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Häßliches Antlitz

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Wer am 6. September in Südafrika zum neuen Präsidenten gewäh It wurde, stand bei Redaktionsschluß noch nicht fest. Trotz Reformen hat sich im Apartheidstaat aber nicht viel geändert.

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Wer am 6. September in Südafrika zum neuen Präsidenten gewäh It wurde, stand bei Redaktionsschluß noch nicht fest. Trotz Reformen hat sich im Apartheidstaat aber nicht viel geändert.

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Man kann nach Herzenslust herumdiskutieren, doch niemand kann ernsthaft bestreiten, daß aus dem typischen Buren Pieter Willem Bertha ein Reformer geworden war. Jeder, der das Land am Kap bereist hat, weiß, daß Botha nach europäischen Maßstäben eher ein konservativer Politiker gemessen an den berechtigten Forderungen der schwarzen Mehrheit, nach südafrikanischen Maßstäben der Weißen, und da insbesondere der weißen Land-Bevölkerung, eherein Revolutionär war.

Immerhin versuchte er auch, die sogenannte kleine Apartheid abzuschaffen. Ein Versuch. Denn in manchen Gemeinden, in denen die Conservative Party (CP) die Macht übernommen hat, feiert die kleine Apartheid wiederfröhliche Urständ.

Eines dieser unrühmlichen Beispiele ist Boksburg. Da gibt es wieder getrennte Eingänge für Schwarz und Weiß, da zeigt die Segregation der Rassen ihr häßliches Antlitz. Aus Protest fahren Schwarze zum Einkauf in andere Städte, um durch Boykott zu zeigen, daß mit ihnen das alte Spiel von Macht und Ohnmacht nicht mehr möglich ist.

Als Protest tragen Schwarze groß auf dem Rücken den Aufsticken „Zap Boksburg' s Rassists in a Zipi“, was soviel bedeutet wie: Steckt die Rassisten aus Boksburg in einen Mistkübel. Die Reaktionen der Passanten sind unterschiedlich: Mancher Weiße klopft dem Schwarzen aufmunternd auf den Rücken, mancher Schwarze fürchtet sich vor der Zivilcourage des dunkelhäutigen Bruders, gibt es doch Regionen, in denen weiße Schlägertrupps unterwegs sind, um aufmüpfige Schwarze, die in grauen Zonen (gemischtrassige Wohngegenden) wohnen, zu verprügeln.

Die Regierungspolitik von P. W. Botha hat die Herzen der Verstockten oder „Verkrampten“, wie man in Südafrika sagt, leider überhaupt nicht erreicht. Im Gegenteil, die Slogans der Wahlplakate der Conservative Party stellten die Lösung der Namibiafrage als Verrat hin, sahen im Aufgeben der Portugiesen in Mozambique und Angola ein ungerechtfertigtes Handeln. In Aufschriften in Afrika ans, Englisch und Portugiesisch fordern sie hartes Vorgehen gegen die Wünsche der Schwarzen.

Wäre es nur politisches Geschwafel vor einer Wahl gewesen, brauchte man sich nicht viel Sorgen zu machen. Doch in Südafrika ist alles anders: Da kann ein hebenswürdiger, freundlicher Farmer, der den Besucher durchs Haus führt und gerne auch die Tiere auf den Weiden zeigt, plötzlich ein Raubtier werden. Er öffnet den Schrank, holt eine Büchse heraus, die man eher für eine Elefantenbüchse hält, und erklärt: „Wenn die Schwarzen die Macht übernehmen sollten und mir mein Land wegnehmen wollen, dann warte ich auf sie.“ Wer die Geschichte der Buren kennt, weiß, daß das kein Gerede ist.

So ein Farmer sieht in der Politik Bothas nur Verrat. „Wohin hat er uns gebracht? Wir zahlen Steuern, die Schwarzen haben viele Kinder, und wir zahlen noch für sie.“

In der Region nördlich von Uping-ton gibt es nicht nur ein Lokal, das getrennte Eingänge für Weiße und Schwarze hat. Im Teil der Weißen gibt es Stühle und Tische, frisch aufgemotzte Schlager der sechziger Jahre dröhnen aus den Lautsprechern. „Junge komm bald wieder“, „Nachts hör ich immer tausend Uhren schlagen“ und ähnliches, interpretiert von südafrikanischen Schnulzensängern, sorgt für die nötige Stimmung. Im Teil der Nichtweißen sitzt das Publikum auf dem Fußboden, ha der Eßhalle gibt es kein Mobiliar, aus dem Lautsprecher erklingt afrikanische Musik.

Küche gibt es nur eine, in der Schwarze kochen.

Häufig fehlt an den Eingangstüren der Hinweis, daß dieser Teil „reserved f or whites“ ist. Doch der fremde Gast wird durch Handzeichen zu dem für ihn richtigen Platz gewiesen. Da werden plötzlich jene Schranken deutlich, die zwischen deneinzelnenBevölkerungsgruppen aufgerichtet sind, und es' erscheint nur logisch, daß selbst in Lokalen, die für alle offen sind, in einem Raum die Schwarzen essen und trinken und in einem anderen die Weißen.

Nicht selten hört man als Antwort auf die Frage, warum die Schwarzen im Nebenraum feiern: „Die wollen das so. Die würden sich mit einem Weißen am Tisch gar nicht wohl fühlen.“

Wäre man zu keinem Fest in einer Township geladen, in der Schwarze, Weiße und Mischlinge miteinander feiern, tanzen, essen, trinken, rauchen und plaudern, könnte man glauben, die Nichtweißen wollen mit den Weißen wirklich nicht in näheren Kontakt treten.

Dabei ist es genau umgekehrt: In jedem Homeland, in jeder Township zeichnen sich die Besuchten dadurch aus, daß sie sich über den fremden Gast freuen. „Schau dir an, wie wir leben, damit du zu Hause erzählen kannst, wie es in Südafrika aussieht.“

Diesen Satz kann man auch von Weißen hören, nur meint er etwas anderes: Schau dir an, was wir für die Schwarzen alles tun. Nur wollen die Schwarzen nicht, daß man etwas für sie tut, weil sie häufig nicht gefragt werden, ob sie das überhaupt wollen, sondern sie wollen selbst bestimmen, wohin ihre Entwicklung geht.

Der amtsführende Staatspräsident Frederik Willem de Klerk von der Nationalen Partei will - sollte er auch gewählt worden sein - die Schranken zwischen den einzelnen ethnischen Gruppierungen beseitigen. Er wird den Schwarzen jene Möglichkeit zur Selbstbestimmung geben müssen, die ihnen eigentlich schon längst zustünde.

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