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Gulyas ohne Saft
Angesichts der kritischen Lage , der ungarischen Wirtschaft ist die Frage wohl berechtigt, ob die im Frühjahr aus den freien Wahlen hervorgegangene "Koalition der Mitte" überhaupt imstande ist, die Krise zu überwinden.
Da ist immer noch eine längst veraltete und ineffektive Produk-tionsstruktur, die selbst die Kom-munisten nur noch mit westlichen Anleihen am Leben erhalten konnten. Nun hat sich die von der Regierung so stolz verkündete Privati-sierung mittlerweile als eine kläg-liche Ersatzhandlung erwiesen; die heruntergekommenen staatseigenen Großbetriebe werden nach wie vor vom "Eigentümer" subventioniert. Sie aufzulösen würde zu einer Massenarbeitslosigkeit führen, zu deren Begegnung weder Um-schulungsstätten noch Wohnungen zur Verfügung stehen; ganz zu schweigen von neuen Arbeitsplätzen.
Der auf diese Weise gelähmten Regierung bleibt nichts anderes übrig, als den Versuch zu unternehmen, die Führungsposten in den alten Strukturen mit eigenen Leuten zu besetzen. Doch solche personalpolitischen Entscheidungen vermögen in keiner Hinsicht den Strukturwandel herbeizuführen.
In dieser Beziehung wird aller-dings auch ein Irrtum der westli-chen Wirtschaftswelt immer deutlicher. Sowohl die Regierungen der entwickelten EG-Länder als auch die Bush-Mannschaft haben noch im Sommer an der Theorie festgehalten, wonach die Förderung des privaten Kleinunternehmertums in Ungarn die Priorität habe. Dies klingt gut und rechtfertigt die Ab-lehnung jener - einmaligen - Großkredite, die eine umfassende Reform der Wirtschaftsstruktur in die Wege leiten könnten. Wohlgemerkt, nur bei entsprechender fachmän-nischer Führung, woran es den Ungarn bis heute noch mangelt.
Nun wird diese Einschätzung -vor allem auf deutsche Initiative -gerade dieser Tage revidiert und teilweise auch korrigiert. Die deutsche Wirtschaftsdelegation, die sich auf die persönliche Initiative Bundeskanzler Kohls vergangene Woche in Budapest aufhielt, machte allerdings dem Kabinett Jözsef Antalls ihre Bedingungen klar:
So muß die Regierung in aller-kürzester Zeit ein Wirtschaftspro-gramm mit Schwerpunkt Krisen-management erstellen. Es dürfe nicht noch einmal vorkommen, daß erst einer Fact Finding Mission die genauen Daten und Fakten präsentiert werden. Das bedeutet das Ende der bisherigen, noch aus der kommunistischen Zeit stammenden Praxis, die daraus bestand, daß ungarische Politiker bei Verhandlungen im Westen nur allzu gern die alarmierenden Zahlen ver-schwiegen und sich dabei stets strahlend optimistisch gaben, während zu Hause die Bevölkerung von einem Tag auf den anderen mit drastischen Verteuerungen überrascht wurde. So geschah das übrigens auch neulich bei der Erhöhung der Benzinpreise, auf die die Reaktion der Betroffenen einen so schweren Schock bei der Regierung auslöste, daß sie dabei fast auch noch die politische Kontrolle über das Land verlor.
Nun ist den Deutschen, und somit auch der EG, die rasche Zusammenstellung des Wirtschaftspro-grammes versprochen worden: Ungarn braucht, das steht nun mal fest, 1,5 bis zwei Milliarden Dollar, um den Übergang zur Marktwirt-schaft in die Wege zu leiten.
Eine Delegation des Internationalen Währungsfonds (IWF) hat neulich in Budapest weitere schwere Schocks für die ungarische Wirtschaft in Aussicht gestellt. Die Serie werde bereits im Jänner einsetzen. Eine Umschuldung - die Westver-schuldung Ungarns liegt bereits bei 25 Milliarden Dollar - sollte allerdings nicht in Erwägung gezogen werden, da dies unweigerlich zum Verlust der Kreditfähigkeit des Landes führen würde. Die baldige Erhöhung der Inflationsrate auf 30 Prozent müsse also in Kauf genommen werden.
All dies bringt freilich noch wei-tere soziale Spannungen mit sich.
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