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Guter Wille und starres Geset\"

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Gesetze weisen immer anhand von praktischen Beispielen ihre Sinnhaftigkeit nach. Also zu Beginn ein praktisches Beispiel:

Vor fünf Jahren kam einer aus dem Gefängnis, aus keinem normalen, sondern aus einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher. Ein bestrafter, behandelter „Giftler" also.

Ich habe nach Problemen gefragt, nach praktischen natürlich, so fängt man an. Eine Wohnung war da, eine Arbeit hatte er bereits gefunden, verheiratet war er, Probleme? Ja, finanzielle.

Schulden? Kredite? Ja auch, aber - die Geldstrafe, die Wertersatzstrafe von 140.000 S und der Zoll auch noch!

Ich war damals noch juristisch unerfahren, konnte aber die Information bald haben. Neben der Freiheitsstrafe für Drogenhandel kann auf eine Geldstrafe erkannt werden, die so hoch bemessen ist, daß sie den Nutzen übersteigt, der durch die strafbare Handlung erzielt worden ist oder erzielt werden sollte. Da Drogen offiziell nicht gehandelt werden, wird der von der Polizei erhobene Schwarzmarktpreis zur Berechnung herangezogen. Im Nichtein-bringungsfall werden einige Monate Ersatzstrafe ausgesprochen.

Gut, mein Mann wollte nicht mehr sitzen, nachdem er bedingt ( ! ) entlassen worden war — mit positiven Prognosen seitens der Anstalt, mit seiner Hoffnung, es diesmal zu schaffen. Verständlich.

Ich wollte eigentlich auch nicht mehr, daß er zurück ins Gefängnis kommt, da dadurch Schritte zur Resozialisierung behindert, manchmal sogar zerstört werden. (Arbeitsstelle, Motivation etc.) Was tun?

Ein Ratengesuch an das Gericht! Dem Gesuch wurde stattgegeben, eine Rate von monatlich 5.400 S wurde bewilligt. Das dem Gericht bekanntgegebene Gehalt des jungen Mannes betrug 6.200 S.

Dazwischen kamen die Forderungen vom Zollamt: 70.000 Schilling. Begründung: der Mann hätte sein über die Grenze gebrachtes Gut verzollen müssen, hat es nicht getan und muß somit Zoll und Zollstrafe bezahlen. Die Frage, ob auf rechtens nicht einfuhrmögliche Waren Zoll erhoben werden kann, wurde eigentlich nie befriedigend beantwortet.

Jedenfalls ergab das in der Gesamtheit einen Schuldenberg, die Privatkredite noch dazugerech-net, von nahezu 300.000 S. Ein guter Start? Kein guter Start.

Wenn man bedenkt, daß ein eigentlicher Strafvollzug „erfunden" wurde, der Betreuung, Therapie und Resozialisierung in den Vordergrund der Suchtbestrafung gestellt hat, erscheinen solche finanzielle Mühlsteine um den Hals bedingt Entlassener abstrus, da vor allem vom selben Gesetzgeber erfunden.

Es stimmt die eine Form der Logik, die sagt, Leute, die so böse gute Geschäfte mit Drogen gemacht haben, sollten den Ertrag an den Staat abführen. Es stimmt leider auch die Realität, daß der Ertrag gemacht werden muß, um überhaupt die enormen Kosten des Drogenkonsums bestreiten zu können. Das gilt natürlich nur für Süchtige.

Das heißt: Werden solche Leute entlassen, haben sie meist keinen Schilling von den vorher noch so einträglichen Geschäften. Die sollen sie aber nach Entlassung tunlichst vermeiden. Die „arme" Arbeit aber wirft zur Zeit für solche Leute 5.000 bis 8.000 S pro Monat ab. Damit zu leben und die hohen Forderungen zu zahlen, ist ein Ding der Unmöglichkeit.

Das oben beschriebene Beispiel ist fünf Jahre alt. Ich dachte mir damals, es müßte sich eigentlich etwas ändern. Nichts hat sich geändert. Nur einmal mehr heben guter Wille und starres Gesetz einander auf.

Der Autor ist Bewährungshelfer in Wien.

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