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Härtetest für die neuen GUS-Währungen

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Die Zuteilung von Rubel durch die Russische Nationalbank an die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion gehört endgültig der Vergangenheit an. Jetzt sind die neuen Staaten gezwungen, auch währungspolitisch auf eigenen Füßen zu stehen.

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Die Zuteilung von Rubel durch die Russische Nationalbank an die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion gehört endgültig der Vergangenheit an. Jetzt sind die neuen Staaten gezwungen, auch währungspolitisch auf eigenen Füßen zu stehen.

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Die Ankündigung der Russischen Nationalbank, alle Geldscheine, die vor 1993 gedruckt wurden - das sind diejenigen mit dem Leninbildnis -einzuziehen beziehungsweise innerhalb weniger Tage umzutauschen, hat in den vergangenen Wochen in der GUS Unruhe, ja Panik, hervorgerufen. Die unzureichende Infrastruktur des Bankensystems, die kurze Zeitspanne, die ursprünglich avisiert war

- man sprach von zwei Tagen, in denen der Umtausch vorgenommen werden sollte - aber auch die mangelnde Information über den Sinn und Zweck des Umtausches führte zur Verunsicherung der Bevölkerung. Dazu kam, daß sich auch die politische Führungsgarnitur uninformiert zeigte. Dies war ein guter Nährboden für Verdächtigungen. Putschgerüchte wurden laut.

Nach einem politischen Tauziehen

- das Parlament beschloß sogar die Einstellung der Aktion - einigte man sich darauf,

□ den Zeitraum bis Ende August auszudehnen und

□ den Betrag, der bar in neue Geldscheine eingetauscht werden konnte, auf 100.000 Rubel pro Person zu erhöhen. Beträge, die darüber hinausgehen, können nur über Banknoten abgewickelt werden, die jedoch für sechs Monate gesperrt bleiben.

Hohe Kaufkraftverluste

Diese Sperrkonten werden zu beträchtlichen Kaufkraftverlusten der betroffenen Personen führen; einem Zinssatz von 150bis 170 Prozent, den man für diese Einlagen lukrieren kann, steht eine Inflationsrate von 800 bis 1.000 Prozent gegenüber.

Ist diese Maßnahme wirtschaftspolitisch sinnvoll? - Diese Frage wurde auch im Westen kaum beantwortet.

Der wirtschaftspolitische Reformkurs der russischen Regierung bedeutete für die sich bildenden Nachfolgestaaten der UdSSR von Anfang an eine schwere Belastung. Während Rußland die Preise freigab, verfolgten die weniger reformfreudigen GUS-Länder weiterhin die Politik der administrativen Preiskontrolle. In Rußland selbst kam es durch die neue Politik zu kräftigen Preis- und Lohnsteigerungen, aber auch zu einer rasant steigenden Geldmenge.

Dieser Unterschied in der Wirtschaftspolitik führte zu immer größeren Kaufkraftunterschieden des Rubels in den einzelnen Nachfolgestaaten: Während man zum Beispiel in

Kiew für ein Kilo Fleisch noch immer rund ein Rubel zahlte, kostete es in Moskau bereits zehn Rubel. Um einen Ausverkauf ihrer Länder zu vermeiden, sahen sich die Nachfolgestaaten gezwungen, entweder selbst die Preisreform nachzuvollziehen oder zu strikten Ausfuhrkontrollen zu greifen. Da die Wirtschaftspolitiken nicht koordiniert werden konnten, gingen die einzelnen Staaten in der Folge dazu über, eigene Währungen in Umlauf zu bringen.

Gegenwärtig gibt es auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion drei verschiedene monetäre Geldsysteme:

□ Die Republiken, die bisher ausschließlich den Rubel als Zahlungsmittel beibehalten haben: Armenien, Kasachstan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan.

□ Repubiken, die neben dem Rubel eine eigene Parallelwährung (Kou-pons, Talons) eingeführt haben: Aser-beidschan, Belarus, Georgien, Moldawien.

□ Länder mit eigener Währung, oft Übergangswährung wie Estland: Estnische Krone (eingeführt 20. Juni 1992), Litauen: Litauischer Talon (seit 1. Oktober 1992), Lettland: Lat (seit 5. März 1992), Ukraine: Karbovanec (seit 12. November 1992) sowie Kirgisien: Som (seit 10. Mai 1993).

