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Die im Jahr 1901 als Dissertation an der Universität Prag entstandene Studie über „Das Wesen des Antisemitismus” des Diplomaten und Privatgelehrten Heinrich Graf Coudenhove-Kalergi ist heute noch in wesentlichen Passagen aktuell und lesenswert. Der Autor beschreibt sowohl den Unsinn der Rassentheorie als auch die politische Funktionalisierung des Antisemitismus und erkennt als dessen Wesen den Religionshaß beziehungsweise religiösen Fanatismus. Er zieht den Schluß, daß der Antisemitismus nicht auf einem Urteil, sondern auf einem Vor-Urteil, nicht auf Erkenntnissen, sondern auf Instinkten, die nicht angeboren und natürlich, sondern künstlich und erworben sind, beruht.

Damit wurde Coudenhove-Kaler-gi, der sich einst selbst zu den Antisemiten zählte und später viele jüdische Freunde hatte, zu einem der entschiedensten Verteidiger des jüdischen Volkes. Lediglich die Stellen über die „Judenpresse”, seine Polemik gegen den „Jargon” und gegen die Orthodoxie sind etwas veraltet und fragwürdig. Hingegen hat sich folgender Satz als wahrhaft prophetisch erwiesen: „Wird der Zionismus nicht durchgeführt, dann stehen wahrscheinlich blutige Katastrophen bevor, von denen kein Mensch sagen kann, ob sie auf die Juden beschränkt bleiben werden.”

1929 hat der Sohn des Autors, Richard Graf Coudenhove-Kalergi, der Gründer der Paneuropa-Bewegung, das Buch um ein Kapitel über den Antisemitismus nach dem Ersten Weltkrieg ergänzt. Nun ist dankenswerter Weise die dritte Auflage dieses wertvollen Buches mit einem Vorwort der Enkelin des Autors, Barbara Coudenhove-Kalergi und einem Nachwort des Herausgebers, Peter Landesmann, erschienen, wobei auf eine neuerliche Aktualisierung leider verzichtet wurde.

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