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Günstigeres Klima für das Forschungsorganisationsgesetz?

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Abgeschirmt durch die Alpbacher Prominentenshow mühten sich kleine Arbeitsgemeinschaften denk- und diskussionsfreudiger Teilnehmer des „Europäischen Forums” im stillen Kämmerlein um Teilthemen des Gesamtthemas. Ein bißchen fremd und groß mutete zwischen ihnen die Arbeitsgemeinschaft „Forschung zwischen Konflikt und Konsens” mit ihren drei Arbeitskreisen an, gewissermaßen ein Kuckucksei des Wissenschaftsministeriums, dem nach mehrtägigem Brüten ein zwar unfertiges, aber vielleicht lebensfähiges Geschöpf entschlüpfte.

Man gelangte, angeregt von internationalen Beispielen, dabei auf die österreichischen Verhältnisse bedacht, unter Umgehung von Konfliktaustragung auf eine höhere Ebene des Konsenses, für den jeder seine eigene ‘Motivation finden konnte: Notwendigkeit und Nützlichkeit der Forschung. Prognose: Das Klima für die kommenden Organisationsberatungen wird fruchtbarer sein als bisher, auch wenn man über die Einzelheiten verhandeln muß oder streiten wird.

Was ist anders nach Alpbach?

• Lage und Probleme der Forschung haben, ohne daß auf gegenwärtige Sorgen und Mängel vergessen wurde, eine Zukunftsperspektive erhalten. Passend, wenn auch etwas hochtrabend, war der Titel der Plenarveran- staltung „Die Zukunft der Forschung”.

• Die Stellung der Wissenschaft in der Gesellschaft ist klarer umschrieben, und zwar nicht nur sozial-instru- mentell, sondern auch im Sinne der Verflechtung von Forschungsbewußtsein und Bildungsprozeß.

• Die Schaffung eines „Wissenschaftsrates” zeichnet sich als Wunsch aller Beteiligten ab.

Stimmt man der These zu, daß gesellschaftliche Verhältnisse, wirtschaftliche Bedingungen und kulturelles Umfeld der Menschen in Zukunft immer rascheren Veränderungen unterworfen sein werden, woraus sich vielfach Fragen des Lebens, der Lebensqualität, ja des Überlebens der Menschheit ergeben könnten, und daß die Wissenschaft bei der Fragestellung selbst, im Erkenntnisprozeß und im Angebot von Problemlösungen eine unersetzliche Rolle spielen wird, ergeben sich logische Folgerungen:

• Forschung muß so organisiert sein, daß sie sich den an sie gestellten Anforderungen rasch anpassen kann. Da man im voraus nicht wissen kann, welche Probleme auftreten werden und welche Fachgebiete auf Lösungen angesetzt werden müssen, und da die Heranbildung von Nachwuchs und die Ausarbeitung von Methoden Zeit beanspruchen, die im Ernstfall vielleicht nicht zur Verfügung steht, muß die Einsatzbereitschaft der Forscher und der Institutionen aller Sektoren und Fachgebiete ständig gewährleistet sein. Die Verschiedenartigkeit der Sektoren und Projekte ist offensichtlich; man wird daher zugeben müssen, daß mein nicht alle organisatorisch über einen Kamm scheren kann. Da die Erhaltung oder Verbesserung des Bestehenden den Staatshaushalt sehr belastet, muß durch Planung, Koordination und Zusammenarbeit dafür gesorgt werden, daß die Mittel rationell eingesetzt werden. Besonders sollte es keine Institusgründungen, internationale Arbeitsübereinkommen und Großprojekte ohne vorherige Berechnung der Kosten und Folgekosten geben. Die Zeit zwischen Erkenntnis, Problemlösung und Umsetzung in die Verwertung muß verkürzt werden. Bei all diesen Überlegungen spielt die Information eine wichtige Rolle; ihrer optimalen Organisation wird besonderes Augenmerk zu schenken sein. Es geht dabei darum, jedem Bereich die für ihn wichtigen Informationen rasch und entsprechend aufbereitet zukommen zu lassen. Mit erweiterten Förschungsberichten und Vervollständigung der Dokumentation im nachhinein ist es nicht getan.

