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Grünes Licht für neuen Typ

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In der Vorwoche hat das Fachhochschulgesetz den Ministerrat passiert. Wissenschaftsminister Erhard Busek sprach von einem „sensationellen Durchbruch im Schulwesen”. Nach der parlamentarischen Behandlung soll dann dieses Gesetz am 1. Oktober in Kraft treten.

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In der Vorwoche hat das Fachhochschulgesetz den Ministerrat passiert. Wissenschaftsminister Erhard Busek sprach von einem „sensationellen Durchbruch im Schulwesen”. Nach der parlamentarischen Behandlung soll dann dieses Gesetz am 1. Oktober in Kraft treten.

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Jahrelange Vorbereitungen und Dis-kussionen (FURCHE-Dossier 46/ 1992) haben damit ihre konkrete Fassung gefunden. Die Hoffnung, daß die erste österreichische Fachhochschule den Studienbetrieb endlich im kommenden Herbst aufnehmen können wird, dürfte sich allerdings kaum erfüllen; dafür ist die Zeit wohl zu knapp geworden. Nach der Verabschiedung des Gesetzes im Parlament ist nämlich erst noch der Fachhochschulrat zu bilden, was zweifellos noch manches Tauziehen zwischen den politischen Parteien und sonstigen Interessenten bringen wird. Dieses Gremium, das vor allem für die Genehmigung der jeweiligen Studienpläne zuständig sein wird, soll aus sechzehn ehrenamtlich tätigen Fachleuten, darunter mindestens vier Frauen, bestehen. Es hat eine Art Pufferfunktion zwischen den einzelnen Fachhochschulen (FHS) und der Regierungsebene, also dem Wissenschaftsministerium (beziehungsweise dem mit eingeschalteten Unterrichtsministerium). Somit dürfte der offizielle Studienbetrieb erst ab dem Wintersemester 1994/95 zu erwarten sein.

Fachhochschulen sollen im Gegensatz zu den Universitäten eindeutig auf die Berufspraxis hinorientiert sein, aber auf wissenschaftlicher Basis. Sie sollen keine Universitäten zweiter Klasse sein, sondern eine Alternative im Bereich der akademischen Bildung. Der Zugang zur FHS wird aufgrund der Reifeprüfung an einer allgemeinbildenden oder berufsbildenden höheren Schule möglich sein oder im Wege einer Aufnahmsprüfung, wobei eine entsprechende schulische Vorbildung (etwa HTL) oder eine Berufspraxis angerechnet werden kann. Die Studiendauer soll mindestens drei Jahre betragen. Absolventen einer Fachhochschule wird ein anschließendes Doktoratsstudium an einer Universität leicht gemacht werden.

Experten bezeichnen die FHS als Hochschulen der modernen Industriegesellschaft. Vor allem aus den Unternehmen kommt seit langem die Forderung, daß Absolventen eines akademischen Studiums mehr auf die Erfordernisse der Wirtschaft hin ausgebildet sein sollten. Dieser Mangel ist besonders in den Bereichen der Technik und vieler Wirtschaftssparten fühlbar. Dort werden also zunächst die Schwerpunkte der fachlichen Ausrichtung liegen. In Aussicht genommen sind aber auch Verwaltung, Gesundheitswesen - für Krankenpflege etwa gibt es bei uns überhaupt noch keine Einrichtung höherer Bildung! - sowie Öffentlichkeitsarbeit und Rechtspflege.

Neben dem wirtschaftlichen Aspekt ist auch die Anpassung an die EG-Richtlinien ein Grund für die Schaffung von Fachhochschulen. Die Absolventen unserer HTL werden nämlich im Gemeinsamen Markt nicht als Ingenieure anerkannt. Eine Konformität der Diplome ist aber bei der Teilnahme am europäischen Binnenmarkt unerläßlich.

Als Studienversuch läuft am Technikum in Dornbirn schon seit Herbst 1992 ein Projekt für Fertigungsautomatisierung, das von der TU-Graz konzipiert wurde. Träger des gemeinnützigen Fachhochschulvereins sind der Bund, das Land Vorarlberg sowie die Sozialpartner. Die technische Fachrichtung wurde gewählt, weil im Ländle, wo früher die Textil- und Bekleidungsindustrie dominierte, die Metall- und Elektroindustrie sowie der Maschinenbau stark zugenommen haben. Der laufende Studienversuch soll zu einer echten Fachhochschule werden, sobald die bupdesgesetzli-chen Voraussetzungen gegeben sind.

Ebenfalls auf Fertigungsautomatisierung ausgerichtet ist das Projekt einer Fachhochschule in Oberösterreich, und zwar in Wels. Dort wollte man schon im kommenden Herbst mit dem Studienbetrieb beginnen, verweist aber auf das noch fehlende Bundesgesetz. Ein weiteres Vorhaben in Graz scheint zunächst ins Stocken geraten zu sein; die Finanzierungsfrage ist noch völlig ungeklärt, vor allem der Beitrag des Landes, wobei offenbar politische Auffassungsunterschiede mitspielen. Insgesamt haben schon vierzig Standorte ihren Wunsch nach einer Fachhochschule bekundet-eine zweifellos nicht annähernd realisierbare Zahl.

Die Finanzierung der Fachhochschulen soll nicht, wie bei den höheren Schulen und den Universitäten, allein beim Bund liegen, sondern vorwiegend vom jeweiligen Bundesland, der Gemeinde und den sonstigen Interessenten, vielleicht auch von der Privatwirtschaft getragen werden. Der Bund wird seinen Anteil voraussichtlich in der Bezahlung einer bestimmten Anzahl von Studienplätzen beitragen. Fachleute betonen, daß die wissenschaftsbezogene Ausbildung an Fachhochschulen erheblich weniger kostet als an den Universitäten.

Theoretisch können auch an bestehenden Universitäten Fachhochschullehrgänge abgehalten werden, doch steht diese Möglichkeit derzeit bei uns nicht im Vordergrund. Im Ausland zeigt sich mitunter ein Konkurrenzverhältnis zwischen beiden Hochschularten.

Vorrang für die Praxisnähe

Der Präsident des deutschen Wissenschaftsrates, Dieter Simon, kritisierte vor kurzem bei einem Vortrag in Wien, daß die Hochschulen nach wie vor eine Gliederung nach antiken Disziplinen aufweisen, nicht aber mit den großen Problemfeldern der modernen Industriegesellschaft, von Gesundheit über Verkehr zur Umwelt, verknüpft sind. Die Universität ist eben, auch wenn in letzter Zeit da und dort eine Tendenz zu mehr Berufsnähe erkennbar ist, nach ihrem bisherigen Verständnis der Erkenntnislehre und der Grundlagenforschung verpflichtet. Deshalb, so der Präsident des österreichischen Akademikerbundes, Universitätsprofessor Christian Brünner (Graz), sind die Fachhochschulen zur Vermittlung praktischer, berufsspezifischer Fähigkeiten, einschließlich der Persönlichkeitsentwicklung und des Erwerbs sozialer Kompetenz, und zwar auf wissenschaftlicher Grundlage, heute und für die Zukunft notwendig.

Die Gründung von Fachhochschulen kann auch dazu beitragen, die hohe Rate von Studienabbrechern an unseren Universitäten zu verringern. Sie ist aber nicht der Anlaß dazu.

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