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Gute Filme - nicht nur im TV...

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In Kürze werden sich einige österreichische Kinos zu einer Kino-Kooperative zusammenschließen. Der Verein, der seinen Hauptsitz in Wien und seine Koordinationsstelle ausgerechnet in Innsbruck haben wird, zeigt bereits im Geburtsstadium neben sehr viel Idealismus und Eigeninitiative Tendenzen, die seine Effektivität in Frage stellen. Die Kiko - das ist der vorgesehene Name für den Verein - will für ihre volksbildnerischen Aktivitäten Subventionen, und dagegen laufen Kinos und Verleiher Sturm. Und vereinzelt werden Vorstellungen über die Art der Subventionierung laut, die recht eigenartig anmuten.

Das Kinoklima in Österreich ist schlecht. Das Kinosterben geht munter weiter, die Besucherzahlen sinken immer noch, obwohl der Femseh- boom längst nicht mehr als Ausrede gelten kann und die Situation in anderen Ländern erheblich besser ist. Anderswo hat man nämlich aus der Kinokrise gelernt. Vor allem ist unser Filmangebot nach wie vor völlig vom deutschen Markt abhängig, der seinerseits wieder weitgehend von amerikanischen Produzenten beliefert wird. Damit nicht genug, werden die Kinos im filmfeindlichen Österreich durch ein veraltetes Gesetz und eine Reihe von Steuern, die ihnen über kurz oder lang „den Todesstoß versetzen werden“ (Erich Schlathau von der CIC), belastet. Neben den Abgaben für Kriegsopferverband und Opferfürsorge - als Landessteuer einzig in Niederösterreich abgeschafft - ist es besonders die Vergnügungssteuer, die dem Kinobesitzer zu schaffen macht und überdies von Gemeinde zu Gemeinde verschieden geregelt ist. Während Wien für prädikatisierte Filme einen Nachlaß gewährt, ist das für Linz ohne Belang, und in Graz kann ein Kinobesitzer nur hoffen, daß ein prä- dikatisierter Film nicht länger als 21 Tage läuft, ab dem 22. Tag nämlich muß er die Vergnügungssteuer vom ersten Tag an nachzahlen.

Gegen diese Situation will die Kiko im Interesse aller österreichischen Kinobesitzer ankämpfen und Gesetz-» geber und Verbände zu einer Änderung der Gesetze und Bestimmungen zwingen. Sie hat jedoch auch Pläne, die in der Kinobranche wenig populär sind. Durch bewußte Programmgestaltung, Eiforschung von Publikumswünschen und breitgestreute Information will sie einen Lern- und Erziehungsprozeß in der Bevölkerung einleiten, das Kino wieder zu einem echten Freizeit- und Bildungsangebot machen. Überzeugt davon, daß rein kommerzielles Kino heute keine Chance mehr hat, soll ein gutes Mischprogramm (die gesamte Bandbreite vom guten Unterhaltungsfilm aufwärts) „ein anspruchsvolles Publikum ebenso wieder ins Kino bringen, wie es alle Generationen aus den verschiedensten sozialen Schichten zum Kinobesuch motivieren soll“ (Herbert Hol- ba, Neubauer Kino).

Zwei Kinos versuchen dies bereits seit einem Jahr, ein drittes, das Star- Kino, hat damit Anfang April begonnen. Das bereits erfahrene Schikaneder-Kino tut es, ebenso wie das Neubauer Kino, mit einem gut ausgewogenen Programm. Wie eines der wenigen unabhängigen Kinos in Wien, das Votivpark-Kino, den Einsatz von Qua litätsfilmen mit Disney-Produktionen kompensieren muß (Kinoleiter Baier), müssen auch diese beiden Kinos immer wieder auf bereits bewährte Erfolgsfilme zurückgreifen. Schwerpunktmäßig bringen sie jedoch Zyklen mit bestimmten Themen oder Filmen eines Regisseurs. Dabei war Ingmar Bergman ebenso vertreten wie Erich Engel, Robert Altman, Luis Bunuel oder Charlie Chaplin.

„Füm ist ein Produkt aus Kino und Kommerz“, meint Robert Schlöglhofer, Schikaneder-Kino-Besitzer und seit kurzem selbständiger Verleiher, und stimmt mit anderen österreichischen Verleihern darin überein, daß in einer Gesellschaft, in der Wirtschaft lichkeit auch für ein Kulturunternehmen eine Frage des Überlebens ist, sich auch Engagement und Idealismus realistischerweise daran orientieren müssen. Und solange Wirtschaftlichkeit das Hauptkriterium ist, werden Produzenten hersteilen und Verleiher ankaufen, was das Publikum zu sehen wünscht.

