6824334-1974_04_01.jpg
Digital In Arbeit

Hält Sadat diesen Frieden aus?

Werbung
Werbung
Werbung

US-Außenminister Henry Kissinger gehört am Nil gegenwärtig zu den meistbewunderten Persönlichkeiten. Während Präsident Sadat und die israelische Premierministerin Golda Meir krank waren, pendelte der „Unverwüstliche“ zwischen dem Regen von Tel Aviv und dem Schnee von Jerusalem sowie dem trockenen Reizklima des früher berühmten Lungenluftkurortes Assuan hin und her, als ob es sich um die kurze Bahnfahrt auf der historischen ersten europäischen Eisenbahnstrecke von Fürth nach Nürnberg handle, die er als Schuljunge oft zurückgelegt haben mag. In die Hochachtung für diese physische und psychische Leistung mischt sich hierzulande neben der so lange unerwidert gebliebenen alten ägyptischen Liebe für die cleveren Amerikaner das nicht viel jüngere Gefühl der Zuneigung für die Deutschen mit einer bislang viel zuwenig ausgeloteten geheimen Bewunderung für die Zivilisationsleistung der Juden (auch in Palästina). Kissinger ist ein Held so recht nach ägyptischen Vorstellungen. Er vollbringt schier übermenschliche Leistungen. Er ist Amerikaner, geborener Deutscher und Jude nach der religiösen Herkunft — ein Dayan, den man auch am Nil akzeptieren kann.

Zwar weiß hier noch niemand, wie das von diesem politischen Herkules und Hansdampf in allen Gassen letztlich zustande gebrachte Abkommen schließlich verwirklicht wird. In offiziellen Kreisen wie bei denen, die man gewöhnlich nicht zu befragen pflegt, ehe man über ihr Schicksal entscheidet, herrschte allerdings bemerkenswerte Übereinstimmung über die zu erwartenden Auswirkungen. Rücken die Truppen an der

Die Aufhebung der sogenannten AUersklausel der SPÖ für Bundeskanzler Bruno Kreisky spaltet die SPÖ. Wiens mächtiger Obmann will Kreisky in Pension schicken (wenn er schon selbst auch gehen muß), die Parteichefs in Oberösterreich und der Steiermark möchten Kreisky am liebsten noch bis 1980 am Ballhausplatz sehen.

Nun, die sogenannte Altersklausel der SPÖ (die auch die ÖVP in ihrem Statut hat) widerspricht einer Bestimmung unserer Verfassung, die die passive Wählbarkeit nicht an das Pensionsalter bindet. Wie die Dinge liegen, setzten Parteistatuten via facti sohin die Bundesverfassung außer Kraft. Und hätte Österreich — wie etwa die Bundesrepublik — ein Parteiengesetz, dann würde ein solches „verfassungswidriges“ Parteistatut selbstverständlich aufgehoben voerden.

Tatsache ist, daß sich die österreichischen Parteien allzu leichtfertig demokratisch nennen. Geht man den Dingen auf den Grund, dann erkennt man erst, wie unbedenklich mit den Pflichten umgesprungen wird, die sich aus der Verfassungsforderung nach Demokratie und aus den Grundrechten ergeben. Motto: Was schert uns die Verfassung — wir - machen ja doch, was wir wollen.Suezfront auseinander, so sagt man hier in den Ministerien wie unter den Leuten auf der Straße, ist das gleichbedeutend mit dem „Disengagement“ Ägyptens aus dem Palästinakonflikt.

Doch mit wem man auch darüber sprach, keiner vergaß den Hinweis auf den von demselben Kissinger zustande gebrachten „Disengage-ment“-Frieden der USA in Südostasien, dem bislang eben kein Frieden folgte. Und beinahe niemand, mit dem über die weiteren Aussichten in der Nahostregion zu reden war, verbarg seine mindestens zwiespältigen und meistens dunklen Gedanken. Kein Zweifel kann nach wie vor an der Verständigungsbereitschaft Präsident Sadats bestehen. Ägyptens Staatschef scheint sein Land um beinahe jeden Preis künftig aus dem Nahostkonflikt heraushalten zu wollen. Diese Formulierung zeigt auch schon, daß man in Kairo keineswegs an ein notwendigerweise damit verbundenes Ende dieses Streits glaubt. In den Cafes am rechten Nilufer, wo heute politische Gespräche leichter möglich sind als in den sechziger Jahren mit ihrer Furcht vor den allmächtigen, allgegenwärtigen und aHwfeisenden Geheimpolizisten, faßt man dieses Unbehagen in folgende Sätze: „Bis zum Sechstagekrieg glaubten wir nur einen kleinen Sieg zu brauchen, um unseren Frieden mit den Zionisten maohen zu können. Jetzt zeigt es sich, daß dieser Sieg für unsere Offiziere Grund genug ist, weiterzukämpfen. Werden sie einem Friedensschluß wirklich zustimmen?“ Oder; „Die alte israelische Theorie lautete, wenn Ägypten nur Frieden schließe, werde sich alles andere von selbst finden. Wir konnten uns auf das Verhandlungsabenteuer aber nur einlassen, weil wir auf die panarabische Führerrolle verzichtet haben. Ob die anderen Araber uns jetzt noch weiter folgen, ist eine offene Frage. Und ob wir bei unserer jetzigen Politik bleiben können, wenn sie das nicht tun, ist die weitere Frage.“

Über ein weitaus wichtigeres Problem, das in unmittelbarem Zusammenhang steht mit den Kissinger-Verhandlungen, gibt man sich in Kairo verständlicherweise keine direkte Rechenschaft: Präsident Sadat entging, nach allem, was man weiß, in der Endphase des Oktoberkrieges nur knapp einem von prolibyschen Offizieren ausgeheckten Attentat. Der Staatsohef befindet sich, wenn er Frieden schließen will, zwar in völligem Einklang mit der Bevölkerungsmehrheit. Doch das Offizierskorps, soweit es den libyschen Militärdiktator Gaddafi als legalen Nachfolger Nassers bewundert, ist ebenso gegen ihn wie der Teil der alten nasseristischen Führung, den er in die Wüste schickte. Der nur von der amtlichen Propaganda fast vergessen gemachte „Rais“ konnte 1952 nur deshalb so leicht und erfolgreich putschen, weil sich König Faruk und seine gesamte Regierung damals in Alexandria befanden. Ehe sie richtig aufgewacht waren, befand sich die Macht in Kairo in anderen Händen. Die Parallele ist augenscheinlich: Präsident und Regierung sind in Assuan, und in Kairo könnte unterdessen manches passieren. Die Frage lautet: Wie lange überlebt Sadat seine Unterschrift auf dem von Kissinger vermittelten Abkommen?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung