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Groteske Barrikaden

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Ein Offizier plädiert für einen Friedensschluß zwischen scheinbar gegnerischen Friedensstreitern

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Ein Offizier plädiert für einen Friedensschluß zwischen scheinbar gegnerischen Friedensstreitern

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Es ist jetzt etwa drei, vier Jahre her; da saßen in einem Seminarraum der Wiener Landesverteidigungsakademie ein Wochenende lang einige Leute beisammen, die einander sehr aufmerksam und zum Teil gewiß (zumindest anfangs) mit Argwohn beobachteten:

Einige Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft katholischer Soldaten (AKS) und Vertreter der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Jugend (AKJ) hatten sich, angesichts der innerhalb des katholischen Lagers immer deutlicher werdenden Verhärtungen einander anscheinend (oder doch nur scheinbar?) diametral entgegengesetzter Standpunkte zu Fragen der Friedenserhaltung, des verbindenden „K" besonnen und ein gemeinsames „lautes Nachdenken" darüber vereinbart.

Was soll diese Erinnerung heute? Nun, mit der damaligen Begegnung wurde doch eine Tür zu weiteren Gesprächen aufgemacht. Wer immer sich dabei engagierte, exponierte sich natürlich auch — zumindest aus der Sicht des eigenen „Lagers". An warnenden Stimmen herrschte (und herrscht!) kein Mangel; das betrifft sowohl die Etikettierung der jeweils „eigenen" Leute als bestenfalls „nützliche Idioten" als auch die Verdächtigung jener von der anderen Seite, besonders geschickt agierende Unterwanderer, Aufweichler zu sein.

Dabei ist doch der tiefe und echte Bezug zum Frieden letztlich der innerste Kern des Selbstverständnisses des österreichischen Soldaten von heute. Schon deshalb ist ein grundsätzlicher Vorbehalt gegen Menschen, die sich ihrerseits auf einen zentralen Bezug zum Frieden berufen, eigentlich nicht recht verständlich. Der Streit um Definitionen ist zwar naheliegend: Doch wer kennt schon die wirklich befriedigende und unumstrittene Definition für „Frieden"?

Um Definitionen kommt man sicher nicht herum, sie können aber manchmal auch allzusehr das Augenmerk auf Trennlinien legen und damit vielleicht da und dort den Blick auf gemeinsame Grundlinien verstellen.

Anderseits: „Gewaltlosigkeit ist Zielgebot, nicht Tatgebot. Wer diese teleologische (zielbezogene) Dimension jeder christlichen Ethik übergeht und deontologisch das je noch ausstehende Ziel zur absoluten, schon jetzt geltenden Norm macht, wird aller Regel nach bald alle möglichen Ausnahmeregelungen einführen müssen oder in seinem deontologischen, also aus reinem Sollen verpflichtenden Rigorismus neuer Unmenschlichkeit die Tür öffnen" (Franz Furger in den „Wiener Blättern zur Friedensforschung", Heft 22/23). Damit ist man mittendrin im Spannungsfeld zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik (Max Weber).

Wenn man mit Gustav Heinemann der Ansicht ist, daß es „kein Widerspruch (ist), das Gute zu wollen und dem Bösen zu wehren,wie es auch kein Widerspruch ist, Freundschaft zu suchen und sich vor Feindschaft zu schützen" (Abschiedsrede vor Soldaten; 1974), dann zeichnet sich zunächst einmal an Stelle der konfrontativen eine komplementäre Sicht ab. Billige Kompromißlerei? Diesen Vorwurf wird man aushalten müssen. Und dennoch: So ganz befriedigt auch die komplementäre Sicht noch nicht.

Dem Christen (auch und gerade als Soldat) muß stets bewußt sein, daß er an dem „biblischen Zielideal möglichster Gewaltlosigkeit" (Furger) nicht nur nicht vorbeikommt, sondern ihm nach bestem Gewissen und mit allen seinen Kräften zu dienen hat.

Das heißt aber auch, sich des Bildes der sogenannten „Räuberleiter" erinnern, die man als Bub einem anderen gemacht hat, um diesem über eine Mauer zu helfen; sich der eigenen, im Sinne der eigentlichen Zielsetzung „Frieden quot;zwangsläufigen, Relativierung bewußt sein; die Hoffnung auf zunehmende Relativierung teilen, nicht als Zumutung empfinden. Das ist sicher nicht leicht, aber was wäre denn die Alternative?

Wäre es dann nicht nur logisch, gemeinsam nach weiteren Ansätzen zu suchen? Die Militärs könnten etwa ihre langjährigen Planspiel-Erfahrungen einbringen, hätten naturgemäß die Funktion der Mahner mit Blick auf den Realitätsbezug sicherzustellen, all dies aber im Sinne einer gemeinsamen Anstrengung, doch vielleicht wieder einen auch noch so winzigen Schritt Richtung Frieden zu finden.

Also: Die an sich geradezu grotesken Barrikaden zwischen Menschen, die eigentlich im Prinzip das gleiche Ziel „Frieden" (trotz aller Definitionsunterschiede) anstreben, sollten zumindest in Frage gestellt werden. Ja, es muß sogar möglich sein, mit neuen, ganz ungewohnten Koalitionen zu beginnen, wie es sich bei Einzelpersonen seit einiger Zeit schon durchaus abzuzeichnen beginnt.

Dabei darf sicher nichts überstürzt werden und auch die Optik muß berücksichtigt bleiben. So ist die Zeit gewiß noch nicht (ganz) reif für eine Teilnahme von Soldaten etwa bei Friedensdemonstrationen. Zu groß ist noch die Sorge, manipuliert zu werden; zu groß das Risiko, daß solche Soldaten dann in eine interne Isolierung geraten könnten, was sicher nicht der Sache des Friedens dienlich wäre. Aber als Anlaß zum Uberdenken des skizzierten nächsten Schrittes könnte auch der kommende 15. Mai durchaus dienen.

An Reaktionen wird man sehen, ob die Zeit wirklich schon reif ist für diesen nächsten Schritt.

Oberst Danzmayr ist Kommandant der 9. Panzergrenadierbrigade des Bundesheeres

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