock versetzt.

35 Tage lang hatte die Partei den Arbeitskampf in der Hoffnung angeheizt, sie könne durch jahrelange Kompromisse verlorenes Terrain wiedergewinnen. Dann mußte sie erleben, daß 40.000 Arbeiter gegen solche Radikalisierung demonstrierten.

Bei den Kommunisten begann inzwischen die Abrechnung, der sich auch Berlinguer nicht entziehen kann. „Die Blockierung der Fabriktore und die unbegrenzten Strefks waren Ausdruck von Schwäche, nicht von Stärke", schrieb das Parteiorgan „Unita".

Solche Selbstkritik macht die Kommunisten jedoch nicht selbstsicherer, wie sich bereits in der zwiespältigen Antwort Berlinguers auf die Regierungserklärung zeigte: Einerseits zögerte er nicht, Forlani einen gewissen Vertrauensvorschuß einzuräumen, andererseits aber attackierte er dessen sozialistischen Koalitionspartner.

Er warf dem sozialistischen Parteichef Bettino Craxi vor, nur persönliche Machtpositionen gewinnen zu wollen, sich nicht um Zustimmung bei den Massen und um kein Reformprogramm zu kümmern.

Berlinguer wörtlich: „Damit riskiert

die Sozialistische Partei immer mehr, jenen Charakter zu verlieren, der sie zu einer wesentlichen Komponente der italienischen Arbeiterbewegung gemacht hat" - für sozialistische Ohren ein ungeheurer Vorwurf.

Doch Craxi ist in der Tat nicht der sichere Kandidat, als der er sich gebärdet. Der Stil, in dem er am 3. Oktober die Linke in seiner Partei ausmanövrierte, als er zum Schein zurücktrat, um sich eine neue „rechte" Mehrheit zu verschaffen, riß alte Wunden auf.

Claudio Signorile, bis dahin Craxis engster Verbündeter und Mitarbeiter in der Parteiführung, sagte jetzt in einem „Europeo"-Interview unverblümt:

„Craxi bewegt sich, ohne auch nur im geringsten die Verwurzelung der Partei im Volk in Rechnung zu stellen: Für ihn ist es wesentlich, in die Regierung zu kommen und Macht auszuüben ..; Et begeht den gleichen Fehler wie einst Pietro Nenni, der sich verhielt, als hätten wir 51 Prozent der Stimmen ... Er liefert so Berlinguer den besten Vorwand, um die strategische Un-beweglichkeit der Kommunisten zu verewigen."

Eben diese aufzulockern, gehört aber zu den Voraussetzungen einer Langlebigkeit der Regierung Forlani. Zumal wenn sich in den nächsten Monaten die Wirtschaftskrise verschärft und Forlani sich gezwungen sähe, auf galoppierende Inflation und Staatsverschuldung mit Lira-Abwertung zu antworten, ohne zugleich ein langfristiges Programm sozialer und politischer Strukturreformen vorlegen zu können.

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