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Hände weg vom Semmering!

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Argumente des Bundesdenkmalamtes gegen den Basistunnel der ÖBB

Die ÖBB möge mit dem für 1989/ 90 geplanten Baubeginn des rund sechs Milliarden Schilling teuren Semmering-B asistunnels noch warten und dafür einem anderen Projekt den Vorrang geben - beispielsweise dem Ausbau der Pyhmstrek- ke, der nach Meinung der Ökonomen schon heute für die Regionen Oberösterreich und Steiermark von wirtschaftlicher Notwendigkeit wäre. Der neue Semmeringtunnel bringe dagegenbloß eine Geschwindigkeitsbeschleunigung von fünfundzwanzig bis dreißig Minuten, während überhaupt nicht erwiesen sei, ob größeren Zuglasten mit umfangreicherem Lichtraumprofil,

dem die extrem engen Tunnelprofile der Semmeringbahn nicht gewachsen wären, tatsächlich europaweit die Zukunft gehört.

Diesen Standpunkt vertritt sinngemäß Peter Swittalek, Leiter der Abteilung für technische, wirtschaftliche und sozialgeschichtliche Denkmale des Bundesdenkmalamtes, bei seinen Verhandlungen mit denBundesbahnen. Denn selbstverständlich^will man seitens des Denkmalamtes die älteste Gebirgsbahn unseres Kontinents mit ihren sechzehn teilweise mehrstöckigen Viadukten und fünfzehn zumeist kurzen Tunnels erhalten.

Als Karl Ritter von Ghega seine Pläne für eine Rampenbahn über den 986 Meter hohen Semmeringpaß vorlegte, hielt man sie für undurchführbar. Daß man sich dann doch entschloß, den bislang ausgesparten Streckenteil an der Eisenbahnlinie Wien-Triest just nach Ghegas Vorstellungen zu schließen, lag auch in dem B estreben des Staates, die Unruhen von 1848 durch ein umfangreiches Arbeitsbeschaffungsprogramm zu befrieden.

Zwar hätten damals manche eine östliche Umgehung der Alpen über das topographisch günstigere ungarische Staatsgebiet lieber gesehen, und auch die Fuhrwerker, die den Transport zwischen den beiden Bahn-Endpunkten Gloggnitz und Mürzzuschlag bis dabin besorgt hatten, protestierten gegen eine Eisenbahnüberquerung des Passes. Doch Ghegas kühnes Projekt lag in allen Einzelheiten vor, und seine Umsetzung gab sechs Jahre lang bis zu 10.000 Arbeitern Brot.

Schließlich konnte die Semmeringbahn, deren längster Tunnel vor Mürzzuschlag 1,5 Kilometer mißt und dessen höchstes Viadukt 46

Meterhoch ist, am 17. Juli 1854 dem Verkehr übergeben werden.

Bald wurde die Ghega-Bahn weltweit bewundert und kopiert. Sie wurde nicht nur von den Sommerfrischlern gerühmt, die, einem weitverbreiteten Gebrauch des 19. Jahrhunderts entsprechend, mit ihr in die Kurorte am Semmering fuhren. Auch in der Gegenwart genießen Touristen aus aller Herren Länder den Ausblick, der sich ihnen während der Fahrt auf malerische Täler, Berge und Wälder bietet.

Würde die Strecke hinter Payerbach dem dreizehn Kilometer langen Basistunnel geopfert werden, hätten auch die Stationen Küb, Eichberg, Klamm-Schottwien, Breitenstein, Wolfsbergkogel, Semmering, Steinhaus und Spital ausgedient.

Die Anrainerproteste sind bisher ergebnislos geblieben. Die um den Fremdenverkehr bangende Bevölkerung wird auf neue, die Semmering-Gemeinden verbindende Buslinien vertröstet. Eisenbahnfans verspricht man, auf der alten Trasse in alten Dampfloks ihrem Hobby nostalgisch frönen zu dürfen.

Im Bundesdenkmalamt hält man solche Pläne für Utopie. Dort schließt man aus, daß private Vereine die finanziellen Mittel aufbringen können, die für die kostspielige Tunnel- und Viadukterhaltung nötig wären. Zudem verrosten die Schienen, sobald sie nicht ständig befahren werden. Falls der Basistunnel errichtet werden sollte, sieht Peter Swittalek bloß eine Chance für das Überleben der Semmeringbahn: daß sie im Auftrag des Gesetzgebers als Nebenbahn betrieben wird und der Staat das Defizit trägt

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