Die bunte Vielfalt des Währungsangebotes auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion ist aber keineswegs eine Garantie für die zukünftige Prosperität der einzelnen nationalen Wirtschaften.

Mit dem Ausscheiden aus der Rubelzone erhielten die einzelnen Staaten zwar theoretisch mehr Souveränität und Eigenverantwortung über ihre Geld- und Wechselkurspolitik, konnten dies jedoch de facto nicht voll realisieren, da das notwendige Vertrauen in die Wirtschaftspolitik sowohl im Inland als auch im Ausland äußerst begrenzt ist.

Zustimmung des IWF

Beim Internationalen Währungsfonds (IWF), der ursprünglich ein Verfechter der Beibehaltung der Rubelzone war, hat man sich mit dem Ende offenbar abgefunden: es sei besser, aus der Rubelzone auszusteigen als gemeinsam die Rubelmenge weiter aufzublähen, verlautete kürzlich der IWF.

Mit der Umtauschaktion hat nun Rußland einen Schlußstrich gesetzt: Die Zuteilungen von Rubel an die einzelnen Länder durch die Russische Nationalbank, die bislang, wenn auch immer unregelmäßiger, vorgenommen wurden - die Republiken beklagten oft die „Geldknappheit” -gehören endgültig der Vergangenheit an. Die eingeführten nationalen Währungen müssen ihren Härtetest bestehen und zeigen, daß sie mehr sind als bloß bedrucktes Papier.

Gleichzeitig hat Rußland mit der Umtauschaktion auch verhindert, daß die in den Nachfolgestaaten durch die Einführung der eigenen Währung freiwerdenden Rubelmengen wieder ins Land strömen und damit die Inflation Rußlands weiter anheizen.

Inoffizielle Rubelzone

Mit jenen Ländern, die weiter den Rubel als einziges offizielles Zahlungsmittel beibehalten wollen (es handelt sich hier um Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan und Kirgisien) soll nunmehr eine eigene Vereinbarung geschlossen werden. Die Wirtschaftspolitik dieser Länder muß in diesem Fall aufs engste mit jener Rußlands abgestimmt werden; ein Vorgehen, das sicher die Aufgabe einiger Souveränitätsrechte mit sich bringen wird. Mit einer gemeinsamen Zentralbank dieser Länder in Moskau wird eine offizielle, kleine Rubelzone ins Leben gerufen.

Die übrigen GUS-Länder müssen nunmehr endgültig nachweisen, daß sie fähig sind, wirtschaftlich auf eigenen Füßen zu stehen. Da nunmehr die Verlustbetriebe in den Nachfolgestaaten ausschließlich mit nationaler Währung subventioniert werden müssen, wird die Inflationsrate in den Nachfolgestaaten noch exzessiver ansteigen. Auf einen Nenner gebracht: Nahezu alle Republiken (vielleicht mit Ausnahme Kasachstans) sind bankrott. Weder können sie sich die notwendigen Energieimporte leisten, noch sind sie in der Lage, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine Volkswirtschaft für ihre Funktion benötigt.

Angesichts dieser wirtschaftlichen Lage in den Nachfolgestaaten kann erwartet werden, daß der Rubel auch in den übrigen Nachfolgestaaten von zentraler Bedeutung bleibt, eine Art „harte” Währung inmitten vieler exotischer Blüten. Anzeichejtj dafür gibt es: In einigen Ländern weigerten sich die Arbeiter Landeswährung anzunehmen und forderten Rubel. Auch in der Ukraine wird die eigene Währung, die bereits deutlich schwächer ist als der Rubel, nur widerwillig angenommen.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, welche Währung künftig im Intra-GUS-Handel akzeptiert wird. So hat zum Beispiel Kasachstan bereits auf die Einführung des Soms als eigenständige Währung Kirgisiens reagiert: für sämtliche Güter und Dienstleistungen muß Kirgisien zukünftig in US-Dollar bezahlen. Usbekistan stellte seine Gaslieferungen im Südwesten Kirgisiens ein, aus Furcht, das Land werde die Schulden nicht bezahlen. Auch wurden alle Geldgeschäfte zwischen den beiden Staaten vorläufig ausgesetzt.

In diesem währungspolitischen Durcheinander kann der neue russische Rubel inoffiziell weiter die Leitwährung bleiben. Die Abnabelung der Nachbarstaaten von der Geldversorgung durch Rußland kann ein erster Schritt hin zu einer gesünderen Währung gewesen sein.

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