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Kitzbühel erlebte seine Investitions-Show; die Darbietungen dreier Musketiere des Kreisky-Teams — Minister Doktor Androsch, Frühbauer und Gratz — anläßlich der Präsentation des Zehn-Jahres-Investitionsprogammes der Bundesregierung. Das „typisch Sozialistische“ daran, bekannte Finanzminister Dr. Androsch freimütig der „Arbeiter-Zeitung*, sei, „daß es da ist“ — nichts weiter.

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Kitzbühel erlebte seine Investitions-Show; die Darbietungen dreier Musketiere des Kreisky-Teams — Minister Doktor Androsch, Frühbauer und Gratz — anläßlich der Präsentation des Zehn-Jahres-Investitionsprogammes der Bundesregierung. Das „typisch Sozialistische“ daran, bekannte Finanzminister Dr. Androsch freimütig der „Arbeiter-Zeitung*, sei, „daß es da ist“ — nichts weiter.

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Selten hat ein sozialistischer Politiker so offen seinen Hang zum Pragmatismus deklariert, selten auch wurde eine durchaus vernünftige Ziel Vorstellung der Öffentlichkeit nachlässiger präsentiert.

Das Zehn-Jahres-Investitionspro- gramm des Bundes wind rund 304 Millanden Schilling erfordern. Davon entfallen etwa 180 Milliarden Schilling auf das Normalprogramm, wofür als Basis der Bundesvoranschlag 1971 mit einer Steigerungsrate von 5 Prozent dient, und rund 52 Milliarden Schilling auf den „Mehrbedarf“. Weitere 14 Milliarden Schilling sollen für Investitionen des Wasserwirtschaftsfonds und zusätzliche 58 Milliarden Schilling für die Wohnbauförderung verwendet werden. Die Schwerpunkte des Zehn-Jahres-Investitionsprogrammes sind der Schul- und Straßenbau, die österreichischen Bundesbahnen, die Land- und Forstwirtschaft und die Förderung von Wissenschaft und Forschung.

Zwei äußerst wichtige Investitionsobjekte der öffentlichen Hand werden nicht einmal erwähnt: die Spitalerhaltung, der Spitalneubau und der Umweltschutz. Dadurch aber wird das Investitionspragramm so unvollständig, daß der Regierung geraten werden muß, es noch einmal hinsichtlich der Prioritäten zu prüfen. Ferner hat die Bundesregierung noch überhaupt keine Vorstellungen über die Finanzierung das Mehrbedarfes von 52 Milliarden Schilling und vom

Zeitpunkt der Wirksamkeit. Finanzminister Androsch deutete die Erhöhung von Steuern an, rechnet ferner mit steigenden Staatseinnahmen und baut schließlich auf eine bessere Nutzung des Kapitalmarktes. Dabei wird er sicherlich noch auf Schwierigkeiten Stoßen. Erstens rangiert Österreich mit einer Steuer- bedastungsquote von 39 Prozent ohndies schon an der Spitze des Klassements der europäischen Industriestaaten und zweitens ist es äußerst fraglich, ob der Bund auf den nationalen und internationalen Kapitalmärkten eine noch schärfere Kon- kurremziarung mit der heimischen Privatwirtschaft riskieren darf.

Die ökonomische Notwendigkeit eines längerfristigen Investitions- programmes braucht ebenso wenig in Zweifel gezogen zu werden wie die politische Propaganriawdrkung. Insbesondere letzteres wird die Volkspartei im nächsten Wahlkampf noch sehr deutlich spüren.

Das ednigestandene Ziel dieses Invest! tionsprogrammes ist es, zu verhindern , daß das von John Kenneth Galbraith formulierte „Soziale Gleichgewicht“ — die Diskrepanz zwischen privatem Reichtum und öffentlicher Armut — in Unordnung gerät. Ob die Gefahr einer Unordnung des „Sozialen Gleichgewichtes“ in Österreich zu befürchten ist, kann freilich nicht mit der gleichen Sicherheit festgestellt werden, wie solche Behauptungen für die Vereinigten Staaten zutreffen. Dort sind in den meisten Großstädten oft nicht einmal Mindestausstattungen an notwendigen kommunalen Einrichtungen gegeben; dies gilt für Müllabführen geradeso wie für öffentliche Krankenhäuser. Österreich hat es hier besser. Sieht man von wichtigen Details ab — das ungenügende Telephonnetz etwa — so ist seine Infrastruktur besser als ihr Ruf. Vieles ist als Folge der politischen Durchschlagskraft einzelner „Lakaigrößen“ sogar im Überfluß vorhanden: Bezirksgerichte und ÖBB-Strecken in Gebieten, wo ein privater Verkehrsbetrieb auch genügen würde.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Volkspairtei gegen dieses Inve- stitionsprogramm mit der Feststellung argumentieren wird, dadurch würden die Budgetausgaben eine noch stärkere Bindung erfahren und so völlig der konjunkturpolitischen Verwendung entzogen werden. Mit diesem Gegenargument wird sie falsch liegen. Erstens stehen die öffentlichen Ausgaben zumeist unter einem Sachzwang, der ihre kan- junktunpolitisch motivierte Mode- rierung zu einem sehr schweren ökonomischen Geschäft werden läßt und zweitens ist schwer zu klären, was worauf reagiert: die Ausgaben der öffentlichen Hand auf che voran- gegangene privatwirtschaftliche Expansion oder umgekehrt. Im übrigen sollte es auch in Österreich endlich zu einer Erfahrungstatsache werden, daß die konjunkturpalitische Verwendbarkeit der Finanzpolitik ln erster Linde durch eine höhere Beweglichkeit auf der Einnahmenseite angestrebt werden sollte. Fast will es in diesem Zusammenhang scheinen, daß eine wachstumsorientierte Ausgaben- und eine konjunkturorientierte Einnahmenseite des Budgets für eine optimale Wirtschaftspolitk erforderlich sind. Wenn Finanzminister Dr. Androsch mit einem längerfristigen Investitionsprogiramm diesen wirtschaftspolitischen Weg gehen will, dann ist das wegen des fehlenden Finanziarungskonzeptes und einer unzulänglichen Prioritäten- liste mißlungene Programm unter Umständen ein wichtiger Schritt zu einer rationelleren Wirtschaftspolitik in Österreich.

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