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Haftstrafe für geschwätzige Kontrollore

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Der Nationalrat beschließt diese Woche die Reform der parlamentarischen Geschäftsordnung - und damit auch die Einrichtung von „Kontrollausschüssen” für Österreichs Geheimdienste. Gleichzeitig eine Reform des Strafrechtes: Abgeordneten, die „Geheimnisse” aus diesen Ausschüssen in die Öffentlichkeit tragen, drohen Haftstrafen von bis zu drei Jahren.

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Der Nationalrat beschließt diese Woche die Reform der parlamentarischen Geschäftsordnung - und damit auch die Einrichtung von „Kontrollausschüssen” für Österreichs Geheimdienste. Gleichzeitig eine Reform des Strafrechtes: Abgeordneten, die „Geheimnisse” aus diesen Ausschüssen in die Öffentlichkeit tragen, drohen Haftstrafen von bis zu drei Jahren.

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Staatspolizei, Heeres-Nachrichten-amt, Abwehramt - Österreich verfügt über drei „Geheimdienste”, die von ständigen parlamentarischen Ausschüssen kontrolliert werden sollen.

Anders als etwa in Großbritannien wird hierzulande die Existenz der „Geheimdienste” offiziell gar nicht bestritten. Die jeweiligen Dienststellenleiter scheinen sogar im „Amtskalender” auf: Das Heeres-Nachrich-tenamt wird von Divisionär Alfred Schätz geleitet, das ebenfalls dem Verteidigungsressort unterstellte Abwehramt von Divisionär Kurt Diglas. Chef der dem Innenministerium zugehörigen Staatspolizei ist der durch ORF-Auftritte bekannte Oswald Kessler.

Der Alltag der „Dienste” bleibt dennoch im Dunkeln. Ausnahmen waren die Regel: So stellte sich etwa Kessler den Medien, als die Stapo vorübergehend des Ex-DDR-Meisterspions Markus Wolf habhaft wurde. Für Aufsehen sorgten auch Veröffentlichungen des Heeres-Nachrich-tenamtes 1991 zu Beginn des Krieges in Ex-Jugoslawien: Die professionellen Lauscher aus der Wiener Hüttel-dorfer Straße hatten frühzeitig (durch mitgehörte Telefonate höher Offiziere der „Volksarmee”) die Tragweite der Militäroperationen enttarnt.

Weniger freiwillig erfolgten die Auftritte der österreichischen Top-Spione vor dem Lucona-Untersu-chungsausschuß. Unvergessen ist die sogenannte „Stapo-Affäre”, als 1990 aufflog, daß die Staatspolizei Tausende Akten mit zumeist eher läppischen Informationen (auch Vereinsmitgliedschaften) über harmlose Staatsbürger gesammelt hatte. Auf den Lucona-Ausschuß geht auch der Wunsch des Parlaments nach wirksamer Kontrolle zurück.

Kritiker bezweifeln, ob der jetzige Gesetzesentwurf dies auch zuläßt. Grün-Sicherheitssprecher Rudi Anschoben „Vorgesehen ist, daß Unterausschüsse bloß zweimal im Jahr zusammentreten. Das ist zuwenig. Akteneinsicht gibt es nur dann, wenn das die Mehrheit beschließt. Im Klartext:

Wenn die Regierungsparteien nicht wollen, geht gar nichts.” Ungeklärt bleibt weiters die Möglichkeit eines „Lokalaugenscheines” bei den geprüften Dienststellen. Zudem wird durch Änderung des Strafrechtes ein neuer Paragraph 310 (Absatz 2) geschaffen: Mandataren, die die Vertraulichkeit brechen, drohen Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren.

SP und VP begründen dies damit, daß eine Handhabe gegen den Verrat von Staatsgeheimnissen geschaffen werden müsse. Denn bereits bei bisherigen Untersuchungsausschüssen (Lucona, Noricum) hätten etwa die Grünen vertrauliche Informationen weitergegeben. - Wodurch aber erst die Aufklärung der „glamourösen” Kriminalfälle möglich geworden war.

Ein „Mißtrauensparagraph”

Pikanterweise kam der Vorschlag zur Schaffung des strafrechtlichen „Maulkorbes” von den Grünen: Sie sahen darin eine „Gegenleistung” für die volle Akteneinsicht durch die Ausschußmitglieder. Nun kommt zwar ein Strafrechtsparagraph gegen Geheimnisverrat, dennoch nicht die uneingeschränkte Akteneinsicht.

Abseits offizieller Parteirhetorik üben selbst Abgeordnete von SPÖ und ÖVP Kritik: Die Neuregelung sei ein Präventiv-„Maulkorb” für die Opposition; es liege an der Mehrheit der Regierungsparteien im Parlament, ob Akteneinsicht gewährt und ob die Immunität von „geschwätzigen” Mandataren aufgehoben werde.

Ein prominenter Koalitionsabgeordneter: „Da gibt'es in den Dienststellen Beamte, die so tun, als gebe es tatsächlich Staatsgeheimnisse, die geschützt werden müßten. In Wirklichkeit mißtrauen die nur den Grünen.”

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