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Hält das neue Team, was Bacher verspricht?

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Nun hat der ORF auch jene fünf Spitzenmanager und Programmacher, die in nächster Zeit an vorderster Front mit Gerd Bacher zusammenzuarbeiten haben werden. Mit 28 Stimmen bei nur zwei Enthaltungen wurden der kaufmännische Direktor Walter Skala, der technische Direktor Norbert Wassiczek und Hörfunkintendant Wolf In der Maur wiedergewählt und der bisherige Fernseh-Sportchef Thaddäus („Teddy“) Podgorski zum Intendanten des 1. TV-Kanals sowie der bisherige Niederösterreichjntendant Ernst Wolfram Marboe zum Intendanten des 2. TV-Kanals bestellt.

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Nun hat der ORF auch jene fünf Spitzenmanager und Programmacher, die in nächster Zeit an vorderster Front mit Gerd Bacher zusammenzuarbeiten haben werden. Mit 28 Stimmen bei nur zwei Enthaltungen wurden der kaufmännische Direktor Walter Skala, der technische Direktor Norbert Wassiczek und Hörfunkintendant Wolf In der Maur wiedergewählt und der bisherige Fernseh-Sportchef Thaddäus („Teddy“) Podgorski zum Intendanten des 1. TV-Kanals sowie der bisherige Niederösterreichjntendant Ernst Wolfram Marboe zum Intendanten des 2. TV-Kanals bestellt.

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Der erste Freudentaumel über die überwältigende Mehrheit für die fünf Spitzenleute des ORF hat freilich übersehen, daß auch ein Gerd Bacher „seine“ Mannschaft erst nach langwierigen Verhandlungen und nicht ohne genaue Absprache zwischen den Partei-Lagern durchbringen konnte. Daß es nicht ganz leicht war, das Personalkarussell des ORF zur Zufriedenheit aller wieder zum Stillstand zu bringen, sieht man auch an der weiteren Verwendung des bisherigen FS-2-Chefs Franz Kreuzer: Als eine Art „Super-Chefredakteur“ wird er quer durch die Kanäle regieren dürfen, ungeachtet dessen, daß es gerade eines der Hauptziele der letzten ORF-Reform war, die Trennung der

beiden TV-Kanäle ohne Rücksicht auf Verluste durchzuziehen.

Sieben der neun Landesintendanten wurden vom Kuratorium bekanntlich mit Mehrheiten zwischen 21 und 25 Stimmen wiedergewählt. Lediglich Niederösterreich und Salzburg waren nach der Geschäftsordnung noch gar nicht fällig.

Mit der Bestellung von Ernst Wolfram Marboe zum FS-2-Chef muß nun auch der Posten des Landesintendanten für Niederösterreich neu besetzt werden. Im Gespräch sind ORF-Generalsekretär Paul Twaroch, der frühere FURCHE-Chefredakteur Hans Magenschab sowie Ernst Exner aus dem Landesstudio Niederösterreich.

Die farbigste und facettenreichste Gestalt des neuen ORF-Führungsteams ist ohne Zweifel der wiederbestellte Intendant des Hörfunks, Wolf In der Maur. Elegant, mit einem selbstverständlich herrenmäßigen Benehmen - es gibt nur wenig Leute, die ihn je schreien gehört haben - scheint er der Typ zu sein, der in der Wiener Gesellschaft tonangebend sein kann.

Schon 1966, als die Vorarbeiten zur Rundfunkreform begannen, hatte In der Maur mit großer Entschiedenheit - nicht zuletzt in der „Furche“ - die Pläne der „Reformväter“, dem Unternehmen eine „starke Spitze“ zu geben, insofern bekämpft, als er dafür eintrat, Rundfunk und Fernsehen nach dem Muster einer Aktiengesellschaft zu organisieren, mit einem Vorstand an der Spitze, in dem der Vorsitzende ein Primus inter pares ist.

Ob es um Probleme der staatlichen Medien, oder um die neuentstandene audiovisuelle Technik ging, In der Maur wurde zum Berater Bruno Kreiskys. Ein Plan, ihn mit einem Staatssekretäriat zu betrauen, konnte nicht verwirklicht werden. Doch berief Kreisky In der Maur in die Rund-funkkommission-wie übrigens auch

Teddy Podgorski - und machte ihn zu seinem Stellvertreter.

Das neue Gesetz war dazu bestimmt, einem starken Generalintendanten, wie Gerd Bacher, Grenzen zu setzen. Der Gedanke, einen Nur-Juristen als Generalintendanten einzusetzen, hat sich nun in vier Jahren als Irrtum erwiesen. Der ORF ist ein Gebilde, so meint In der Maur, das zugleich Zeitung und Theater, Kino und Konzertsaal, Oper und Diskothek, Sportarena, Rennbahn, Universität und Kindergarten ist. Zweifellos muß ein solches Unternehmen an der Spitze eine Persönlichkeit haben, die von diesen Gebieten mindestens eines, aber möglichst mehrere, beherrscht.

Seine starke musische Begabung wirkt sich naturgemäß auch auf die Art, wie er den Hörfunk führt, aus. Ein besonderer Musikkenner, pflegt er mit großer Liebe alle musikalischen Sendungen, vom Konzert bis zur Oper, vom Schlager bis zur Arie. So hängt In der Maur*s Herz auch im besonderen an den Erfolgen des Rundfunkorchesters. Hörspiel, Literatur, Wissenschaft, Kabarett gehören ferner zu seinen besonderen Interessen. Unter seiner Leitung hat der Höfunk. in vier Jahren mehr Preise und mehr Anerkennung gefunden als in den sieben Jahren zuvor.

