7072548-1993_06_13.jpg
Digital In Arbeit

Gutes Filmhandwerk

19451960198020002020

Die „Solothurner Filmtage” sind ein alljährliches Treffen, bei denen man die besten Schweizer Produktionen der vergangenen zwölf Monate sehen kann. Heuer wurden 207 Filme eingereicht, tatsächlich aufgeführt wurden „nur” 96 - von kurzen Trickfilmen bis zu den abendfüllenden Streifen.

19451960198020002020

Die „Solothurner Filmtage” sind ein alljährliches Treffen, bei denen man die besten Schweizer Produktionen der vergangenen zwölf Monate sehen kann. Heuer wurden 207 Filme eingereicht, tatsächlich aufgeführt wurden „nur” 96 - von kurzen Trickfilmen bis zu den abendfüllenden Streifen.

Werbung
Werbung
Werbung

Was die Schweizer Filmemacher anzubieten haben, ist vor allem solides Handwerk. Im 28jährigen Bestehen der Solothurner Filmtage gab es jedes Jahr einige thematisch oder regiemäßig interessante Filme - sozusagen eine Kontinuität in der Qualität und im Niveau der produzierten Werke.

Eröffnet wurden die Filmtage mit „L'Ombre” (Der Schatten) von Claude Goretta. Nach einem ruhigen Anfang ist man bald von dramatischen Verwicklungen mitgerissen, bei denen zwei Journalisten auf die Spur rechtsextremer Machinationen kommen. Ein hochaktuelles Thema - aber Goretta gibt sich nicht sehr optimistisch hinsichtlich der Erfolgsaussichten der demokratischen Abwehrkräf-te: einer der beiden Journalisten wird erschossen, der andere endet in einer psychiatrischen Klinik.

Mit „Zwischensaison” hat Daniel Schmid einen zauberhaften Film geliefert. Die Handlung - die man kaum als solche bezeichnen kann - besteht aus den Erinnerungen eines Mannes, der als Kind mit seinen Großeltern in einem Schweizer Großhotel lebte. Da gibt es die Zeitungsfrau, die ihm jede Woche sein Micky Maus-Heft übergibt, den großen Zauberer Malini, der nachts den Wein der Pensionsgäste austrinkt, die regelmäßige Wanderung der Hotelier-Familie von einem Stock zum anderen („In der Zwischensaison, wenn fast keine Gäste da waren, durften wir in den besseren Appartements wohnen, ansonsten lebten wir in engen Räumlichkeiten unter dem Dach”). Dies alles wird mit viel Liebe fürs Detail nacherzählt. Es gibt auch ein paar surreale Szenen, etwa wenn der kleine Bub seinem erwachsenen Ich eine Muschel übergibt, in der man das Meer rauschen hört.

Frauenschicksale

Frauenschicksale scheinen auch die Schweizer Regisseure zu fesseln. So zeigt Beat Lottaz in .Zärtliche Erpresserin” die hartnäckige Suche der jungen Alice nach ihrem Vater - den sie nie gesehen hat. Diese Nachforschungen gestalten sich eher enttäuschend. Der Film verdankt sehr viel der ausgezeichneten Darstellung von Alice durch Anna Thalbach.

„Rund um die Liebe” von Ueli Mamin erzählt von Helene und Christa, zwei junge Fauen die zusammenziehen, um sich gemeinsam eine schönere, aber teurere Wohnung leisten zu können. Das harmonische Leben geht nur so lange gut, bis Christa sich verliebt. Nach einigen Auseinandersetzungen zieht Helene aus. Obwohl von einem Mann gedreht, ist „Rund um die Liebe” ein sehr femininer Film.

„Sandra, c 'est la vie” (Sandra, so ist das Leben) behandelt auch die Probleme zweier Frauen: es geht um Sandra, ein löjähriges mongoloides Mädchen, aber auch um ihre Mutter. Diese Frau, kaum über 30 Jahre, klammert sich an ihre Jugend, stellt Sandra überall als ihre jüngere Schwester vor und hat einen jungen Liebhaber. Dieser ist der Inbegriff eines bösartigen Machos. Der Film schließt jedoch mit einer optimistischen Note: der Bösewicht zieht aus und Mutter und Tochter finden wieder zueinander. Sandra wird wirklich von einem mongoloi-den Mädchen (Lisa Fusco) gespielt. Der Film zeigt deutlich, wie sogar sehr simple Situationen zu Problemen führen können, außer man bringt sehr viel Liebe und Verständnis für den gehandikapten Menschen auf.

Ein Blick auf das Programm zeigt, daß sich die Schweizer Filmemacher auch an exotische Themen heranwagen. In dieser Hinsicht ist vor allem „Desencuentros” (Irrtümliche Begegnungen) vom Tessiner Leandro Man-frini, einem „alten Hasen” auf dem Gebiet des Dokumentarfilms, zu nennen.

Typische Dokumentarfilme

„Desencuentros” - es handelt sich um Begegnungen, die immer zur falschen Zeit und am falschen Ort erfolgen - ist allerdings ein Spielfilm, der die Erlebnisse eines braven Schweizer Durchschnittsbürgers im Dreiländereck Argentinien-Brasilien-Paraguay verfolgt. Es sind nicht die Abenteuer eines „Indiana Jones”, aber genau so spannend, weil mehr wirk-lichkeitsbezogen. Man spürt auch, daß Manfrini im Laufe der Jahre große Erfahrungen in diesen Ländern gesammelt hat. Von Lateinamerika handeln auch die Dokumentarfilme nas Gedächtnis des Windes” von Felix Zurita de Higes und „Terra Prometida” von Peter von Gunten.

„Gito der Undankbare” spielt hingegen in Bujumbura (Burundi), wo auch Regisseur Leonce Ngabo herstammt - der Film wurde aber mit einer Genfer Gesellschaft koprodu-ziert. Diese Komödie zeigt, daß ein Diplom von einer Pariser Universität auch in einem Entwicklungsland nicht genügt, um gleich einen Ministerposten zu bekommen. Außerdem muß sich der junge Gito entscheiden, ob er ein weißes oder ein schwarzes Mädchen heiraten will.

Als typisch schweizerisch zu erwähnen wären schließlich die beiden Dokumentarfilme „Die Insel” von Martin Schaub, ein filmisches Gedicht über die aussterbende Almwirtschaft, sowie „Westlich vom Rio Pecos” von Stephane Goel, über Schweizer Auswanderer zur Jahrhundertwende.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung