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Gschdanzln

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Die Sonettparodien Ernst Jandls und der Wiener Gruppe haben den anachronistischen Klassizismus der österreichischen Nachkriegsliteratur aufs Korn genommen.

Wenn Jandl sich auf „Stanzen" einläßt, bezieht er sich nicht auf die klassische Strophenform Bocaccios oder Tassos, sondern auf „das gschdanzl", jenen volkstümlichen Vierzeiler, den er auf den niederösterreichischen Bauernfestlichkeiten seiner Kindheit kennengelernt hat. Es kam, wie oft bei Jandl, zu einem wahren Schub von Gedichten, die wieder einmal zeigen, wie er mit Formen und Mustern zu spielen versteht und in seinen Verfahrensweisen nicht festgelegt ist. Der Wiener Dialekt, nicht authentisch wiedergegeben, sondern mit Erfindungen durchsetzt, ist neben Englisch das bevorzugte Sprachmaterial.

Gewiß hat Jandl seine Produktion nicht pedantisch gesiebt, um nur die besten stehen zu lassen. Und ganz gewiß werden die, die sich auf die ordinären Texte stürzen (da wird manchmal die Schmerzgrenze überschritten), ihren Zusammenhang mit dem Aufblitzen von Todesbildern und herber Melancholie übersehen. Sicher ist, daß Jandl in den besten Texten die Einheit von vierzeiliger Strophenform mit je zwei Hebungen, Dialekt und Inhalt bruchlos gelungen ist.

Eines davon heißt „der Seiltänzer": „des lebm is a frucht/und so a frucht is dara wucht/des glaubst a wäu, don schaust owe / unz reisst de vom säu".

STANZEN. Von Ernst Jandl. Luchterhand Literaturverlag, Hamburg/Zürich 1992. 144 Seiten, öS 187,20.

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