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„Habt acht!" auf den Schößling
Feindbilder schwinden, Zusammenarbeit ist angesagt. Wozu also Armeen? Die Inder haben eine auch für uns nachahmenswerte Antwort darauf.
Zum Beispiel in Kota, einer Bezirkshauptstadt in Rajasthan (Nordwestindien) am Rande der Wüste Thar, im Süden des Arawal-li-Gebirges. Kota, dereinst prächtiger Sitz indischer Maharadji, entwickelte sich in den letzten Jahrzehnten zu einem rapid wachsenden Industriezentrum mit Öl, Gummi-, Papier- und Textilfabri-ken und einem nahegelegenen Atomkraftwerk. Die Bevölkerung vervielfachte sich sprunghaft, zugleich erfolgte die zügellose Ab-holzung der umliegenden Wälder, in denen noch vor 30 Jahren Tiger, Bären, Hirsche und andere Wildtiere herumstreiften. Bis vor kurzem bot sich dort ein trostloser Anblick: die vertrocknete, ausgewaschene Erde tief aufgerissen, die dünne Humusschicht vom Winde verweht, kein Baum, kein Busch, kein Gras.
Der Divisionskommandant von Kota ist nicht nur ein begeisterter Bergwanderer, sondern auch ein überzeugter Umweltschützer. Auf seine - keineswegs von oben befohlene - Anordnung wurde mit einem simplen Bewässerungssystem Wasser aus dem Chambalfluß gepumpt, um die ersten 10.000 von den Soldaten in die öde Gegend gepflanzten Schößlinge heimischer Bäume zu ernähren. Off limits für heilige Kühe: zugleich schichteten sie eine Steinmauer um ihre zartgrünen Schützlinge auf. Gemeinsam mit einer lokalen Umweltschutzgruppe wurde eine Samenbank heimischer Bäume eingerichtet.
Allmählich konnte der Bodenerosion Einhalt geboten werden, die Bäume wuchsen und mit ihnen kehrten Wildtiere, vor allem die Vögel zurück. Durch den wiederbelebten Wald und durch nun wieder wasserführende Schluchten wurden Natur(lehr-)pf ade angelegt, die jeweils von einer Militäreinheit erhalten und gepflegt werden.
Doch die Taten der Soldaten von Kota gehören schon zum Alltag der indischen Armee. Diese zählt zur Zeit 800.000 Mann (bei rund 800 Millionen Einwohnern!). Sie ist in fünf Armeegruppen (Nord, Süd, Ost, West und Mitte) gegliedert und überall im Land verstreut stationiert, sowohl in fruchtbaren als auch in von Umweltzerstörung betroffenen Gebieten. Wo immer Soldaten hinkommen, entstehen grüne Oasen, gibt es Schatten und Wasser für Mensch" und Tier. Die meisten Soldaten sind bäuerlicher Herkunft und verstehen das Lebensgeflecht in der Natur, das Zusammenwirken von Wasser und Boden, Luft und Wald.
Jede größere militärische Einheit besitzt heute eine „Umwelt-Zelle". Die Brigadekommandos haben die Aufgabe, alle Umweltschulungsund Umweltschutzaktivitäten zu koordinieren. Sie arbeiten im engen Kontakt mit dem Umweltministerium, den staatlichen Forstämtern und dem indischen World-Wildlife-Fund, dessen ideenreicher Präsident übrigens ein pensionierter Armeegeneral ist.
Strahlender Erfolg eines Infanteriebataillons im westlichen Indien: Vor drei Jahren begann ein Kerntrupp von 74 Mann mit dem Setzen von 50.000 Bäumen. Um das kostbare Regenwasser zu sammeln, bauten die Männer kleine Auffangdämme. Im zweiten Jahr waren es schon 100.000 und im dritten noch einmal 100.000. Daß 90 Prozent, also 225.000-ein ganzer Wald - überlebten, verdanken sie der liebevollen Pflege durch die Soldaten.
Die beeindruckte nationale Forstbehörde schickte einen Botaniker zum Bataillon, um beim Aufbau einer eigenen Baumschule und einer Schößlingsaufzucht aus Samen zu helfen. Schnellwachsende Kasuarinas werden als Windbrecher zum Schutz von Vielfachkulturen eingesetzt: Obstbäume - Mangos, Zitronen, Papayas und Guaven -werden mit heimischen Laubbäumen und Akazien durchmischt.
