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Gründen wir ein Nationalmuseum ?

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Der Bundespräsident plädiert für eine Darstellung unserer Geschichte, Wissenschaftler äußern sich skeptisch. Wieder geht es um die Frage nach der Geburtsstunde einer österreichischen Nation.

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Der Bundespräsident plädiert für eine Darstellung unserer Geschichte, Wissenschaftler äußern sich skeptisch. Wieder geht es um die Frage nach der Geburtsstunde einer österreichischen Nation.

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Vorläufig ist die Gründung eines österreichischen Nationalmuseums nichts weiter als eine Idee. Ein Konzept, so versichert man in der Präsidentschaftskanzlei, gäbe es noch nicht, und der Medienstreit über den Standort des Museums, den bestimmte Gruppierungen keinesfalls auf dem Areal vor der Wiener Albrechtsrampe haben wollen, sei mehr als verfrüht. Nichtsdestoweniger wurde Architekt Gustav Peichl beauftragt, einen Entwurf für ein Nationalmuseum auf dem Platz vor der Albertina zu machen.

„Ich schließe“, hatte nämlich das Staatsoberhaupt anläßlich der Eröffnung des Leopold-Figl-Museums in Rust im Tullner Feld gesagt, „dieser Würdigung des großen Österreichers allerdings eine Überlegung an. Es ist die Überlegung, ob wir genug für die Zukunft unserer Heimat tun, wenn wir nun in Gloggnitz ein Karl-Renner-Museum und in Rust ein Leopold-Figl-Museum errichten, oder ob wir nicht wie die ganz große Mehrheit der Staaten um uns, ja selbst der Staaten außerhalb Europas, daran denken sollten, in der Bundeshauptstadt ein österreichisches Nationalmuseum zu errichten und damit wirklich unsere Geschichte und die Wurzeln unseres Seins bis in unsere jüngste Geschichte anschaulich und begreifbar zu machen.“

Ist der von Kirchschläger aufgegriffene Gedanke, ein Museum zu etablieren, in dem Österreichs Geschichte zurück bis zu den Wurzeln ihres Seins dargestellt wird, wirklich nur ein Traum ohne Chance der Realisierung, wie namentlich Historiker und Museumsdirektoren behaupten? Ist Österreichs Geschichte in der Tat zu kompliziert und der Begriff österreichische Nation museal überhaupt nicht erfaßbar? Was, fragen die Skeptiker, sollte ein österreichisches Nationalmuseum zeigen?

„Konsequenterweise“, erklärt der Historiker Adam Wandrusz-ka, „mit der Ostarrichi-Urkunde. Jener Schenkungsurkunde Kaiser Ottos II. an den Freisinger Bischof vom 1. November 996, in der die im Volksmund bereits übliche Bezeichnung („in regione Vulgaris vocabulo Ostarrichi“) für die Ländereien der Babenberger zwischen Enns- und Aist- beziehungsweise Leitha- und March-Mündung und dem nördlichen Hauptkamm der nördlichen Kalkalpen zum ersten Mal schriftlich verwendet worden ist. Die Ostarrichi-Urkunde aber befindet sich in München. Sie dürfte auch nicht —ohne Schaden zu nehmen—dauernd dem Licht ausgesetzt werden. Was deshalb ausgestellt werden könnte, wäre nichts weiter als ein Faksimile.“

Die Wurzeln Österreichs, das Rudolf IV., der Stifter, 1359 im Privilegium Maius als „Schild und Herz des Heiligen Römischen Reiches“ bezeichnet hat, könnten somit im Original nur durch das älteste in Österreich stehende Objekt veranschaulicht werden: Das Porträt Rudolfs IV., das den Babenberger-Herzog mit der Zak-kenkrone samt Bügel und Kreuz der kaiserlichen Krone darstellt. Allerdings gehört dieses Bild, das als erstes Fürstenporträt Mitteleuropas gilt, der Wiener Erzdiözese und nicht dem Staat.

Verzichtet nolens volens ein Nationalmuseum auch auf dieses Dokument, müßte es auf das nächste Symbol aus Österreichs Vergangenheit zurückgreifen: auf den österreichischen Erzherzogshut- das einzigartige Gegenstück zu den mittelalterlichen Kronen Ungarns und Böhmens. So wie nämlich diese Kronen Sinnbilder der Macht ihrer Landesfürsten, aber auch der ihrer Landespatrone, des heiligen Stephan und des heiligen König Wenzel waren —, so sollte auch der von Erzherzog Maximilian III. dem Stift Klosterneuburg übereignete Erzherzogshut in Beziehung zu einem heiligen und weithin verehrten österreichischen Herrscher stehen: dem heiligen Leopold, dem sich die Habsburger als Nachfolger aufs engste verbunden fühlten.

Nach dem Willen des Stifters sollte allerdings dieser Hut bei Androhung schwerster Strafen für immer in Klosterneuburg verbleiben und lediglich zu den Erbhuldigungen entliehen werden.

Was von der Demonstration der Kronen Österreichs übrigbliebe, wäre demnach die Krone Rudolfs II., die als private Hauskrone stellvertretend für die seit 1424 in Nürnberg aufbewahrt gewesene Reichskrone verwendet worden ist, und als Krone der Habsburger-Monarchie galt, nachdem Kaiser Franz II. am 11. August 1804 die Gründung des Erbkaisertums proklamiert hatte. Trotzdem ist mit der 1602 geschaffenen Krone kein Herrscher mehr gekrönt worden. Sie wird, ebenso wie die im Jahre 1800 von Nürnberg wieder nach Wien zurückgekehrte Reichskrone aus dem zehnten Jahrhundert, zusammen mit den Insignien und Kleinodien des Heiligen Römischen Reiches in der Schatzkammer (derzeit vorübergehend im Kunsthistorischen Museum) verwahrt.

„Cui bono - Wem nützt es?“ fragt deshalb Hermann Fillitz, Erster Direktor des Kunsthistorischen Museums, und fügt hinzu, daß er es für weit dringlicher halte, statt eines weiteren Museums das Projekt Messepalast zu realisieren und den bereits existierenden Museen so viel Geld zu geben, um wenigstens die notwendigen Restaurierungen und Renovierungen an Gebäuden und Objekten durchführen zu können. Im weiteren meint er übereinstimmend mit Adam Wandruszka, jede Präsentation der österreichischen Erblande, ja selbst der Donaumonarchie, ginge entweder auf Kosten historisch einheitlich gewachsener Sammlungen oder der Qualität eines neuen Museums, weil sich dieses dann mit Kopien, Faksimiles und Fotos begnügen müßte.

Vorstellbar sei mit Vorbehalt ein Museum der Ersten und Zweiten Republik. Zeitgeschichtler fürchten allerdings die Gefahr einseitiger Parteipolitik und ein Erwachen alter Ressentiments aus der Ersten Republik. Nicht zuletzt aber bliebe auch die Frage offen, was mit bereits bestehenden Gedenkstätten für verdiente Österreicher wie Figl und Renner geschehen sollte.

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