7020409-1988_42_16.jpg
Digital In Arbeit

Grund zur Klage

Werbung
Werbung
Werbung

Es stimmt: An Konzepten, Leitlinien und auch an gesetzlichen Grundlagen für die Müllentsorgung mangelt es heute in Österreich nicht mehr. Man wüßte grundsätzlich, was eigentlich geschehen müßte. Aber wie sieht die Sache nun in der Praxis aus? Dazu ein Beispiel.

Auf Anfrage bestätigt Hofrat Werner Kasper, der in Niederösterreich zuständige Beamte, daß die im größten österreichischen Bundesland betriebenen Deponien „einigermaßen den Vorstellungen“ entsprächen. Im großen und ganzen befänden sie sich nicht über verwertbarem Grundwasser. Einzelne lägen noch in deren Randbereichen.

„Das wäre schön“, meint dazu Monika Langthaler vom Wiener Ökologie-Institut und berichtet mir von einem aktuellen Streitobjekt, das gegenwärtig ihr Institut stark beschäftigt.

Es handelt sich um eine Deponie, die an der Grenze zwischen den Gemeinden Sollenau und Leobersdorf im südlichen Wiener Becken projektiert war. Wie üblich, sei die Bevölkerung nicht von Anfang an offiziell informiert worden. Vielmehr habe man erst über Umwege von der geplanten „Mineralstoffdeponie“ erfahren.

Besorgte Anfragen seien damit beantwortet worden, daß das Projekt technisch einwandfrei sei. Die ausgeschürfte Lehmgrube einer Ziegelei sollte aufgefüllt werden, berichtet Langthaler. Die Betreiberfirma, eine eigenständige Ges.m.b.H., hatte zwei Zivilingenieurbüros mit der Planung der Deponie beauftragt. Ein beachtliches Projekt, das eine Größe von 900.000 Kubikmetern vorsah.

Technisch seien zweifellos beachtliche Investitionen vorgesehen, bekommt man von Fachleuten auf Anfrage zu hören: Kunststoffabdichtung, spezielle Lehmlagen sollten für den Grundwasserschutz sorgen.

Und damit sei man auch schon bei einem der wunden Punkte des Projekts angelangt, behauptet Langthaler. Es liege im Grundwasserschongebiet der Triesting-Piestingplatte (Verordnung vom 19. April 1983) und in unmittelbarer Nähe zur Mitterndorf er Senke (zur Erinnerung: Sie ist das Wasserreservoir für 400.000 Menschen). Das widerspricht aber allen Konzepten zeitgemäßer Deponierung (S. 12 und 13).

Damit nicht genug. Noch schwerer wiegen die Einwände gegen das, was laut Projektbeschreibung in der Deponie abgelagert werden soll: Aluminium-schlackenstaub und -kratze (in „Big Bags“ gesondert gelagert), kontaminierter Erdaushub, Zellstoff-, Papier- und Pappenabfälle, metallurgische Schlacken, Oxide, Hydroxide, Reststoffe aus der Aluminium- und Magnesiumaufbereitung ..., zitiert das

„Ökologie-Institut“ die Projektbeschreibung.

Wo bleiben die guten Vorsätze, nur Stoffe zu deponieren, die nicht mehr chemisch reagieren? Wo bleibt da das Konzept, möglichst Mono-Deponien anzulegen, also keinen „Abfall-Mix“ zu vergraben? Man weiß doch längst, daß dabei unvorhersehbare chemische Reaktionen eintreten können.

Da nützen dann auf lange Sicht auch die besten Kunststoff- und sonstigen Abdichtungen nichts. Denn auch von diesen ist ja nicht geklärt, wie sie sich nach Jahrhunderten verhalten. Oder sollten unsere Urenkel das Wasser der Mitterndorfer Senke etwa nicht mehr nötig haben?

„In der BRD ist die Deponierung dieser Aluminiumsalzschlacken in einigen Bundesländern bereits behördlich verboten“, stellt Langthaler ergänzend fest.

Völlig unverständlich mutet dieses Projekt jedoch an, wenn man dann zusätzlich erfährt, daß es sich bei einem beachtlichen Teil der gefährlichen Abfälle um Stoffe handelt, die aus dem Ostblock importiert und hierzulande nur zu einem recht unbedeutenden Anteil von 15 bis 20 Prozent ausgewertet werden.

Zwischen Betreibern und dem Ökologie-Institut ist es nun zu einem Konflikt wegen der wissenschaftlich untermauerten Kritik des Instituts gekommen. Die Betreiber haben ihre Kritiker wegen Rufschädigung, Geschäftsstörung und urheberrechtlicher Vergehen geklagt. Letzteres basiert auf dem Vorwurf, das Institut habe sich am geistigen Eigentum der Zivüingenieure vergangen, das in der Ausarbeitung des Deponie-Projektes bestehe.

„Wenn das Schule macht“, überlegt Langthaler, dann kann sich überhaupt niemand mehr über ein technisches Projekt eines Privaten ein Urteil bilden. Dann ist Schluß mit jeglicher begründeter Kritik.

So kann also die Praxis aussehen. Es ist Zeit, daß sie an die gute Theorie angepaßt wird.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung