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Grünfläche statt Kulturheim

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Die jüngste Erklärung der jugoslawischen Regierung, Österreich habe noch keine die slowenische und die kroatische Minderheit betreffende Verpflichtung aus dem Staatsvertrag folgerichtig erfüllt, Österreich dulde die Belebung des Nazismus und des großdeutschen Chauvinismus, besonders in Kärnten, und die gegen Österreich entfesselte Kampagne der jugoslawischen Presse die kroatische Parteizeitung „Vjesnik“ (Zagreb) stellte in diesem Zusammenhang sogar die Souveränität Österreichs in Frage — hätten sich, zumindest was die Schärfe anlangt, wahrscheinlich vermeiden lassen, wäre es in den ersten Maitagen in Unterkärnten nicht wiederholt zu deutschnationalen oder besser gesagt: zu lokalnationalen Demonstrationen gekommen.

Im Bezirk Völkermarkt wurden an den Häusern zahlreicher Slowenen, auch ehemaliger Gestapo- und KZ-Häftlinge, Beschriftunigen wie „Tod den Slowenen“ angebracht. In Eisenkappel wurde der Vorsitzende des slowenischen Kulturvereins „Zarja“ überfallen und schwer verletzt. Dabei wurde er als „Bandit“ beschimpft und aufgefordert, „zurück nach Jugoslawien zu verschwinden“.

Die Tatsache, daß die österreichischen Massenmedien kaum oder überhaupt nicht über die besagten Ereignisse berichteten und daß eine Distanzierung davon seitens der offiziellen Stellen nicht bekannt wurde, dürfte, so ist zu vermuten, maßgebend für die ungewöhnliche Schärfe der Belgrader Erklärung gewesen sein, die dann in den jugoslawischen Massenmedien zu einer Hetzkampagne solchen Umfangs aufgebauscht wurde, daß Bundeskanzler Dr. Kreisky sich schließlich zu der Erklärung gezwungen sah, daß in einem derartigen Tonfall noch kein Nachbarland mit Österreich gesprochen habe. Der österreichische Botschafter in Belgrad, Dr. Alexander Otto, wurde nach Wien

zur Konsultation zurückbeordert. Die österreichische Regierung überreichte in Belgrad eine Gegenerklärung, in der Jugoslawien vorgeworfen wird, sich nicht im Geist der Entspannung zu verhalten.

Neu an den jüngsten Mißstimmungen zwischen Belgrad und Wien ist, daß nunmehr die Erklärungen nicht allein zwischen den Botschaftern ausgetauscht, sondern auch allen in den betreffenden Hauptstädten akkreditierten- Botschaftern und den Vertretern der UNO-Mitglied-staaten übergeben wurden.

In einer derart gespannten Atmosphäre überreichten am Vorabend der Feierlichkeiten zum 20jährigen

Jubiläum! des Staatsvertrags die Vertreter -der Kärntner Slowenen, wie verabredet, das Memorandum mit ihren Vorschlägen zur Lösung der Minderheitenfrage, das im großen und ganzen das gleiche enthält wie ihre ohne Antwort gebliebene Denkschrift aus dem Jahre 1955.

Neu sind im jüngsten Memorandum jedoch einzelne Anpassungen an die heutige Situation. So wurde das Verlangen nach zweisprachigen Schulen in Unterkärnten, wie sie von 1945 bis 1957 bestanden, nicht mehr erhoben. Ferner werden für das zweisprachige Gebiet nicht mehr slowenische Sprachkenntnisse sämtlicher Beamten und Angestellten gefordert. Hingegen wird ein Terminkalender für die Lösung der Minderheitenfragen vorgeschlagen, wird das Verlangen nach einer globalen

Lösung der offenen Fragen aufgestellt, wird weiters das Verlangen nach slowenischen Radio- und Fernsehprogrammen (die gegenwärtige slowenische Sendung in Radio Klagenfurt dauert eine Stunde täglich), das Verlangen nach eigenen slowenischen mittleren oder höheren berufsbildenden Schulen und nach Unterstützung bei der Errichtung des slowenischen Kulturheimes in Klagenfurt erhoben. •-•Das Memorandum erinnert zur Gänze an das italienische Modell für die Lösung der Minderheitenfragen in Südtirol und in Triest. Das italienische Parlament verabschiedete kürzlich ein neues Gesetz für Radio

und Fernsehen, das auch deutsche Programme für Südtirol, französische für das Aostatal und' slowenische für Triest und das Küstenland, wie sie in der Praxis bisher nur zum Teil bestanden, nunmehr gesetzlich vorschreibt.

Die Vertreter der Kärntner Slowenen konnten auf einer anläßlich der Übergabe ihres Memorandums in der Wiener „Concordia“ veranstalteten Pressekonferenz bezüglich eines slowenischen Kulturheims in Klagenfurt nur bekanntgeben, daß das Klagenfurter Rathaus wegen des von slowenischen Organisationen erworbenen und zur Errichtung des slowenischen Kulturheimes bestimmten Baugrunds eiligst den Verbauungsplan der Stadt abänderte, so daß der erworbene Baugrund nunmehr für eine Grünfläche bestimmt ist.

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