Was aber wünscht das Publikum zu sehen? Keineswegs nur künstlerische Filme, darüber sind sich Verleiher, Kinobesitzer und auch die Kiko eir^ig. Während nun aber die Verleiher der Meinung sind, es sei nicht ihre Aufgabe, das Publikum zu erziehen (Schlathau, Schlöglhofer), und die Kinobesitzer meist zu bequem, gedankenlos oder desinteressiert sind, um dieses Risiko einzugehen, ist gerade die langfristige Beeinflussung des Publikums eines der Hauptziele der Kiko.

Die österreichischen Filmverleihe sind größtenteils von den amerikanischen Niederlassungen in der BRD abhängig. Dabei spielt die Frage der Synchronisation eine große Rolle, denn Originalfassungen mit Untertiteln konnten sich in Österreich - im Gegensatz zu Frankreich, Italien, aber beispielsweise auch Polen - bis heute nicht durchsetzen. Es haben zwar alle Kinos in Österreich Verträge mit ver-

schiedenen Verleihen, aber von den Erstaufführungskinos abgesehen (in Wien etwa ein Drittel), die durch fixe Verträge an einen Verleih gebunden sind und 80 bis 90 Prozent von dessen Filmen annehmen müssen, können die Kinos aus dem Angebot der Verleihe ihre Auswahl treffen, eine bestimmte Anzahl von Filmen streichen. Sie sind auch gar nicht gezwungen, Verträge abzuschließen. Die Verleihe versuchen natürlich, Erfolgsfilme unter der Bedingung abzugeben, daß auch „schlechtere Ware“ genommen wird, aber es besteht eine scharfe Konkurrenz zwischen den Verleihern und diese können es sich in der heutigen Situation „gar nicht leisten, ein Kino zu boykottieren“ (Herbert Risz vom Syndikat der Filmschaffenden). Die CIC beispielsweise ist mit 20 ihrer 39 Filme der Saison 1976/77 in die roten Zahlen geraten.

Die Leihmieten, die dem Buhmann Verleiher so gerne vorgehalten werden, werden nicht von diesem, sondern von Kammern und Verbänden festge- legt. Sie schwanken-je nach Umsatz- zwischen 23,6 und 40,6 Prozent der Einnahmen. Die Filme im Sonderverleih, für die ein höherer Prozentsatz zu zahlen ist, nämlich zusätzlich 4,7 bis 9,2 Prozent, machen rund 10 Prozent des gesamten Angebots aus und betreffen keineswegs nur künstlerische Filme. Die Bewertung als Sonderfilm richtet sich nach den Produktionskosten, der Anzahl der Kopien und dem zu erwartenden wirtschaftlichen Erfolg (Schlathau). Eine anspruchsvolle Programmgestaltung ist also nicht in erster Linie eine finanzielle Frage. Jedoch ist dazu mehr notwendig als reine Geschäftsabwicklung. Neubauer und Schikaneder-Kino halten ständig Kontakt mit ihrem Publikum, nehmen Wünsche entgegen, halten Diskussionen ab. Im Neubauer Kino gibt es einen Kommunikationsraum, Dossiers zu schwierigen Filmen, einen Sammler- und Diskussionsklub. Und man kann von solchen Kinos sogar leben.

Kinos, die bereits eine echte Programmgestaltung versucht haben (und sicher nicht nur sie), würden sich benachteiligt sehen, wenn sie dafür keine Subventionen erhalten sollten, nur weil sie flicht Mitglied der Kiko sein wollen. Aber auch die Verleiher, wehren sich dagegen. Ausschlaggebend dürfte die Verschärfung der Konkurrenzsituation sein, die dadurch entstünde. Schließen sich viele Kinos der Kiko an und erhalten Subventionen, ist die Gefahr, daß Verleihe auf bestimmten Filmen „Sitzenbleiben“, noch größer. „Aber“, so wehrt Robert Schlöglhofer Argumente gegen Subventionen für die Kiko ab, „die Wiener Urania wird seit Jahrzehnten subventioniert und spielt trotz ihrer volksbildnerischen Tätigkeit keineswegs nur Spitzenfilme. Und wie ist es mit den KIBA-Kinos? Ihre Defizite werden seit Jahren aus den allgemeinen Steuergeldem abgedeckt. Dabei ist die KIBA zu 40 Prozent am Rondell-Kino, das ausschließlich Sexfilme billigster Sorte spielt, beteiligt. Und die CIC verleiht ihre Filme auch an den ÖGB, wird dieser etwa nicht subventioniert?“

Er hat auch schon eigene Vorstellungen entwickelt, wo die Gelder her- kommen könnten: Man könnte beim ORF kürzen, die im Fernsehen gezeigten Spielfilme seien ja doch nur eine

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