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Grün als Zerreißprobe

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Steirische Landtagswahl: 20 Prozent der sozialistischen Stimmen gehen in Graz verloren - vor allem an die Grünen. Und das trotz grüner Politik des sozialistischen Bürgermeisters Alfred Stingl! Wird Grünfärbung von Großparteien nicht honoriert? Wie grün sind ÖVP und SPÖ eigentlich? Was haben die Grünen mehr zu bieten als die Großparteien?

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Steirische Landtagswahl: 20 Prozent der sozialistischen Stimmen gehen in Graz verloren - vor allem an die Grünen. Und das trotz grüner Politik des sozialistischen Bürgermeisters Alfred Stingl! Wird Grünfärbung von Großparteien nicht honoriert? Wie grün sind ÖVP und SPÖ eigentlich? Was haben die Grünen mehr zu bieten als die Großparteien?

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Steirische Landtagswahl: 20 Prozent der sozialistischen Stimmen gehen in Graz verloren - vor allem an die Grünen. Und das trotz grüner Politik des sozialistischen Bürgermeisters Alfred Stingl! Wird Grünfärbung von Großparteien nicht honoriert? Wie grün sind ÖVP und SPÖ eigentlich? Was haben die Grünen mehr zu bieten als die Großparteien? Christliches Menschenbild, Freiheit, Gleichheit, Leistung, Partnerschaft und Partizipation, Subsidiarität und Solidarität sind im Selbstverständnis der ÖVP die besten Voraussetzungen für Demokratie- und Umweltpolitik.

Das Salzburger Programm (1972) geht von der konservativen Einsicht aus, daß die mit der Wohlstandsgesellschaft verbundenen Belastungen der Natur und der natürlichen Grenzen des Wachstums eine andere Politik

erfordern als die Strategie des „more of the same“ (mehr vom Bisherigen) und „bigger is better“ (größer ist auch besser)...

„Es muß sichergestellt werden, daß sich der Gesamthaushalt der Natur auch in Zukunft selbst regulieren kann. Die Unterordnung der Produktionstechnik unter die Gesetze der Biosphäre ist ein Problem, das nur im engsten Einvernehmen zwischen Politik, Wissenschaft und Wirtschaft durch internationale Zusammenarbeit gelöst werden kann.“ (4.8.2)

Besonderer Wert wird auf die Umweltvorsorge gelegt (4.8.3) und postuliert: „Der Mensch hat Anspruch auf eine gesunde und ästhetische Umwelt. Natur- und Stadtbildschutz, Bau-, Stadt- und Raumplanung müssen darauf Bedacht nehmen, daß die Umwelt des Menschen Erholungsraum und „Stätte der Seele' ist.“

Dieses „grüne“ Gedankengut steht in der Kontinuität christlicher und konservativer Vorstellungen ...

Im Zuge der Diskussion über das „Zukunftsmanifest“ der ÖVP zeigte sich, daß in dieser Partei eine radikale und konsequente Linie in der Grün- und Demokratiepolitik nur schwer durchsetzbar ist In den traditionellen Organisa-tions-, Entscheidungs- und Verhaltensmustern der Partei stekken auch herkömmliche Interessen. Neue Interessen sind mehr personell als strukturell vertreten.

Verfolgt man die Textstufen in der Entstehung des Zukunftsma-nifests, so könnte die erste Fassung die Formulierung einer Grünpartei sein...

Am 5. Juni 1985 beschloß die Bundesparteileitung der ÖVP das „Zukunftsmanifest“. Es hatte den Weg vom „neuen alternativen Lebensgefühl“ zur „neuen Freiheit“ zurückgelegt und mit der Renaissance bürgerlicher Tugenden gerechtfertigt ...

Die ÖVP präsentiert sich im Manifest als eine Partei, die der Marktwirtschaft auch im Hinblick auf Umweltprobleme vertraut und überzeugt davon ist, daß mit mehr und besserer Wissenschaft und Technik Umwelt-und Wirtschaftsprobleme zugleich gelöst werden können...

Umweltschutz wird ein Vorrangziel zukunftsbezogener Politik genannt, er sei die soziale Frage unserer Zeit. Umweltreparatur sei zuwenig, die Erarbeitung eines umfassenden Umweltschutzkonzeptes werde unerläßlich...

Das am 21. Februar 1986 vorgelegte Wirtschaftsprogramm der ÖVP „Mehr Chancen, mehr Fair-ness“ enthält einen eigenen Abschnitt „Umweltpolitik ist Wirtschaftspolitik“. Darin werden Wege zur ökologischen Marktwirtschaft und Klarheit in der Energiepolitik gefordert, Umweltbelastung und Arbeitslosigkeit als zentrale Probleme bezeichnet ...

Konkrete Vorschläge betreffen den Weg zur ökologischen Marktwirtschaft: Die Festlegung eines ökologischen Prioritätenkatalo-ges, die Hebung der Umweltausgaben von 1,5 bis zwei Prozent des Bruttonationalprodukts auf vier, die „Qualifizierung“ des Wachstums, der Einsatz marktwirtschaftlicher Anreizsysteme, die Vermeidung bürokratischer Maßnahmen, kurzfristig die gezielte Subvention, langfristig eine Umweltprognose analog zur „Global 2000“ mit effektiven Rahmenrichtlinien der öffentlichen Hand...

Der ÖVP ist klar, daß sie aus ideologischen und sachbezogenen, aber auch im Dienste ihrer Anhängerschaft und aus wahlbezogenen Gründen zu grünen und alternativen Bedürfnissen Stellung zu nehmen und deren Erfül-. lung einen erkennbaren Stellenwert zu geben hat.. .

So klar dies im Ablauf der Zeit und im jeweiligen Text sein mag, insgesamt machen Programmatik und Politik einen unkoordinier-ten und zum Teil widersprüchlichen Eindruck...

Bis jetzt ist es der ÖVP praktisch gelungen, Spannungen, Strömungen sowie unterschiedliche Entwicklungen und damit traditionelle und neue Politikinhalte „auszuhalten“. Allerdings geht dies auf Kosten verbindlicher Konkretheit und des Bildes der Einheit und Geschlossenheit. Aber die ÖVP will ja eine offene Partei sein ...

Der Autor ist Professor für Rechtswissenschaften an der Universität für Bodenkultur in Wien und Stadtrat in Wien.

Die Beiträge von Pelinka und Welan sind Auszüge aus Heft 9/1986 der „Sozialwissenschaftlichen Schriftenreihe*'

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