Wer immer in diesem seltsamen Beruf tätig ist, steht unter Erfolgszwang. Teddy Podgorski hingegen steht unter keinem Zwang - er hat einfach Erfolg.

Wie er das anstellt, weiß niemand so genau. (Ich fürchte, daß er es selbst auch nicht weiß.)

Vielleicht liegt es an jenem undefinierbaren „Etwas“, das man im amerikanischen Showbusiness „Star-quality“ nennt: Die nicht erlernbare Eigenschaft, einen alten Witz so zu erzählen, daß man trotzdem darüber lachen muß. Eine Gesprächsrunde zum Schweigen zu bringen, indem man ganz leise zu sprechen beginnt. Eine eher ausgefallene Meinung so zu formulieren, daß jeder Widerspruch sinnlos erscheint.

Seit es in Österreich Fernsehen gibt, ist er dabei. Und er fühlte sich in den Kinderschuhen der ersten Jahre ebenso wohl, wie in den Siebenmeilenstiefeln der Gegenwart.

Wer weiß heute noch, daß er es war, der den Begriff „Zeit im Bild“ erfand? Er war es auch, der als erster entdeckte, daß ein Interview nicht

Teddy Podgorski: Er wird Intendant spielen müssen

nur informativ, sondern auch unterhaltend zu sein hat. Er war einer der ersten, die das Wort „Teamwork“ nicht im Munde führten, sondern in der Praxis anzuwenden wußten.

Und der die goldene Kamera, die er zu Recht bekam, spontan mit seinem Freund Walter Pissecker teüte.

Er wird es aber jetzt nicht so leicht haben, wie bisher. Denn das Team, das ihm ab nun zur Verfügung steht, hat er sich nicht selbst ausgesucht. Er wird mit Leuten zusammenarbeiten müssen, deren Mentalität ihm fremd ist, deren Sprache er nicht versteht. Er wird seinen Kopf für viele Blödheiten diverser unkündbarer Abteilungsleiter herhalten müssen. Er wird mißlungene Sendungen in der Öffentlichkeit verteidigen müssen, von denen ich heute schon weiß, daß sie ihm selbst nicht gefallen.

Kurz: er wird Intendant spielen müssen. Eine Rolle, die noch weit mehr unter Erfolgszwang steht, als alle Rollen, die er bis heute gespielt hat. Aber wenn es im Kader des ORF einen Mann gibt, dem ich diese Rolle zutraue, dann ist es er.

Vor vier Jahren, als ich selbst für den Posten eines Fernsehintendanten zur Debatte stand, erklärte ich in einem „Kurier“-Interview: „Ich bin nicht sicher, ob ich der beste Mann für diesen Job bin. Ich könnte mir sehr gut den Teddy Podgorski als Intendanten vorstellen.“

Diesem vier Jahre alten Statement . habe ich nichts hinzuzufügen.

Er ist ein Mensch des lustvollen Spektakels. Er hat gelernt, auf einer Bühne und im kleinen Welttheater hurtig und einfallsreich Regie zu führen. Er hat begriffen, daß die Grenzen zwischen Schein und Sein verschwommen sind: Niemand

weiß, ob der andere ein Kostüm trägt oder ein schlichtes Gewand, und oft erscheint man selber kostümiert, obwohl man glaubt, die nackte Haut zu Markte zu tragen. Er hat dennoch einen feinen Sinn für den Unterschied zwischen Mensch und Maske, zwischen Macht und Beiwerk. Er hat Stücke, Zeitschriften, prunkvolle Feste und ein Hörfunk-Studio inszeniert, mit viel Begeisterung und fast bereits eigenbrötlerischer Liebe. Er hebt das Spielen.

Auch darin zeigt sich die barocke Buntheit seines Wesens. Er schöpft aus dem Gefühl der Fülle. Gottes Schöpfung ist groß, ist bevölkert von wundersamen Geschöpfen, von Narren, Heiligen und schönen Frauen, und es ist eine schwer faßbare Gnade, an ihren Possenspielen teilhaben zu dürfen. Theater, Rundfunk, Fernsehen: All die Künste widerspiegeln die Doppelnatur des Menschseins. Es ist die Verantwortung des Schaustellers, Liebe und Niedertracht zu trennen und im Chaos die Möglichkeiten einer sinnvollen Ordnung zu zeigen. So, ungefähr, mag das Credo dieses passionierten Inszenators lauten.

Er liebt es, mitten in das Chaos hineinzuspringen, ja, ein eigenes Chaos herbeizurufen, um die Dinge dann einer höheren Ordnung zuzuführen. Sie ist farbig und lebendig, diese Ordnung, will sich durch starre Systeme nicht fassen lassen: Deshalb stört sie die Dogmatiker einer vorgeblichen Erneuerung genauso wie die Anhänger liebgewonnener Versteinerungen. Die schöpferischen Einfälle des Augenblicks dulden kein Rezept.

Bisher ist dieser umsichtige Schwärmer mit den berechenbaren Dingen erstaunlich gut zurande gekommen: Indem er die Einwände der Kleinlichkeit überhörte und geradezu arglos überging. Er vermochte, dem Gewicht der Dinge seine Lust an der Vision entgegenzusetzen, und, siehe da: Stärker als der Widerstand der alten Anordnung war der Wille zum neuen Chaos. Das fernsehende Publikum wird nun Gelegenheit erhalten, in die abenteuerlichen Augenblicke des Ernst Wolfram Marboe mit der Hilfe der Elektronik täglich hineinzublicken.

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