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Grün wie die Indianer

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Der Vorwurf, die Amerikaner zei­gen das geringste Umweltbewußt­sein unter den führenden Industrie­nationen - immer wieder und nicht unberechtigt erhoben -, wird bald nicht mehr zu halten sein. Zwar sind* die Amerikaner noch immer nicht so besorgt und alarmiert wie es die Bevölkerung in manchen eu­ropäischen Ländern ist, aber dafür zeichnet sich im Denken der Politi­ker eine geradezu dramatische Wende ab: Washington entdeckt die Farbe Grün.

Daß dabei Republikaner und Demokraten sogar gemeinsam an einem Strang ziehen oder versu-chen, einander zu übertreffen, hat einen einfachen Grund: Man will einer Wiederholung europäischer, vor allem westdeutscher Verhält­nisse - nämlich Formierung einer Umweltbewegung und Gründung einer politischen Grün-Partei -zuvorkommen beziehungsweise eine solche verhindern.

Charles Wilson beispielsweise, demokratischer Abgeordneter im Repräsentantenhaus und Texaner, gilt als erzkonservativ. Er hatte in der Vergangenheit für die Umwelt­problematik, wie er heute freimü-tig zugibt, nur ein „ablehnendes, mitleidiges Lächeln" übrig, denn er nahm Umweltschädigungen nicht allzu ernst.

Jetzt hat er die Erhaltung der Wälder auf seine Fahnen geschrie­ben und wettert gegen die Holzin­dustrie, die im Osten Texas nach wie vor dem Abholzen von großen Waldflächen huldigt. Ebenso sorgt er sich um den Bestand von Flora und Fauna und warnt bei allen öf­fentlichen Auftritten: „Gott hat nicht gewollt, daß wir seine Schöp­fung Erde verstümmeln oder ihr Unrecht antun."

Damit klingt er schon fast wie ein echter Indianer. Denn bekanntlich waren ja Indianer die ersten wirk­lichen Umweltschützer der Erde: Sie gingen mit deren Ressourcen sehr schonungsvoll um, schössen nur das Wild, das zur Nahrungs­aufnahme unbedingt notwendig war, sie schlugen nach Möglichkeit fürs Lagerfeuer keine Bäume, son­dern schleppten über viele Kilome­ter abgestorbenes Holz herbei; nicht, um Spuren zu verwischen, wie es bei Karl May immer wieder fälschlich heißt, glätteten sie eine Feuerstelle und bestreuten sie mit frischer Erde, sondern „um das Antlitz der Erde, das ein Lagerfeu­er beschädigt, wieder schön zu machen".

So gesehen werden Washington Politiker jetzt plötzlich auch zu Indianern. Äußere Umstände wie etwa die Ölkatastrophe der „Ex­xon Valdez" haben das Umdenken beschleunigt, aber fairerweise muß auch angemerkt werden, daß die USA mit George Bush erstmals einen Präsidenten haben, der sich für Umweltschutz interessiert und auch einsetzt.

Und schon marschiert, so scheint es, ganz Washington unisono: Der Kongreß-Bewilligungsausschuß hat Präsident Bushs Budget für den Umweltschutz von sich aus, bei aller sonst gezeigten Kürzungsbereit­schaft, um 1,6 Milliarden Dollar aufgestockt. Für das Studium der globalen Erwärmung und den damit verbundenen möglichen Folgen ge­nehmigte das Repräsentantenhaus zusätzlich sechs Millionen Dollar, und der Senat stockte den For­schungsetat des Energieministe­riums um 30 Millionen Dollar auf, damit verstärkt nach alternativer Energie gesucht werden kann.

Doch nicht nur Republikaner und Demokraten ziehen in dieser Hin­sicht neuerdings an einem Strang und formieren sich auch auf örtli­cher Basis zu „großen Koalitionen". Auch andere, ansonsten verschie­dene Interessen vertretende Grup­pierungen bilden überraschender­weise Allianzen: Umweltschützer, die auch in den USA als „liberal" oder „links" gelten, haben sich mit den „rechten" Jägern, hinter denen die Sportwaffen-Lobby steht, und den Anglern verbündet. Sie treten im Mittleren Westen und im We­sten der USA für rigorose Maßnah­men zum Schutz der Natur ein.

Das Problem der Nuklearabfälle, das Schicksal der Florida-Schild­kröten, der Regenwald, der Handel mit Elfenbein und Afrikas Elefan­ten - diese Probleme sind in den USA auf einmal politische Anlie­gen mit großer Bedeutung gewor­den. Das Grün in der Politik Wa­shingtons mag noch ein Pflänzchen sein, aber es existiert - und es scheint, als ob es grünt und grünt...

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