Indien ist vermutlich das einzige Land, das drei eigene Öko-Bataillone aufgestellt hat; zwei weitere sind im Entstehen. Diese Bataillone schützen Wild und Wälder, forsten auf und sorgen für die Neubelebung verwüsteter Landstriche. Zwei Bataillone sind in durch Kahlschlag katastrophal geschädigten Himalaya-Gebieten zur Wiederaufforstung eingesetzt, ein drittes pflanzt Bäume entlang des Ganga-Kanals in der Radjasthan-Wüste, um deren weiteres Vordringen zu verhindern.Auch an. der Rettung des indischen Tigers war das Militär beteiligt. Früher, in den alten, wildreichen Zeiten, war die Jagd das Hobby der Offiziere, schon in Fortsetzung der Tradition aus der Kolonialzeit. Kein britischer Offizier, der auf sich hielt, kehrte ohne Tigerfell und Elefantenzähne nach England zurück. (Ähnliche Bräuche soll's auch bei uns geben; etwa auf dem Truppenübungsplatz Allentsteig, wo mancher Verteidigungsminister der Wildschwein-hatz zu frönen pflegte.)
Die Jagdfreude war bei den Oberen Indiens gerne gesehen, übte man doch dabei Treffsicherheit und Spurenlesen, wichtige Künste in altmodischen Kleinkriegen und in der Niederschlagung von Rebellionen im schwierigen Gelände. Doch seit den Tagen Indira Gandhis ist die Jagd, vor allem die Großwildjagd, verpönt.Man begnügt sich nicht mit Ver- und Geboten. Daneben gibt es Auabildung und Motivierung zum Umweltschutz an allen Militärhochschulen, an den Ingenieursschulen und vor allem an der traditionsreichen Nationalen Verteidigungsakademie. Auf deren Gelände hält der World-Wildlife-Fund jeden November einen Workshop ab und die Kadetten absolvieren richtige Umweltschutzprogramme. In allen fünf Armeegruppen gibt es jedes Jahr Umweltlehrgänge für Offiziere und deren Familien.
Heute in Indien die Abschaffung der Armee zu fordern, würde kein Echo wecken, ist sie doch eine der wenigen landesweit funktionierenden Institutionen. Dazu sind die Grenzkriege mit Pakistan und China in zu lebhafter Erinnerung und neue Konflikte könnten jederzeit aufflammen. Doch seit Jahren ist auch der Gedanke, daß Indiens dauernde Sicherheit in erster Linie von der Rettung und Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen abhängt, fest in der Armee verankert. Im Krieg gegen die erbarmungslose Naturzerstörung hat sie erste Siege errungen.
Zurück ins „Drakenreich": Die Abschaffung des Österreichischen Bundesheeres - trotz aller Befriedigung und Beseitigung Eiserner Vorhänge an unseren Grenzen- ist sicher nicht von heute auf morgen durchsetzbar.
Seine tatkräftige Hilfe für die Erdbebenopfer in Armenien und der Dienst bei den „Blau-Helmen" der UNO in den Krisengebieten sind humanitär, nützlich und anerkennenswert. Sie allein rechtfertigen jedoch nicht die Existenz einer Armee, denn solche Leistungen wären auf andere Weise viel billiger zu vollbringen: man braucht dazu so gut wie keine schwere Bewaffnung. Österreichs Sicherheit wird weder durch Waffenkäufe im Ausland noch durch Milliardenaufträge an die heimische Waffenproduktiön - die den Vorwand für den Waffenexport in Krisengebiete abgibt - samt deren Pleiten und Scherbenhaufen politischen Porzellans garantiert.
Aber solange wir das Bundesheer haben, fände es als aktive Umweltschutztruppe sicher den Beifall der österreichischen Bevölkerung. Zu tun gäbe es genug und militärische Hindernisse stehen dem nicht im Wege - wie es das indische Beispiel zeigt - höchstens die Phanta-sielosigkeit.
Die Autorin war Klubobfrau der Grünen im Parlament.
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