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Habsburg - unsentimental

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Otto Habsburg ist achtzig. Messen, Empfänge, Zeitungsartikel feierten das Ereignis. Es fiel mit einer allgemeinen Habsburger-Renaissance in Österreich zusammen, die durch viele neue Bücher, ein Musical und eine Habsburg-Serie im ORF zur Weihnachtszeit gekennzeichnet ist. 20 Jahre nach dem historischen Handschlag Kreisky/Otto im Bundeskanzleramt beginnt Österreich als ganzes, sich mit dem Herrschergeschlecht, das fast 650 Jahre lang die Geschicke unseres Landes steuerte, zu versöhnen.

Das ist richtig und gut so. Der sozialistische Habsburg-Kannibalismus der sechziger Jahre war Ausdruck republikanischer Unreife. Ein Land, das seine Geschichte verleugnet, ist ein Land ohne Gesicht. Wenn uns „Bewältigung" der jüngsten Vergangenheit zur Pflicht gemacht wird, darf kritische Aufarbeitung auch der früheren Vergangenheit nicht tabu sein. Österreich verdankt der Familie Habsburg viel und es verdankt Otto Habsburg unter anderem eine tatkräftige Interessenvertretung in den USA zu einer Zeit, als der Staat Österreich von den Landkarten verbannt war. Auch um den Zusammenschluß der Völker Europas zu einer größeren Einheit in Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit hat sich Otto Habsburg verdient gemacht.

Es war daher recht und billig, daß auch die öffentliche Hand zu diesen Geburtstagsfeiern ein Scherflein beitrug. Sie lebt auch in ihrer republikanischen Repräsentation ausgiebig von den Zeugnissen habsburgischer Vergangenheit. Unbestritten sollte aber auch sein, daß das Ja der Österreicher zu ihret monarchischen Geschichte ein kritisches Ja sein muß. Wahr ist etwa, daß die heutigen Völkerwirren im einstmals kommunistischen Osteuropa eine ihrer Ursachen auch in der betonten Zurücksetzung der slawischen Völker gegenüber den „Herrenvölkern" der Deutschen und Ungarn durch die Habsburger-Politik hat.

Daß die Republik Österreich eine Rückkehr der Habsburger von einem Thronverzicht abhängig machte, ist verständlich. Heute wird immer deutlicher, daß jene Mitglieder des Hauses Habsburg, die diesen geleistet haben, damit für ihre Person auf die Krone verzichteten, nicht aber für immer namens ihres Hauses. Einige Habsburger-Sprößlinge sagen offen, daß sie in diesem Staat eine Rolle spielen möchten: als Außenminister oder gar als Bundespräsident. Auch das sollte ihnen unter der Voraussetzung nicht verwehrt sein, daß sie sich als gewählte Amtsträger einer republikanischen Staatsfunktion fühlen.

Einiges deutet aber darauf hin, daß diese jungen Herren - und der alte Herr auch - immer noch von einem „Gottesgnadentum" träumen: Auserwählung einer Familie fürs Regieren. Das ist ein Aberglaube. Gott wählt niemanden zum Herrschen aus. Erbmacht ist freier, mündiger Menschen unwürdig.

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