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„Grüß Gott“ & „Hell Hitler“

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Februar 1988, 16 Uhr. • „.Grüß Gott -' und .Heil Hitler* - 1938 - Erinnerungen und Gewissenserforschung katholischer Journalisten“ lautet der Titel einer Veranstaltung, die zu diesem Zeitpunkt im Europahaus in Wien-Hütteldorf beginnt.

Einer heute beliebten Spielart von „Vergangenheitsbewältigung“ erteilt Hubert Feichtlbau-er, Vorsitzender des Verbandes katholischer Publizisten Österreichs, der mit der Katholischen Pressekommission und der Katholischen Medienakademie diesen Studientag durchführt, schon in seiner Begrüßung eine klare Absage: „Wir müssen an die eigene Brust klopfen, nicht an die fremde!“

Tatsächlich stehen auch im Verlauf der Tagung nicht das Suchen und Verurteilen von echten und vermeintlichen Schuldigen im Vordergrund, sondern die Fragen: Wie und warum konnte es dazu kommen? Was können wir für heute und morgen daraus lernen?

Zunächst ruft eine audiovisuelle Dokumentation die Tage um den 11. März 1938 in Erinnerung. Dann rollt Maximilian Liebmann, Leiter der Abteilung für Theologiegeschichte und kirchliche Zeitgeschichte der Universität Graz, „Genese und Folgen der März-Erklärungen des österreichischen Episkopats“ auf. Liebmanns These Österreichs Bischöfe seien bei der Unterzeichnung ihrer „Feierlichen Erklärung“ vom 18. März 1938 - sie enthält Anerkennung für die politischen Leistungen der Nationalsozialisten, bischöfliche Segenswünsche und den Aufruf zu einem „Ja“ bei der Volksabstimmung — „überrumpelt“ worden.

Sicher ahnten die Bischöfe nicht, daß ihre Erklärung samt Vorwort und Begleitbrief von Kardinal Theodor Innitzer (mit dem berüchtigten handgeschriebenen „Heil Hitler“) von Lübeck bis Radkersburg als Wahlschlager plakatiert werden würde, aber der krasse Gegensatz zu früheren Äußerungen, etwa einem Hirtenbrief des Linzer Bischofs Johannes Maria Gföllner vom Jänner 1933, ist unbegreiflich.

„Heldentaten haben wir Bischöfe keine vollzogen, unterstehen der Kritik weitester Kreise in ungünstigster Weise“, schrieb der Salzburger Erzbischof Sigismund Waitz damals in sein Tagebuch. Innitzer wurde nach Rom zititert und dort mit Vorwürfen überschüttet.

Nach Liebmann kommen Zeitzeugen zu Wort. „Wir haben Hitler nicht erkannt und wollten ihn auch nicht erkennen“, resümiert kurz und bündig „Kurier“-Ko-lumnist Martin Maier, 1938 Jungjournalist beim „Prager Tagblatt“. FURCHE-Mitherausgeber Felix Gamillscheg bekennt, damals 16einhalbj ährig NS-Parolen mitgebrüllt zu haben, bis er sich eines Tages erschrocken gefragt habe: „Wie kann ein vernünftiger Mensch sich so mitreißen lassen, daß er schreit, bis er heiser ist?“

Der jüdische Primarius Willy Stern weist auf NS-Greueltaten hin und wie unvorstellbar es heute sei, diese Zeit zu begreifen. Sektionschef Kurt Skalnik rundet das Bild ab. Irgendwo habe man damals dabei sein müssen; er sei, wie viele kritisch Eingestellte, zum Deutschen Roten Kreuz gegangen. sfci

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