• Prognosen über künftige Wissen- schaftsentwicklungen sind kaum möglich, wohl aber kann die Wissenschaft frühzeitig Fragen aufspüren, die zu Problemen der Menschheit werden könnten. Das ist ihre soziale Aufgabe und Verantwortung. Um ihr gerecht zu werden und zu objektiven Ergebnissen zu gelangen, benötigen die Forscher kreativen und methodischen Freiraum. Die Mitwirkung der Financiers und der Nutzer von Forschung sollte daher, sofeme es nicht um Projekte mit Zielvorgaben, etwa technische Entwicklungen, geht, so eingeschränkt werden, daß jede Verfälschung des Ergebnisses auszuschließen ist In der Projektdurchführung muß der Forscher autonom sein.

• Es muß sichergestellt werden, daß die Ratschläge und Gewißheiten der Forscher im politischen Entscheidungsprozeß berücksichtigt werden. Sie müssen daher für die Bevölkerung erfaßbar gemacht und der Bundesregierung mit Sachautorität vorgetragen werden. Der zu schaffende „Wissenschaftsrat” wird dann Sachautorität besitzen, wenn er aus integren Wissenschaftlern besteht, die über die Grenzen ihres Fachgebietes hinaussehen, und er wird arbeitsfähig sein, wenn er nicht mehr als 7 bis 14 Personen umfaßt. Um den „Wissenschaftsrat” zu einer pressure group im guten Sinn zu machen, dürfte in der österreichischen Realität auch seine demokratisch-gesellschaftliche Legitimation nötig sein. Sie könnte sich daraus ergeben, daß in seiner Zusammensetzung die gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Gruppierungen berücksichtigt werden, oder daß er aus einem größeren repräsentativ zusammengesetzten „Forum” heraus als Sprechergruppe gebildet wird, oder daß er im Vorfeld der Verbände, mit deren Rückendeckung, aber weisungsgebunden tätig wird. Wenn durch den „Wissenschaftsrat” in den grundsätzlichen Beratungs- und Steuerungsaufgaben für Budgetgestaltung, Schwerpunkte, nationale Programme die Mitwirkung der wichtigen gesellschaftlichen Gruppen gesichert ist, könnte es diesen vielleicht möglich sein, auf Forderung nach Mitbestimmung in einzelnen Forschungsund Forschungsförderungseinrichtungen zu verzichten, wo diese sachlich nicht ausreichend begründet werden kann.

Aus der Anerkennung der Tatsache, daß die Wissenschaft Teil der Gesellschaft ist, lassen sich keine Folgerungen für Mitbestimmungsregelungen ableiten. Das politische System erfüllt seinen Zweck durch Integrierung aller Mitglieder eines Gemeinwesens; das System Wissenschaft aber hat Sach- probleme zu lösen und ist daher nicht auf Integrationsaufgaben hin zu organisieren.

Würde das Wissenschaftsressort auf Grund der weiteren Beratungen mit einem praktikablen Gesetzentwurf in die parlamentarischen Verhandlungen gehen, sollte auch eine Zustimmung der Oppositionsparteien möglich sein. Dies Eingenommen, wäre nicht einzusehen, warum die ÖVP ihre Vorschläge nicht auch jetzt in die Beratungen einbringen könnte. Da die Kritik an dem von den Sozialisten allein beschlossenen UOG nicht verstummt, würde das Gelingen eines gemeinsamen FOG sicherlich auch der ÖVP gutgeschrieben werden. Sollte aber alles schieflaufen, könnte die ÖVP ja immer noch im Parlament ihre Zustimmung verweigern. Folgerichtig hat Erhard Busek die Bereitschaft der ÖVP zur Zusammenarbeit bei dieser Materie erklärt.

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